Kater nach der Hanf-Euphorie der letzten Jahre

Legales Gras anzubauen, ist in der Region Luzern nicht lukrativ

Wenig stimulierend: legaler Hanfanbau in der Region. (Bild: hae)

Auf die Hanf-Euphorie der letzten Jahre folgt jetzt der Kater: Die Preise fallen, es gibt immer mehr Anbieter, die Kosten für Sicherheit vor Dieben sind gross. Ein Luzerner Bauer ist ernüchtert – und wohl nicht der Einzige im scheinbar lässigen Geschäft.

Vernebelte Felder, erstes Laub fällt, Krähen krächzen – und Tausende Hanfpflanzen recken sich aufrecht wie Weihnachtsbäumchen dem Dach entgegen. Es riecht würzig im 650 Meter langen Gewächshaus, und liebevoll streicht der Bauer im Luzerner Seenland über die Stauden. Er sagt: «Ich sollte eigentlich glücklich sein kurz vor meiner zweiten Ernte – doch ich bereue den Entscheid, im Herbst 2017 auf die hippe Pflanze gesetzt zu haben.»

Thomas, wie wir ihn aufgrund seines Wunsches, anonym zu bleiben, nennen wollen, spürt Ernüchterung. Voller Euphorie war er auf den Trend aufgesprungen, hatte viel über das im Hanf enthaltene Tetrahydrocannabinol gelesen, die berauschende Substanz THC. 

In der Schweiz ist der Anbau von Hanfpflanzen, die mehr als ein Prozent THC enthalten, verboten. Man unterscheidet zwischen legalem und illegalem Hanf. Die sogenannten Cannabidiol- oder abgekürzt CBD-Pflanzen, die Thomas Mitte Oktober wieder ernten wird, sind nicht für Kiffer bestimmt.

Wie Weihnachtsbäume: Der legale Hanf von Bauer Thomas blüht noch immer. (Bild: hae)

Der legale Stoff von Thomas wird als Tabakersatzprodukt von Rauchern verwendet und von der Nahrungsmittelindustrie für die Verwendung als Öl oder Tee. Und kommt auch als Zutat für Käse, Würste, Pasta, Müesli oder Knabberzeug wie Superfood zum Einsatz. 

Überdies findet Hanfessenz auch medizinische Verwendung, denn dem legalen Gras werden therapeutische Wirkungen nachgesagt: gegen Epilepsie, Angststörungen, Schlafstörungen, Übelkeit, Psychose, Depression und sogar Krebs.

Bauer Thomas freute sich noch vor einem Jahr über seine Wunderpflanze: «Hanf ist auch agronomisch unproblematisch: Er wächst schnell, verträgt Trockenheit und er braucht keinen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.» Hanfanbau ist zudem aus ökologischer Sicht interessant: Hanf regeneriert beschädigtes Ackerland, das zum Beispiel von Tabak zerstört wurde, sehr schnell und soll so viel CO2 in Sauerstoff umwandeln wie keine andere Pflanze.

«Rauchersatz wird pro Gramm für rund 10 Franken verkauft, und der Handel verdient sich dumm und dämlich.»

Thomas, Luzerner Hanfbauer

Gross war also die Freude, als Thomas im letzten Herbst von seinen rund 200'000 Pflanzen rund fünf Tonnen getrocknete Ware einfuhr, die er für rund 30'000 Franken pro Tonne verkaufte. «Doch wenn ich dann sehe, dass der Rauchersatz pro Gramm für rund 10 Franken im Laden verkauft wird und der Handel sich dumm und dämlich verdient, ärgere ich mich schon», gesteht er.

Doch jetzt, bei seiner zweiten Ernte, ist die Situation eine andere. «Die Preise am Markt fielen, es gibt immer mehr Anbieter, ich produziere mit meinem Dutzend Gastarbeitern bereits am Existenzminimum.» Und dann kommt auch noch der zusehends grosse Aufwand für die Sicherheit vor Dieben hinzu: Thomas muss seine gehegten Pflanzen, die mitunter fast mannshoch sind, nachts mit Patrouillen und Hunden beschützen.

Muss aufwendig bewacht werden: Hanf ist bei Dieben beliebt. (Bild: hae)

«Es gibt immer wieder Lausbuben, die unseren legalen CBD-Hanf stehlen und dann als illegalen Kifferstoff verkaufen – weil sich beide Sorten auf den ersten Blick und beim Duft nicht unterscheiden.» Noch mehr fürchtet sich Thomas vor den organisierten Dieben, die gleich mit dem Lastwagen vorfahren und seinen Stoff einstreichen. «Das passiert immer öfter», so Thomas. Offizielle Zahlen dazu gibt es allerdings nicht.

Schweizer Produktion ist zu teuer

Ein anderer Luzerner, der in der Branche tätig ist, ist Michael Steiner. Er stellt in der Firma Arbolea bei Liestal (BL)  in Co-Produktion mit einer anderen Firma in Holland ein standardisiertes CBD-Extrakt her, das in Europa für die medizinische Verwertung verkauft wird. Steiner erklärt: «Wir beziehen den legalen Hanf von überall her, weil wir keine eigene Produktion haben. Bei uns werden die ganzen Pflanzen verarbeitet.»

«Jetzt bleiben halt viele auf ihrer Ware sitzen.»

Michael Steiner, Pharmaunternehmer

20 Tonnen Extrakt stellt Schneider jedes Jahr mit seinem 15-köpfigen Team her, doch die Schweizer Produktion ist ihm vielfach zu teuer. «Weil die Preise attraktiv waren, sprangen anfangs in der Schweiz viele Produzenten auf – doch jetzt bleiben bereits erste Produzenten auf ihrer Ware sitzen.» Michael Schneider nimmt an, dass etliche Hanfbauern in diesem Jahr bereits wieder ausgestiegen sind, denn aufbewahren kann man die Pflanzen nicht lange. Und, entscheidend: «Der Preis war mal hoch, jetzt saust er in den Keller.»

Mit Erdbeeren nicht konkurrenzfähig

Auch das frühere Produkt des Hanfbauers Thomas kam unter Preisdruck: 100 Tonnen Erdbeeren erntete er jahrelang mit seinen 20 Angestellten über mehrere Sommerwochen. Doch die Dumpingpreise vor allem in Spanien, wo «Arbeiter aus Afrika im Stil von Sklaven für drei Euro in der Stunde malochen», liessen ihn immer mehr auf seiner Ware sitzenbleiben.

Thomas hatte auf acht Hektaren Erdbeerfelder gehabt und zudem hatte das unsichere Wetter die sensiblen Pflanzen oft zerstört. Also stieg er auf Hanf um: «Ich habe hoch gepokert und investierte eine halbe Million Franken zur Umrüstung. Das hätte ich nicht tun sollen.»

THC-Hanfproduktion bald legalisiert? 

Thomas hat immer noch die Hoffnung, dass bald vielleicht auch die THC-Hanfproduktion in der Schweiz legalisiert werde. Dann gäbe es mehr Geld zu holen. Ist seine Hoffnung berechtigt? Schwierig abzuschätzen. Doch immerhin wird seit 2013 in der Schweiz der Haschkonsum nicht mehr in einem Straf- sondern in einem Ordnungsbussenverfahren abgehandelt: Wer dabei erwischt wird, muss 100 Franken zahlen – sofern er nicht mehr als 10 Gramm dabeihat.

«Mit Legalisierung soll illegaler Drogenhandel in den Griff bekommen werden. Das macht doch Sinn.»

Thomas, Luzerner Hanfbauer

Und die weltweite Legalisierung schreitet schnell voran: Luxemburg gab diese Woche bekannt, dass es als erstes Land in Europa Cannabis zulassen will – vom Anbau bis hin zum Konsum. «Damit will man den illegalen Drogenhandel in den Griff bekommen. Das macht doch Sinn», sagt Bauer Thomas. 

Da hierzulande ein «brutaler Verdrängungskampf» herrsche und Thomas nicht wie in Belgien mit einem Mindestabnahmepreis rechnen kann, bleiben Bauer Thomas zwei Möglichkeiten, sein Geschäft zu retten: «Ich muss viel mehr Ware produzieren. Dafür müsste ich umliegende Bauern gewinnen können, von ihnen noch Land bewirtschaften zu können.»

Bald eigenes Öl

Oder er setzt auf Produkte mit einer grösseren Wertschöpfung: also etwa eigenes Öl. «Doch dazu brauche ich Laboranten und einen noch grösseren Maschinenpark – also erneute Investitionen.»

Diesen Druck im nur scheinbar lässigen Hanfgeschäft spürt nicht nur Bauer Thomas. Der Schweizer Bauernverband wusste schon vor einem Jahr: «Hanf ist zwar sehr pflegeleicht, relativ anspruchslos und wächst selbst in höheren Lagen. Die Hanfproduktion kann für einige Bäuerinnen und Bauern durchaus interessant sein – es wird aber eine Nische bleiben.»

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