Eine «technische Störung» sei der Grund, weswegen ein spanischer Zug auf der Strecke zwischen Sevilla und Madrid mitten in der Pampa zum Stillstand kommt. Sie habe sich nichts Böses dabei gedacht, erzählt eine betroffene Leserreporterin. Was sie am Montagmittag noch nicht wusste: Die Iberische Halbinsel versank zu dem Zeitpunkt im Blackout.
Mittlerweile läuft das Internet wieder, und die Luzernerin sitzt in einem gekühlten Zug in Richtung Valencia. Doch in den vergangenen rund 30 Stunden ist viel geschehen. Eine Reisereportage über Hilfsbereitschaft, Mobilitätschaos und Tapas.
Mit Abo erfährst du:
was die Leserreporterin erlebt hat
wie sich die Luzernerin währenddessen gefühlt hat
worauf sich die Betroffene jetzt freut
Gestrandet in der Pampa – umsorgt von nahen Dörflern
Am Himmel ist keine Wolke zu sehen, und die spanische Mittagssonne brennt gnadenlos auf den imNirgendwo gestrandeten Zug. Da der Strom fehlt, läuft auch keine Klimaanlage, und es wird heiss im Abteil. Nach einer Stunde heisst es: alle Passagiere aussteigen.
Auf dem Schotterfeld neben dem Gleis nimmt das Warten seinen Lauf. Im Verlauf des Nachmittags legt sich die Ungewissheit. Die Kunde des Stromausfalls erreicht die Gestrandeten. Einheimische aus dem nächstgelegenen Dorf versorgen die Passagierinnen mit Essen und Getränken. Während einige behelfsmässig Schatten unter einem mitgebrachten Regenschirm suchen, spielen Kinder im Staub neben der ruhenden Lokomotive.
Übernachtung mit 800 Personen in der Mehrzweckhalle
Abends, kurz vor 20 Uhr, gibt es Neuigkeiten. Die Leserreporterin und alle anderen Betroffenen sollen für die Nacht mit Bussen in die nächstgelegene Stadt gebracht werden. Auf der Iberischen Halbinsel herrscht noch immer Stromausfall. In Puertollano bringt der Zivilschutz die Leserreporterin in einer Mehrzweckhalle unter.
«Da waren sicher 600 bis 800 Personen, und es war entsprechend laut», so die Leserreporterin. An Schlafen war demnach vorerst nicht zu denken. Die Stimmung war jedoch heiter. Alle sassen im selben Boot, und man arrangierte sich mit der Situation.
Es wurde gedrängelt und «geellböglet»
Sie habe während den sich vor ihr entfaltenden Szenen an Marc Elsbergs «Blackout» denken müssen. Zu Beginn sei ihr Optimismus gross gewesen – ebenso das Gefühl des Zusammenhalts.
Nach mehreren Stunden Wartezeit erhielt die Luzernerin ein Mätteli. Nach kurzem, unruhigem Schlaf riss sie eine durch ein Megaphon verstärkte Stimme jäh aus dem Träumen. Informationen auf Spanisch. Es stünden einige Busse bereit, die nach Sevilla und Madrid fahren sollten.
Die bisher herrschende Heiterkeit legte sich, und es wurde gedrängelt und «geellböglet». Nach einer Stunde stand die Leserreporterin endlich zuvorderst in der Reihe. Dann hiess es «Completo!» – der Bus war voll. «Da war das Frustlevel schon sehr hoch.»
Am Dienstagmorgen versinkt Madrid noch immer im Chaos
Danach überschlugen sich die Gefühle: Aufregung, Frust, Ernüchterung und Hilflosigkeit. Das Relativieren – es hätte alles schlimmer kommen können, uns geht es gut, wir sind unversehrt, wir sind privilegiert genug, um zu reisen – habe dann in diesen Momenten auch nicht mehr weitergeholfen.
Am Dienstagmorgen dann eine erste Entspannung der Situation. Der Strom fliesst in weiten Teilen Spaniens wieder. Mit dem Bus gehts zum Bahnhof von Puertollano, wo ein Zug die Luzernerin nach Madrid bringt. Hier ist das Chaos noch immer gross. Die meisten Züge sind ausgebucht, und das Bahnpersonal ist überfordert.
Die Sehnsucht nach Tapas und valencianischer Paella
Verspätungen, wie man sie sonst von der Deutschen Bahn kennt, charakterisieren die Anzeigetafeln am madrilenischen Bahnhof. Es folgt die Erlösung: Nachdem sie ihre erste Verbindung verpasst hatte, kann die Leserreporterin in einem Zug mit Zielbahnhof Valencia Platz nehmen.
Sie ist optimistisch, am Dienstagabend in einem valencianischen Restaurant das erlebte Reiseabenteuer bei Tapas und Paella ausklingen lassen zu können.
ist seit Sommer 2024 als Praktikant für zentralplus tätig. Der gebürtige Luzerner schrieb in seiner Zeit als Geschichtsstudent vorwiegend über Vergangenes in fernen Ländern. Bei zentralplus findet er die zeitliche und geographische Nähe zur Heimat wieder und berichtet am liebsten über lokale Kuriositäten.