Zuger Gründer wehrt sich gegen Kritik

Leere smarte Velo-Parkplätze in Luzern: «Vielleicht sind wir zwei Jahre zu früh»

Nur die wenigsten der via App buchbaren Veloparkplätze beim Bahnhof Luzern sind besetzt. (Bild: jwy)

Das Start-up Smartmo hat die Veloparkplätze neu erfunden. Der Pilotversuch beim Luzerner Bahnhof kommt allerdings nicht in die Gänge, die Plätze stehen grösstenteils leer. Wie sich der Zuger Gründer das erklärt und wieso er trotzdem expandieren will.

Fünf der neuartigen Veloparkplätze sind an diesem Mittwochnachmittag besetzt. Fünf von insgesamt fünfzig – das ist nicht gerade viel in der von Velos notorisch überlasteten Bahnhofsgegend. Dass das nicht genügt, weiss auch der Erfinder der digitalen Parkplätze, die dort seit vier Monaten als Pilotprojekt stehen. Im Interview verrät er, woran das liegt – und wieso Kritik trotzdem nicht gerechtfertigt ist.

Doch zuerst ein Blick zurück: Ende September ging Smartmo direkt vor dem Bahnhof an den Start (zentralplus berichtete). Das Luzerner Start-up stellt abschliessbare Veloständer zur Verfügung, die man via Smartphone-App reservieren und öffnen kann. Helmbox und Saft für das E-Bike sind ebenfalls bereit. Landesweit gebe es Potential für 20’000 solcher Plätze, sind die Gründer überzeugt. Weitere Städte folgen bald.

So funktioniert Smartmo: Die ersten vier Parkierungen sind gratis, danach kostet die Miete pro Tag 1.80 Franken, fünf Stunden 85 Rappen. Das ist nicht viel, trotzdem gab’s Kritik: Die Grüne Partei echauffiert sich über die kostenpflichtigen Parkplätze, die auf Kosten von Gratisparkplätzen installiert wurden und forderte in einem dringlichen Vorstoss Antworten von der Stadt.

Klar ist: Es wird beim Luzerner Bahnhof in Zukunft viel mehr Velo-Parkplätze brauchen. Man geht von einer Zunahme von bis zu 250 Prozent gegenüber heute aus. Aktuell gibt es rund 4’000 Veloparkplätze (2’500 offene und 1’500 in Velostationen). Zu schaffen macht dem kommerziellen Angebot von Smartmo die Gratisvelostation, wo das Gefährt ebenfalls bewacht und sicher ist. Auch auf der Neustadt-Seite gibt es neben der Unterführung gedeckte Veloparkplätze, die sehr beliebt sind.

Smartmo denkt weiter und grösser und will die «Velomobilität revolutionieren». Am Elevator-Pitch am kantonalen Mobilitätskongress wurde die Idee kürzlich sehr positiv aufgenommen vom Experten der Hochschule für Technik Rapperswil.

Erfinder Daniel Hänggi (rechts) bei der Präsentation der Smartmo-Veloparkplätze. (Bild: uus) (Bild: uus)

Gründer und CEO von Smartmo ist der Zuger Daniel Hänggi, der selber schon mehrmals Opfer von Velodiebstahl geworden ist.

zentralplus: Ich möchte mit einer provokativen Frage anfangen: Braucht es mit der überwachten Gratisvelostation im Bahnhof Luzern die Smartmo-Veloständer wirklich?

Daniel Hänggi: Wir sehen Smartmo als partnerschaftliche Ergänzung, nicht als Konkurrenz. Dahinter steht die Idee, freie ungenutzte Flächen für Veloparkplätze zu nutzen. Wenn ein paar Quadratmeter frei werden, kann das eine neue Möglichkeit sein. Velostationen sind viel grösser und liegen nicht immer so zentral wie in Luzern. Es gibt solche, die gut gefüllt sind, etwa in Basel oder Solothurn. Die meisten sind zentral platziert, aber trotzdem oft nur bis zur Hälfte gefüllt. In Zürich ist die grösste Velostation mit 1600 Plätzen knapp zu 30 Prozent ausgelastet. Aber links und rechts davon auf der Oberfläche ist alles übervoll.

«Die Velomobilität der Zukunft läuft nicht primär über grosse und teure Veloparkhäuser.»

Daniel Hänggi, Smartmo

zentralplus: Die Velostationen decken die Breite ab, Sie agieren in der Nische?

Hänggi: Ja, wir wollen eine neue Zielgruppe erschliessen, die bisher nicht mit dem Velo in die Stadt fährt, sondern das Auto nimmt. Im öffentlichen Raum rund um den Bahnhof sind selten teure E-Bikes parkiert. Sie machen zwar inzwischen 15 Prozent der Velos aus, am Bahnhof sind es aber nicht mal 1 Prozent. Man hat Angst vor Dieben oder Kratzern, weil jeder noch sein Velo hineinmurkst. Dem wollen wir mit unserer Vision Rechnung tragen und das vorhandene Parkangebot erweitern.

zentralplus: Lieber viele kleine Veloständer als grosse Stationen?

Hänggi: Die Velomobilität der Zukunft läuft nicht primär über grosse und teure Veloparkhäuser, von denen man 500 Meter bis zum Ziel laufen muss. Das wird nicht funktionieren. In Zukunft will ich mit dem Velo direkt vor mein Ziel fahren und von zuhause via App prüfen, wo in der Nähe ein sicherer Smartmo-Parkplatz liegt. Wenn ich ein schönes Velo mitnehme, dann will ich vorher reservieren können.

zentralplus: Wie zufrieden sind Sie nach vier Monaten in Luzern?

Hänggi: (zögert) Es ist zweigleisig. Der Zeitpunkt für den Start war ungünstig. Wir haben ein komplett neues Produkt von der Elektronik bis zum Blech entwickelt. Es dauerte zwei Monate länger als geplant, darum sind wir Ende der Velosaison gestartet. Wir hatten die Hoffnung, dass die Leute neugieriger sind. Bis jetzt liegt die Auslastung erst bei 20 Prozent, das Ziel wären 70 Prozent, so dass auch für spontane Besucher noch Platz bleibt. Davon sind wir noch weit entfernt. Viele Leute wissen immer noch nicht, was wir machen und was das Ziel ist.

zentralplus: Hoffen Sie nun auf den Frühling? Oder was unternehmen Sie?

Hänggi: Wir sind ein Start-up-Unternehmen und haben das ganze Projekt inklusive Infrastruktur aus privaten Mitteln bezahlt. Wir haben leider kaum Werbemittel und sind auf der Suche nach weiteren Sponsoren. Das Produkt ist ein Erfolg, wir haben es ohne Werbung installiert und es funktioniert. Jetzt müssen wir es noch bekannter machen. Für April haben wir eine Aktion geplant.

«Mobilität hat seinen Preis, irgendjemand muss dafür bezahlen.»

zentralplus: Sind Smartmo-Veloständer auch an anderen Orten als am Bahnhof denkbar?

Hänggi: Für den Pilotversuch mit den 50 Plätzen in Luzern haben wir eine Partnerschaft mit den SBB, die uns den Platz vor dem Bahnhof zur Verfügung stellt. Darum werden wir im Moment auf die Veloständer am Bahnhof reduziert. Aber wir wollen nicht alle Ständer durch Smartmo ersetzen. In Zukunft werden es vom Volumen her wohl eher kleinere Einheiten sein – beispielsweise zehn Parkplätze bei Hotels, drei in einer Seitengasse oder fünf beim Helvetiaplatz.

Fünf von fünzig Bezahlveloparkplätzen sind besetzt – das reicht nicht. (Bild: jwy)

zentralplus: Rund um den Bahnhof entstehen laufend gedeckte Veloparkplätze: Im ehemaligen Posttunnel oder der geplanten neuen Velostation unter der Bahnhofstrasse. Können da Ihre Bezahlparkplätze mithalten?

Hänggi: Mobilität hat seinen Preis, irgendjemand muss dafür bezahlen. Auch die Velostation ist nicht gratis. Ein Parkplatz dort kostet zwischen 9’000 und 15’000 Franken. Das zahlt die Allgemeinheit, also der Steuerzahler. Bei unserem Pilotprojekt bezahlt der Verursacher. Und wir stellen mit der Helmbox und der Ladestation einen super Zusatz zur Verfügung. Mit 1 bis 1.50 Franken kostet das nicht mal einen halben Kaffee.

zentralplus: Weil die Velos teurer werden, sind die Leute also auch bereit, für einen Parkplatz zu bezahlen?

Hänggi: Velos kosten heute schnell einmal 5’000 Franken, das ist der Preis eines Kleinwagens. So gesehen sind unsere Preise durchaus akzeptabel. Mit dem Auto kostet der Parkplatz pro Tag 20 bis 30 Franken. Denkbar ist auch, dass die Gebühr von einer Firma gesponsert wird, die einen kostenlosen Test offeriert.

zentralplus: Gehen Sie dazu auf Firmen zu?

Hänggi: Wir gehen derzeit auf Versicherungen oder Energiefirmen zu. Es ist die Huhn-und-Ei-Frage: Viele sagen uns, dass wir uns wieder melden sollen, wenn wir wissen, dass es funktioniert. Wenn alle zögern, ist das für uns extrem schwierig, wir stehen noch ganz am Anfang. Zusätzlich werden wir in den nächsten paar Wochen für eine gemeinsame Aktion mit Velohändlern der Region in Kontakt treten. Wir haben ein gemeinsames Ziel: Gute Velos sicher im öffentlichen Raum zu parkieren.

«Wir entwickeln ein Werkzeug, um die Strassen vom motorisierten Verkehr zu entlasten.»

zentralplus: Neben Luzern sind Sie in Uster präsent, danach folgen Zürich, Solothurn und Basel. Was kommt danach?

Hänggi: Das Ziel ist, auch mit kleineren Gemeinden, Städten oder Firmen in Kontakt zu treten. So, dass etwa Mitarbeitende E-Bikes benützen können statt Autos. Wir sind da in Kontakt mit der Zurich-Versicherung und suchen auch den Dialog mit dem Kanton Luzern für ein neues Mobilitätskonzept.

zentralplus: Haben Sie auch Pläne für Zug?

Hänggi: Bisher nicht. Aber Smartmo ist eines der ersten komplett über Blockchain gesteuerten Unternehmen. Unsere Partnerfirma ist das Zuger Krypto-Unternehmen Corledger. Bevor wir weiter expandieren, müssen wir unsere bescheidenen Mittel für den Pilot einsetzen. Man darf nicht vergessen: Bis Ende Jahr testen wir noch immer, es ist noch nicht das Endprodukt. Erst danach wissen wir, ob und wie wir das Produkt im grösseren Stil etablieren können.

So spotteten die Jungen Grünen auf Instagram über die Veloparkplätze. (Bild: Screenshots)

zentralplus: Es gab auch Kritik von Politikern und auf Social Media Spott über leere Ständer. Wie frustrierend ist das?

Hänggi: Sehr frustrierend! Es handelt sich um ein komplett neues Produkt, die Jungen Grünen haben nicht verstanden, was wir vorhaben. Wir entwickeln ein Werkzeug, um die Strassen vom motorisierten Verkehr zu entlasten und Autofahrer zu motivieren, auf das E-Bike umzusatteln. Wir haben bereits mit der Installation der 50 Veloparkplätze das Potential, 10 bis 20 Tonnen CO2 einzusparen. Wenn 20’000 Smartmo-Veloparkplätze in Betrieb sind, ist das ein massives Potential.

Die Velomobilität zu fördern, ist unser oberstes Ziel, nicht die Gewinnmaximierung. Leider haben wir mit dieser Botschaft bis jetzt nur wenige Leute erreicht. Negative Stimmen hallen immer länger nach, aber es muss ein Umdenken stattfinden in der Mobilität. Vielleicht sind wir zwei Jahre zu früh. Aber wir machen etwas komplett Neues, und das hat viel Erklärungsbedarf, das geht nicht in ein paar Monaten. Nextbike hat auch vier bis fünf Jahre gebraucht, bis es in Luzern etabliert war.

zentralplus: Hat die Skepsis auch mit der Schweizer Mentalität zu tun?

Hänggi: In Kalifornien ist die Trial-and-Error-Mentalität sicher stärker verankert, dort darf man einfach mal etwas wagen. Diese Mentalität fehlt bei uns. Es hat Vor- und Nachteile, aber die Kritiker sind schneller zur Stelle als jene, die loben. Aber aus Umfragen haben wir einen extrem guten Zuspruch. Mir ist aber bewusst: Wir müssen uns erst noch beweisen.

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7 Kommentare
  • Profilfoto von Frido
    Frido, 08.02.2020, 22:59 Uhr

    Was sind die Bedürfnisse der E-Bike- und Velofahrer:
    – parken nahe an der Destination, somit müssen viele Velos auf kleinster Grundfläche nahe am Ziel Platz finden.
    – Sicherheit nicht nur für das Bike sondern auch für den Rucksack und die Sport- oder Einkaufstasche. Das Velo hat keinen Kofferraum!
    – Komfort, das Parken und Verstauen der Utensilien muss schnell gehen und einfach sein.
    – Schutz vor Vandalismus, Dieben und Wetter.

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  • Profilfoto von Silvan Widmer
    Silvan Widmer, 07.02.2020, 10:44 Uhr

    Das ist sicher eine schwierige Situation. Da hat man eine innovative Idee, gründet ein Startup und biegt alle Businesspläne so hin, dass es nur ein Erfolg werden kann. Das es aber wenig mit der Realität und den Bedürfnissen der Kunden zu tun hat, will man einfach nicht einsehen.
    Das Konzept wird auch in 10 Jahren nicht funktionieren.

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  • Profilfoto von daniel
    daniel, 07.02.2020, 10:03 Uhr

    Wer weniger Autos auf den Strassen will, darf Velofahren nicht teurer machen. Ausserdem muss man nicht jede Fläche in der Stadt zum Geldverdienen nutzen. Die Stadt ist für alle da.

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    Marc, 06.02.2020, 12:36 Uhr

    Das Problem ist dass die Grünen und viele Velofahrer das Gefühl haben, für Velos müsse alles gratis sein und Verkehrsregeln sollten auch nicht gelten. Wir oft wurden schon Gratisparkplätze für Autos zugunsten Bewirtschafteter aufgehoben? Wenn wir schon abgezockt werden, dann gefälligst alle. Velovignette und Velosteuer sollte auch sofort wieder eingeführt werden. Und rote Ampel überfahren soll auch den Velofahrer 300.- kosten, und nicht nur 60.- oder 80.-.

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    • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
      Kasimir Pfyffer, 06.02.2020, 15:44 Uhr

      1. Auch für Velofahrer ist nicht alles gratis. Wir werden bereits «alle abgezockt», unabhängig vom fahrbaren Untersatz. Sie fahren Auto und bezahlen via Steuern etwas an «meinen» Veloweg. Ich fahre Velo und bezahle via Steuern etwas an «Ihre» Gemeinde- und Kantonsstrassen. Das nennt sich Solidarität bzw. Steuergesetz.
      2. Eine Velosteuer gab es in der Schweiz noch nie.
      3. Die Velovignette war kein Finanzierungsinstrument, sondern entsprach einer Privathaftpflichtversicherung. Weil ca. 90 Prozent der SchweizerInnen ohnehin eine solche Versicherung haben, wurde die Vignette abgeschafft.

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  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 06.02.2020, 12:20 Uhr

    Gopfridstutz, wenn doch all die BesitzerInnen teurer E-Bikes endlich kapieren würden, dass sie gefälligst zum Bahnhof fahren und diese überteuerten Stellplätze benützen müssen! So wird das nie was mit dem Klimaschutz. Was fällt dieser fiktionalen Zielgruppe auch ein, sich nicht an den Businessplan zu halten, …

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    • Profilfoto von L. Bucher
      L. Bucher, 07.02.2020, 06:55 Uhr

      Diese dämlichen, überteuerten Veloständer werde ich sicherlich nie benützen obwohl ich ein Elektrovelo habe. Man soll besser wieder den alten Ständer hinstellen, denn da war alles andere als eine freie ungenutzte Fläche wie dieser Erfinder sagt…
      Und man sollte endlich die unbenützten Velos rund um den Bahnhof entsorgen. Dies gibt ebenfalls Platz!

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