Teenies trinken sich ins Koma – an der Fasnacht erst recht
Saufen bis zum Abwinken – für einige Jugendliche keine Seltenheit. (Bild: Symbolbild: Unsplash)
Rauschtrinken ist unter jungen Schweizern auf dem Vormarsch – anders als in Deutschland, wo sich insbesondere Jugendliche weniger oft betrinken. Ein Luzerner Experte warnt vor möglichen Risiken.
Zumindest im Nachbarland Deutschland wäre die Entwicklung eigentlich positiv:Noch nie wurden so wenige 12- bis 18-Jährige wegen exzessivem Alkoholkonsum im Krankenhaus behandelt wie im Jahr 2023. Gemäss Hochrechnungen landeten 7650 Kinder und Jugendliche wegen einer akuten Alkoholvergiftung in einer Klinik – das sind 28 Prozent weniger als 2022. Das teilte die Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) kürzlich mit.
Andere Länder, andere Sitten – auch beim Rauschtrinken. So scheint es. Denn in Luzern und Zug sieht die Entwicklung etwas anders aus.
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weshalb Schweizer Teenies häufiger exzessiv Alkohol trinken
wie sich der Alkoholkonsum junger Menschen verändert
Ein Blick in die Statistiken des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigt, dass Schweizer Teenies nicht selten zur Flaschegreifen. Die aktuellsten Zahlen liegen aus dem Jahr 2022 vor.
Diese zeigen: Der Pro-Kopf-Konsum ist in den letzten Jahren zwar um fast 20 Prozent gesunken. Das Rauschtrinken nimmt jedoch zu: von elf Prozent im Jahr 2007 auf fast 15 Prozent im Jahr 2022.
Gemäss BFS betrinken sich 15 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Monat. Besonders Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 24 Jahren trinken exzessiv Alkohol. 26 Prozent dieser Altersgruppe gaben an, sich mindestens einmal pro Monat zu betrinken. Sieben Prozent tun dies sogar einmal pro Woche oder häufiger.
Über alle Altersklassen hinweg sind es die Männer, die häufiger trinken. Bei den jungen Männern zwischen 15 und 24 Jahren betrinkt sich rund ein Drittel einmal pro Monat oder häufiger. Doch auch die Frauen holen auf: 2007 betranken sich noch sechs Prozent mindestens einmal im Monat, 2022 waren es 11 Prozent.
Was die Hospitalisierungen in Spitälern aufgrund einer Alkoholvergiftung anbelangt, sind die allermeisten jedoch älter als 23 Jahre. Eine Schweizer Studie aus dem Jahr 2019 zeigt, dass nur rund 7 Prozent dieser Hospitalisierungen Personen unter 23 Jahren alt sind. Diese Zahlen sind jedoch etwas älter, sie stammen aus dem Jahr 2016.
Besonders zur Fasnacht häufen sich Alkoholvergiftungen
Wie oft landen die Rauschtrinker in Luzern und Zug im Spital? Weder das Luzerner Kantonsspital (Luks) noch das Zuger Kantonsspital (ZGKS) erfassen die Anzahl der Spitaleintritte wegen Alkoholvergiftungen. «Vom Gefühl her ist kein zunehmender Trend zu erkennen», schreibt ein Mediensprecher des Luks, und auch beim ZGKS weiss man nichts von «grösseren Veränderungen oder klaren Trends».
Auch wenn sich die Spitäler schwertun, konkrete Zahlen zu nennen, ein klarer Trend ist in Luzern und Zug zu beobachten: Tendenziell gibt es im Sommer mehr Fälle als in der kälteren Jahreszeit. «Gehäuft treten solche Fälle an warmen Sommerwochenenden, grösseren Festanlässen und zum Beispiel in der Fasnachtszeit auf», schreibt die Mediensprecherin des Zuger Kantonsspitals. Der Sprecher des Luks spricht von «einem Schwerpunkt unter 30 Jahren und mit saisonalen Schwankungen, vor allem zum Jahreswechsel und während der Fasnacht».
Warum sich Junge ins Koma trinken
In Luzern trinkt jede vierte Person zwischen 15 und 34 Jahren mindestens einmal im Monat zu viel Alkohol. Man kann also nicht davon sprechen, dass Rauschtrinken bei Jugendlichen hier abnimmt.
Gemäss Nick Illi, Ressort Jugendalter bei Akzent Prävention Suchttherapie, würden Jugendliche gerne experimentieren und Grenzen austesten – so ist es auch bei Alkohol und anderen Rauschmitteln.
Jugendliche würden vor allem aus sozialen Gründen trinken. Im Zusammensein mit Freunden werde die Alkoholwirkung als angenehm empfunden, der Konsum helfe, langweilige Momente zu überbrücken. «Der leicht enthemmende Effekt ermöglicht es, unbeschwerter auf andere Jugendliche zuzugehen und Kontakte zu knüpfen. Wer mittrinkt, ist dabei», so Illi. Auch die Studie der KKH untermauert, dass Junge Bier, Alcopops & Co. trinken, um ihre Gefühle besser zu regulieren. Schüchterne, ängstliche oder depressive Jugendliche erhoffen sich dadurch eine Stimmungsveränderung.
Illi sagt weiter: «Eher selten konsumieren Jugendliche Alkohol, weil sie Sorgen haben und mit dem Alkoholkonsum Probleme oder Niedergeschlagenheit vertreiben wollen.» Sei das jedoch der Fall, sei dies umso besorgniserregender.
Angstmacherei hilft nicht
Der Griff zur Flasche kann fatal sein: Illi hebt hervor, dass Jugendliche aufgrund ihres geringeren Körpergewichts schneller hohe Blutalkoholwerte erreichen. Zudem wird der Alkohol langsamer abgebaut, da die Leber noch nicht ausgereift ist.
Alkohol ist deswegen gefährlich, weil er die Wahrnehmung, Motorik und Reaktionsfähigkeit stark beeinträchtigt. Das kann das Risiko für Unfälle und Verletzungen erhöhen. Bei jungen Menschen ist dies die Hauptursache für alkoholbedingte Todesfälle.
Die KKH warnt, dass Junge, wenn sie Grenzen zu häufig überschritten – also etwa regelmässig zu viel Alkohol trinken – später ein problematisches Konsumverhalten entwickeln könnten.
Illi betont, dass Prävention im Kindesalter beginne. Die Haltung der Eltern gegenüber Suchtmitteln sei für Kinder und Jugendliche prägend. Zudem betont er die Bedeutung gezielter Präventionsprogramme und die konsequente Durchsetzung des Jugendschutzes sowie der Verkaufs- und Abgabebestimmungen.
Akzent hat das Präventionsprogramm «Luegsch» ins Leben gerufen. Im Rahmen des Programms setzen sich über 40 Gemeinden für den Jugendschutz ein. «Dieser greift vor allem dann, wenn alle an einem Strang ziehen», so Illi. Es sei wichtig, Eltern und Betreuende, Behörden, Vereine, Jugendarbeit, Verkaufsstellen und Veranstaltende über Jugendschutz zu informieren und ihnen entsprechende Unterstützung in Form von Wissen und Materialien zur Verfügung zu stellen. Abschreckung und Angstmacherei hingegen seien wenig wirksam.
Isabelle Dahinden schreibt über Menschen, Beziehungen und das Leben. Nach ihrem Studium in Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften begann sie im Dezember 2017 als Praktikantin bei zentralplus. 2021 schloss sie die Diplomausbildung am MAZ ab, übernahm 2023 die stellvertretende Redaktionsleitung – und ist seit April 2025 Co-Redaktionsleiterin. Sie verantwortet das Ressort Gesellschaft.