Dramatisches Video sorgt für Aufmerksamkeit

Lichterlöschen um 19 Uhr? Zuger Gastwirte schlagen Alarm

Die Zuger Gastrobranche wehrt sich mit einem Film über die bevorstehenden Verschärfungen der Corona-Massnahmen.

«Fünf vor zwölf um 19 Uhr». Unter diesem Titel entstand ein dramatisch anmutendes Video von Zuger Restaurant- und Barbetreibern. Ihre Aussage: Sollte der Bundesrat am Freitag tatsächlich beschliessen, dass ihre Betriebe nur bis 19 Uhr offen sein dürfen, geht's ihnen ans Lebendige. Die Hilflosigkeit ist gross.

Die Uhr am Zytturm tickt, die Kirchenglocken schlagen Mitternacht. Die Lichter in den Gastroküchen, hinter den Bars und in den Restaurants erlöschen. Dazu dramatische Musik. «Jetzt ist es so weit. Die Lichter sind aus. Was ist mit uns?», fragt sich Luca Nussbaumer vom Gotthardhof. «Keine Salamitaktik. Ich will eine klare Ansage», äussert sich Helena Todorovic von der Panorama Schiff Bar. «Abendessen schon um 16 Uhr? Da machen wir nicht mit», heisst es von Samed Ramadani, dem Betreiber des Restaurants Fischmärt.

«Ich blicke fragend in die Zukunft und mache mir grosse Sorgen um meine Mitarbeitenden», erklärt Stefan Meier vom Rathauskeller. Die dramatischen Aussagen der Gastronomen werden verstärkt durch unheimliche Hintergrundklänge.

Das Video wurde auf Youtube innert knapp 24 Stunden 5'000 Mal angeklickt.

Die Zuger Gastroszene hat guten Grund, sich zu fürchten. Der Bundesrat dürfte heute mit grosser Wahrscheinlichkeit ankünden, dass unter anderem Gastrobetriebe während des nächsten Monats dazu verpflichtet sind, um 19 Uhr zu schliessen. Am Sonntag sollen die Betriebe geschlossen bleiben.

Der Film, den der Zuger Kulturschaffende Remo Hegglin gedreht hat, ist sehr spontan entsanden, erklärt einer der Wirte auf Anfrage von zentralplus. Dies, nachdem der Bundesrat bereits am Dienstag eine Anpassung der bestehenden Öffnungszeiten ankündigt hatte. Ein drastischer Entscheid, laufen doch die meisten Gastrobetriebe längst auf dem Zahnfleisch.

Tina Biberger betreibt die Bar Niente an der Baarerstrasse. «Beschliesst der Bundesrat, dass Gastronomiebetriebe nur bis 19 Uhr geöffnet haben dürfen, ist das verheerend für uns», sagt sie.

Bereits jetzt verzeichnet Biberger Umsatzeinbussen von etwa 30 Prozent. «Da die Empfehlung des Bundesrats aktuell Homeoffice lautet, kommen deutlich weniger Leute zum Kaffee, zum Mittagessen und zum Apéro. Mit den angekündigten Öffnungszeiten komme kaum jemand mehr nach der Arbeit vorbei», sagt sie. Und sie fügt an: «Da bleibt uns beinahe nichts anderes übrig als zu schliessen.»

Wäre ein Lockdown sinnvoller?

Man sei sich in der Branche einig, dass ein Lockdown in dieser Situation sinnvoller wäre. Auch wenn ein solcher schwer zu verkraften wäre. «Denn Miete zahlen wir ja trotzdem.»

«Jetzt ist alles für die Füchse.»

Tina Biberger, Betreiberin der Bar Niente

Biberger ist frustriert. Insbesondere, da man alle Regeln befolgt habe und alles richtig gemacht habe. «Die Restaurants und Bars haben so viel in die Sicherheitsvorkehrungen investiert, für Masken, Desinfektion. Jetzt ist alles für die Füchse.»

Besonders schlimm sei es, weil die Gastronomin ihren Job eben nicht nur als Job sehe. «Ich bin mit ganzem Herzen Gastronomin und liebe den Kundenkontakt. Das ist mehr als nur ein Business.»

Sie habe bereits schwierige acht Monate hinter sich, «nun sind wir echt am Anschlag. Was für eine verflixte Situation.»

«Das wäre quasi ein Lockdown, ohne dass der Bund in der Verantwortung steht.»

Claudio Savi, Geschäftsführer der Gotthardbar und der Bar im Hof

Claudio Savi, der neben der Gotthardbar auch die Restaurant-Bar im Hof betreibt, sagt zur drohenden Einschränkung der Öffnungszeiten: «Das wäre quasi ein Lockdown, ohne dass der Bund in der Verantwortung steht.»

Einer, der zu einem ganz schlechten Zeitpunkt käme, denn «die Reserven sind aufgebraucht», so Savi. Er erklärt: «In einem meiner Lokale haben wir im letzten November einen Umsatz von 96'000 Franken generiert. Dieses Jahr lag er bei 21'000 Franken. Und das geht schon seit zehn Monaten so.»

Dabei helfe es nicht, dass die Branche seit Anfang der Pandemie 13 neue Schutzkonzepte habe umsetzen müssen. «Allein im letzten Monat hat das Schutzkonzept drei Mal gewechselt. Das sind dann jeweils acht Seiten, die ich meinen Mitarbeitern unterbreiten muss.»

Glück im Unglück dank Zuger Kundschaft

Felix Suter führt die kleine Bar Zytclub beim Kolinplatz. Er habe Glück im Unglück, erklärt er gegenüber zentralplus. «Wir hatten in den letzten Jahren sehr viel Zuger Kundschaft. Darum läuft es verhältnismässig gut. Doch mache ich mir Sorgen um meine Kollegen in der Branche.»

Nun, mit der aktuellen Sperrstunde um 23 Uhr komme er einigermassen über die Runden. «Klar ist das einschneidend und kostet Geld, doch kommen wir damit auf eine schwarze Null. Sollte der Bundesrat heute entscheiden, dass wir um 19 Uhr schliessen müssen, schaltet er die Branche quasi aus. Das kommt einem Berufsverbot gleich», sagt Suter.

«Und wenn auch nur 150 Franken an einem Abend hereinkommen, so sind es immerhin 150 Franken.»

Felix Suter, Betreiber des Zytclubs

Die Bar trotz drohender Einschränkungen zu schliessen komme für ihn dennoch nicht infrage. «Ich bin selbständig. Wenn ich die Pforten schliesse, kommt kein Rappen herein. Sollten wir tatsächlich nur bis 19 Uhr offen haben dürfen, werden wir einfach früher aufmachen. Und wenn auch nur 150 Franken an einem Abend hereinkommen, so sind es immerhin 150 Franken.»

Suter ärgert sich über die Mehrwertsteuerpraxis des Bundes: «Zwar bekommen wir immer striktere Rahmenbedingungen aufgehalst, dennoch geben wir pünktlich vierteljährlich 7,7 Prozent unserer Einnahmen ab. An diesem Prozentsatz wird nicht gerüttelt.»

Das Beste, was der Bundesrat heute beschliessen könnte? «Dass die Situation gleich bleibt wie bisher. 23 Uhr ist eine gute Zeit, wenn man die geltenden Corona-Massnahmen einhalten muss. Bis zu dieser Zeit halten sich die Gäste gut an die bestehenden Regeln. Um 1 Uhr früh wäre es schwierig, dafür zu sorgen, dass die Abstände eingehalten werden», sagt Suter. «Ich will als Barbetreiber ja auch nicht unvernünftig oder fahrlässig handeln. Deshalb halten wir uns strikte an die bestehenden Schutzmassnahmen.»

Kanton kündigt finanzielle Unterstützung an

Am Freitag kommunizierte die Zuger Finanzdirektion, dass man bereit sein wolle, wenn zusätzliche Einschränkungen des Bundes zu weiteren wirtschaftlichen Härtefällen führten. Deshalb plant der Kanton eine Ergänzung der Härtefallunterstützung, wenn «der Bund selber keine adäquaten finanziellen Ausgleichsmassnahmen schafft».

Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler lässt verlauten, dass man die Unternehmen in dieser äusserst anspruchsvollen Ausgangslage nicht alleine lasse. Man wolle der Zuger Wirtschaft finanzielle Unterstützung gewähren und Sicherheit vermitteln.

Kanton will maximal 15 Millionen Franken locker machen

Weiterhin sollen Unternehmen unterstützt werden, die vor Ausbruch von Covid-19 profitabel oder überlebensfähig gewesen seien. Von denen gibt es aber welche, die das Kriterium des sogenannten Härtefallprogramms bezüglich «Umsatzeinbusse von mindestens 40 Prozent gegenüber den Vorjahren» nicht erfüllen. Wenn sie von den vom Bundesrat im Dezember 2020 zusätzlich angeordneten nationalen Massnahmen aber besonders stark betroffen sind, sollen sie neu trotzdem finanziell unterstützt werden, schreibt der Regierungsrat in einer Mitteilung.

«Vorgesehen ist die Ausrichtung von rückzahlbaren Darlehen und vor allem die Gewährung von à-fonds-perdu-Beiträgen in der Höhe von zusätzlich maximal 15 Millionen Franken», sagt Finanzdirektor Heinz Tännler. Voraussetzung ist, dass der Jahresumsatz 2020 im Zusammenhang mit behördlich angeordneten Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie unter 80 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes der Jahre 2018 und 2019 liegt.

Da der Betrag von 15 Millionen Franken vom Kantonsrat abgesegnet werden muss und die Zeit drängt, will die Regierung 500'000 Franken vorerst aus dem Lotteriefonds zur Verfügung stellen. Dieser Betrag werde dem Fonds später wieder gutgeschrieben.

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