«Autokanton» im Wandel

Leise rollt die Tempo-30-Welle durch Zug

So soll die Chamerstrasse in Hünenberg dereinst aussehen. (Visualisierung: Gemeinde Hünenenbrg)

Früher undenkbar, heute zunehmend salonfähig: In mehreren Zuger Gemeinden werden neue Tempo-30-Zonen geplant. Nach langen politischen und gesellschaftlichen Grabenkämpfen scheint sich der Wind nun zugunsten solcher Temporeduktionen zu drehen.

Tempo 30 und der Kanton Zug. Im «Autokanton» mit der seit Jahren schweizweit höchsten Dichte an Autos und SUVs war die Frage nach Temporeduktionen lange ein rotes Tuch. Gleich in mehreren Zuger Gemeinden werden nun aber Tempo-30-Vorlagen in den Gemeindeversammlungen zum Thema.

Was früher noch für Aufschreie gesorgt hätte, wird mittlerweile zwar immer noch rege diskutiert – ist aber kein Tabuthema mehr. Zum einen hat der gesellschaftliche Wind gedreht, zum andern stehen manche Zuger Gemeinden generell vor ganz neuen Verkehrssituationen, wie ein naher Blick zeigt.

Hünenberg: Kantonsstrasse soll zur Flaniermeile werden

Das beste Beispiel für diese Entwicklung ist die geplante Umgestaltung der Chamerstrasse in Hünenberg. Im Zuge der Entwicklung des Hünenberger Zentrumsbereichs und der Zentrumsüberbauung wurde dort schon früh der Wunsch nach einer Aufwertung des Strassenraums geäussert.

Dies soll nun umgesetzt werden: Die heutige Kantonsstrasse, vom Bereich der Einmündung der Eichengasse bis zur Einmündung des Ehretwegs, wird sich merklich verändern. So soll in der Mitte der Fahrbahn ein zwei Meter breiter, gepflästerter Streifen erstellt werden. Dieser kann zur Überquerung der Fahrbahn genutzt werden. Zudem werden die Bushaltestellen leicht verschoben und behindertengerecht ausgestaltet. Weiter werden einige der Rabatten durch Bäume ersetzt, um mehr Schatten für die aufgewerteten Trottoirflächen zu bieten (siehe Visualisierung).

Zwischen der Einmündung der Eichengasse bis zur Einmündung des Ehretwegs soll die Chamerstrasse umgestaltet werden:

Früher undenkbar: Tempo 30 auf Kantonsstrasse

Neben der optischen Umgestaltung fällt aber vor allem eine geplante Neuerung auf: Im entsprechenden Strassenabschnitt soll neu Tempo 30 gelten. Dies zur Verbesserung der Sicherheit für die Strassenüberquerung über den zwei Meter breiten Mittelstreifen, wie die Gemeinde mitteilt. Da es sich um eine Tempo-30-Zone handeln wird, werden auch keine Fussgängerstreifen mehr angebracht sein. Die Überquerung der Strasse ist somit praktisch überall im erwähnten Abschnitt möglich.

Die Temporeduktion ist insofern bemerkenswert, als es sich hier – noch – um eine Kantonsstrasse handelt. Mit der Eröffnung der geplanten Umfahrung Cham-Hünenberg wird die Chamerstrasse zu einer Gemeindestrasse abklassiert. Im Januar bestätigte das Bundesgericht die Rechtmässigkeit der Baubewilligung für die Umfahrung (zentralplus berichtete). Die Inbetriebnahme der Umfahrung ist aktuell für das Jahr 2027 vorgesehen. Der Kanton könne sich die Temporeduktion auf der Chamerstrasse aber bereits heute vorstellen, wie der Hünenberger Gemeinderat mitteilt.

Dies wäre demnach für den Herbst 2022 vorgesehen. Dazu müssen die Stimmbürger einem Kredit von 2,2 Millionen Franken zustimmen. Die Gemeindeversammlung findet schon bald statt, nämlich am 21. Juni.

Cham: Zentrum soll «Autoarm» werden

Die Umfahrung Cham-Hünenberg wird selbstredend auch Konsequenzen für den Verkehr innerhalb der Gemeinde Cham haben. Durch die Umfahrung wird unter anderem auch das Projekt «Gestaltung Autoarmes Zentrum» ermöglicht. Ziel der Gemeinde ist es, das Verkehrsaufkommen im Ortszentrum, je nach Streckenabschnitt, um 40 bis 75 Prozent zu reduzieren.

So soll das Zentrum von Cham entlastet werden:

«Cham erhält die einmalige Chance, das Ortszen­trum neu zu gestalten und aufzuwerten. Diese Chance soll ergriffen werden, um ein Zentrum mit hoher Aufenthalts­qualität und belebten Strassenräumen zu schaffen», schreibt die Gemeinde in ihrer Botschaft zur anstehenden Gemeindeversammlung. Sowohl die Aufenthaltsqualität, die Umweltverträglichkeit als auch die Sicherheit im Zentrum will man verbessern. Letzteres soll vor allem auch durch die Einführung eines Tempo-30-Regimes erreicht werden.

Die Bevölkerung muss nun über einen Planungskredit über 679'700 Franken für das Projekt «Gestaltung Autoarmes Zentrum» befinden. Die Gemeindeversammlung in Cham findet ebenfalls am 21. Juni statt.

Steinhausen: Quartierstrassen sollen sicherer werden

Auch in Steinhausen steht die nächste Gemeindeversammlung an – und auch dort steht die mögliche Einführung von Tempo 30 auf der Traktandenliste. Konkret geht es um Abschnitte der Matten- und Eschenstrasse.

Dort soll in erster Linie die Kanalisation erneuert und durch eine Regenabwasserleitung ergänzt werden. Mit dem Bau dieser Leitung soll aber auf den gleichen Strassenabschnitten auch eine Tempo-30-Zone realisiert werden.

Angrenzende Strassenabschnitte kennen bereits ein Tempo-30-Regime:

Auch in Steinhausen ist der Gemeinderat überzeugt, dass mit der Einführung einer Tempo-30-Zone die Sicherheit der Verkehrsteilnehmerinnen erhöht werden kann. Zusätzlich werde die Lärmbelastung im Bereich der Matten- und Eschenstrasse reduziert und damit die Wohnqualität verbessert. Die Stimmberechtigten müssen dafür an der Gemeindeversammlung vom 10. Juni über einen Kredit über 87'000 Franken befinden.

TCS wird nicht in Opposition gehen

Im Kanton Zug gab die geplante Einführung von Tempo 30 in den vergangenen Jahren vor allem in der Stadt Zug zu reden. Die Einführung des Tempo 30-Regimes auf der Grabenstrasse wurde zunächst über Jahre erkämpft und in der Folge lange von ansässigen Gewerblern und dem TCS Zug bekämpft. Im Dezember 2020 machte das Verwaltungsgericht schliesslich den Weg dafür frei (zentralplus berichtete).

«Unsere Position bleibt die, dass wir gegen Temporeduktionen auf Hauptverkehrsachsen sind, wenn sie nicht zwingend notwendig sind.»

Thomas Ulrich, Sektionspräsident TCS Zug

Die Situation in den Gemeinden ist für den TCS Zug jedoch eine andere und nicht direkt mit der Kontroverse um die Grabenstrasse zu vergleichen, sagt Sektionspräsident Thomas Ulrich auf Anfrage. «Unsere Position bleibt die, dass wir gegen Temporeduktionen auf Hauptverkehrsachsen sind, wenn sie nicht zwingend notwendig sind.» Man verstehe jedoch das gestiegene Interesse an Lärmschutzmassnahmen. «Zwar gehen wir davon aus, dass sich die Lärmfrage durch die zunehmende Elektrifizierung der Autoindustrie zusehends von allein löst, wir akzeptieren jedoch die zuletzt gefällten Entscheide der Gerichte.»

Was die Tempo-30-Pläne der Zuger Gemeinden angeht, so werde der TCS jedenfalls nicht aktiv in Opposition treten. «Das ist allein Sache der jeweiligen Stimmberechtigten», so Ulrich.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Dani J
    Dani J, 06.06.2021, 12:46 Uhr

    Verkehrsarmes Zentrum in Cham, ja klar! Interessanterweise finden sich die einzigen Einkaufsmöglichkeiten im Zentrum, keinerlei nicht mal Kioske noch kleine Supermärkte nahe der riesigen Wohnquartiere und es wird immer schlimmer. Komplette Fehlplanung, wie will man so den Verkehr vermindern? Baut einfach einen Supermarkt Umgebung Sinserstrasse, dann muss keiner aus diesen riesigen Wohnquartieren mehr wegen jedem Kleinen Einkauf ins Zentrum. Aber es muss halt schon schwer verständlich sein 🤦nur schon ein Tankstellenshop beim Imholz würde Abhilfe schaffen und wäre eine Goldgrube!

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  • Profilfoto von Martin Meier
    Martin Meier, 06.06.2021, 10:03 Uhr

    Tempo 30 in den Dorfzentren ist zu befürworten, dies sollte man heute schon von 22 bis 6 Uhr einführen. Unsäglich finde ich jedoch die geplante Anbindung von Hünenberg See, die nur noch durch 30er-Zonen möglich ist.

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