Die Sorgenfalten des EVZ-CEO werden tiefer

Lengwiler: «Die konstante Unsicherheit empfinde ich als belastend»

CEO Patrick Lengwiler sagt, dass der Kanton Zug dem EV Zug ein Kränzchen für die Einhaltung des Schutzkonzepts gewunden habe. (Bild: EVZ)

3259 Zuschauer gegen den SC Bern, 2913 gegen Lausanne: Die beiden Heimspiele der Zuger haben bisher weniger maskierte Leute sehen wollen, als mit 3800 erlaubt wären: Was EVZ-CEO Patrick Lengwiler dazu – und zum «zweiten Lockdown des Sports» im Kanton Bern – sagt.

Weil der EV Zug über 5900 Saisonabos verkauft hat, aber nur maximal 3800 in die auf ausschliesslich Sitzplätze umgerüstete Bossard Arena hineinlassen darf, hat er seine zahlende Kundschaft in die zwei Gruppen «blau» und «wiis» aufgeteilt (zentralplus berichtete).

Mittlerweile hat jede Gruppe ihre Premiere in der Coronameisterschaft hinter sich. Dabei sticht ins Auge, dass die maximale Zuschauerkapazität von 3800 um jeweils 500 bis fast 900 Saisonabobesitzer unterschritten wurde. Das kann nicht im Sinne des EV Zug sein.

zentralplus: Patrick Lengwiler, haben Sie eine Erklärung dafür, warum jeweils mehrere Hundert Zuschauer ihr Recht auf einen Matchbesuch bislang nicht nutzen wollten?

Patrick Lengwiler: Wir werden eine erste Bilanz in der ersten Novemberwoche ziehen, wenn jede Gruppe zweimal im Stadion war.

zentralplus: Aber Sie haben bestimmt erste Anhaltspunkte.

Lengwiler: Man muss wohl berücksichtigen, dass unser erstes Heimspiel gegen den SC Bern in die Zeit der Schulferien fiel. Aber wahrscheinlich wird auch Vorsicht – vielleicht sogar Angst – bei einigen Saisonabobesitzern eine Rolle gespielt haben. Andere wollten wohl einfach abwarten, wie die Rückmeldungen ausfallen zu Matchbesuchen unter Einhaltung des Schutzkonzepts.

«Ich finde es schade, wenn die maximale Stadionkapazität nicht erreicht werden kann.»

zentralplus: Aber ist das geringere Zuschaueraufkommen für Sie nicht auch ärgerlich, weil es Leute gäbe, die gerne ins Stadion gehen würden?

Lengwiler: Ärgerlich ist für mich zu hart ausgedrückt, aber schade finde ich es schon. Weil es eben Fans gibt, die wir nicht an ein Heimspiel lassen können, und weil andererseits auch solche, die kommen könnten, nicht kommen.

zentralplus: Für den EVZ bedeutet das weniger Einnahmen in der Gastronomie.

Lengwiler: Das ist so. Dabei sind wir in diesen Zeiten finanziell auf alles angewiesen, was nur irgendwie geht. Deshalb ist es unser Ziel, die maximale Zuschauerkapazität ausschöpfen zu können.

zentralplus: Dabei hat der EVZ ja eine Wiederverkaufsplattform, in der zumindest alle Sitzplatzabobesitzer ihren Platz zur Verfügung stellen können, wenn sie einen bestimmten Match nicht besuchen.

Lengwiler: Darin sehe ich unsere Aufgabe: Wir müssen versuchen, unseren Abobesitzern aufzeigen, dass sie ihre Karte an Bekannte weitergeben oder auf unserer Wiederverkaufsplattform zur Verfügung stellen können. Quasi nach dem Motto, dass man anderen Leuten eine Chance auf einen EVZ-Matchbesuch geben soll.

«Der Kanton hat uns für die Umsetzung des Schutzkonzepts ein Kränzchen gewunden.»

zentralplus: Wie hat der Kanton Zug auf die Umsetzung des Schutzkonzepts in den beiden bisherigen EVZ-Heimspielen reagiert?

Lengwiler: Er hat uns ein Kränzchen gewunden. Und ich möchte unseren Zuschauern auch ein Lob dafür aussprechen, wie sie mitziehen. Nur am ersten Heimspiel mussten die Leute zum Teil zu lange anstehen. Aber das wird besser von Match zu Match, weil die Leute nun wissen, dass sie rechtzeitig kommen sollten und welchen Eingang zum Stadion sie benützen müssen. Wir fluten sie ja regelrecht mit Informationen.

zentralplus: Sie stehen in regelmässigem Austausch mit den kantonalen Behörden. Findet das Heimspiel gegen die ZSC Lions am Freitag vor mehr als 1000 Zuschauern statt?

Lengwiler: Davon gehe ich aus, weil mir nichts anderes bekannt ist.

zentralplus: Bis wann müsste eine Reduktion der Zuschauerobergrenze erfolgen?

Lengwiler: Das kann ich nicht sagen, weil das per se nicht festgelegt ist. Wir haben den Verantwortlichen des Kantons aber gesagt, dass wir eine gewisse Vorlaufzeit brauchen, um 3800 Saisonabobesitzer rechtzeitig über das neue Regime informieren zu können.

«Wir haben diese Leute kompromisslos aus der Bossard Arena gewiesen.»

zentralplus: Dass sich das Regime innerhalb eines Tages ändern kann, zeigt das Beispiel des Kantons Bern.

Lengwiler: Ja, das erfüllt mich mit Sorge. Zwei Stunden nachdem der Bundesrat gesagt hat, dass Grossveranstaltungen im Sport unter Einhaltung der Schutzkonzepte weiterhin stattfinden können, macht der Kanton Bern einen Alleingang und senkt die Obergrenze auf 1000 Zuschauer. Das ist befremdend. Der Kanton Bern hat sein Versäumnis, mit dem Contact Tracing nicht mehr nachzukommen, auf die Sportvereine abgewälzt. Das ist quasi ein zweiter Lockdown des Sports im Bernbiet und damit ein grosses Problem für die ganze Eishockeyliga, weil 1000 Zuschauer keine Basis sind, um weiterhin existieren zu können.

zentralplus: Und jetzt befürchten Sie, dass auch der Kanton Zug dem Beispiel Berns folgen könnte.

Lengwiler: Drei Faktoren können den Ausschlag für eine Reduktion der Zuschauerobergrenze geben. Erstens: Wenn das Schutzkonzept nicht eingehalten wird. Ein Superspreader, der im Stadion mehrere Leute ansteckt, wäre eine üble Sache. Bisher ist das aber nirgendwo in der Schweiz passiert. Die Zuschauer machen mit. Bisher gab es ganz wenig Renitente.

zentralplus: Gab es diese auch in Zug?

Lengwiler: Ja, vereinzelte, die das Gefühl hatten, sie müssten sich nicht an die Auflagen halten. Wir haben diese Leute kompromisslos aus der Bossard Arena gewiesen.

zentralplus: Was sind die Faktoren 2 und 3?

Lengwiler: Der zweite Faktor ist, dass bei einem Kanton die vorhandenen Ressourcen fürs Contact Tracing überlastet werden. Das war, so habe ich es aus verschiedenen Quellen gehört, der Hauptgrund für den Alleingang des Kantons Bern. Dabei sind steigende Infektionszahlen, wenn es auf den Winter zugeht, vorhersehbar. Genügend Ressourcen zu haben für das Contact Tracing ist und bleibt auch eine Herausforderung für den Kanton Zug.

zentralplus: Fehlt noch Faktor 3.

Lengwiler: Das ist der Druck, der in der Politik herrscht. Folgen die Kantone einander, wenn Bern vorprescht? Diese konstante Unsicherheit empfinde ich als belastend.

«Die Kredite werden auch in Zeiten, wenn es wieder besser laufen sollte, nicht refinanzierbar sein.»

zentralplus: Fordern Sie die Umwandlung von Krediten über eine Laufzeit von zehn Jahren in Subventionen, wenn die Obergrenze von 1000 Zuschauern landesweit kommt?

Lengwiler: Uns wird die Chance genommen, unser Business selber erwirtschaften zu können. Und das schon seit rund acht Monaten. Man muss sehen, woher wir kommen: Im März fehlten uns durch den Saisonabbruch die Playoff-Einnahmen. Danach wurde der Sport bei der Kurzarbeit benachteiligt, weil sie nur zwei Monate möglich war für das spielende Personal bis zur Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs. Danach kam unter Einhaltung eines Schutzkonzepts die Regelung, dass wir nur zwei Drittel der Sitzplatzkapazität eines Stadions füllen dürfen. Wir haben alles Notwendige gemacht und viele Kosten bezüglich Umsetzung des Schutzkonzepts auf uns genommen, damit wir die schwierige finanzielle Situation irgendwie bewerkstelligen können. So haben alle unsere Angestellten in einen Lohnverzicht eingewilligt. Irgendwann bist du am Ende des Lateins, was du noch alles unternehmen kannst, um die Kosten zu senken. Und einfach Leute entlassen können wir nicht, weil die Aufgaben auch erledigt werden müssen und wir sonst schon schlank aufgestellt sind.

zentralplus: Kredite können ja auch kaum zurückbezahlt werden, weil einige Klubs selbst dann rote Zahlen schreiben, wenn das Hockeybusiness brummt.

Lengwiler: Kredite sind ja gut und recht, um die Liquidität zu gewährleisten. Aber das Problem ist die Überschuldung, die sich mit bloss 1000 Zuschauern zusätzlich verschärfen würde. Die Kredite werden auch in Zeiten, wenn es wieder besser laufen sollte, nicht refinanzierbar sein. Mit 1000 Zuschauern wird kein Klub überleben – auch wir nicht. In der ganzen Wirtschaft hört man branchenübergreifend, dass man einen zweiten Lockdown nicht überleben wird. Der Entscheid des Kantons Bern ist der zweite Lockdown für das Eishockey in der Schweiz.

zentralplus: Also erwarten Sie, dass der Staat den Profisport subventioniert?

Lengwiler: Die übergeordnete Frage ist für mich: Ist Eishockey für unsere Gesellschaft systemrelevant? Beantwortet die Politik diese Frage mit ja, braucht es Subventionen. Sagt sie nein, gehen rund 4000 Arbeitsplätze verloren. Und für diese muss der Staat ohnehin aufkommen. Meines Erachtens fällt die staatliche Unterstützung in Form von Subventionen kleiner aus als wenn alle Eishockeyvereine kaputtgingen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Rene Gruber
    Rene Gruber, 21.10.2020, 10:38 Uhr

    @Gery Blum: Natürlich leiden auch andere unter der Situation. Darf der eine nun nicht mehr sagen, dass er leidet, weil andere auch leiden?
    Patrick Lengwiler erwähnt ja, dass ein zweiter Lockdown in der ganzen Wirtschaft kaum zu verkraften wäre. Dazu gehören Firmen und zu den Firmen gehören Mitarbeiter.

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  • Profilfoto von Gery Blum
    Gery Blum, 21.10.2020, 08:05 Uhr

    Diese konstante Unsicherheit und die ständig ändernden Vorgaben empfinden wohl alle als belastend, wieso soll es ihm anders ergehen? Nicht wenige haben dazu ihren Job verloren, existenzielle Sorgen oder nagen jetzt erst recht am Hungertuch. Was sollen die sagen?

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