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Muriel Stillhart hat in den letzten 15 Jahren mehr als 3500 Wohnungen geputzt. Dabei hat sie nicht nur Staub und Dreck weggewischt. Die Luzernerin sagt: Viele Leute wissen nicht, wie man richtig putzt.
«Viele Leute denken, ich gehe einfach ein bitzeli putzen», sagt Muriel Stillhart. Die harte Arbeit wird oft unterschätzt. Und damit ist nicht nur die körperliche Arbeit gemeint. Seit 15 Jahren ist sie selbstständig unterwegs – mit dem Eimer in der Hand und 15 Jahren Erfahrung im Gepäck.
Ihre Arbeit bringt sie dorthin, wo das Leben Spuren hinterlässt – in verlassene WG-Zimmer, chaotische Familienküchen, in ungepflegte Wohnungen. «Was für viele eine Überwindung darstellt, betrachte ich eher als Challenge», sagt sie und lacht. «Umso schlimmer der Zustand einer Wohnung, umso motivierter bin ich.» Dennoch sei es manchmal nicht zu fassen, was sie alles sehe.
Zehn Jahre lang das Klo nicht geputzt
Gerade neulich hat Muriel Stillhart eine 1,5-Zimmer-Wohnung geputzt. Das habe länger gedauert als bei mancher 5,5-Zimmer-Wohnung. «Der Mann, der dort gewohnt hat, hat zehn Jahre lang nichts geputzt. Wirklich gar nichts!», erzählt sie. So einen Dreck habe sie selten gesehen. «Ich möchte es nicht zu detailliert beschreiben», sagt Stillhart. Nur so viel sei gesagt: Vor lauter Urinstein habe man das Porzellan des Klos kaum noch erkennen können.
«Es ist ein gutes Gefühl, wenn man scheinbar Unmögliches wieder richten kann.»
Muriel Stillhart
Verdreckte Wohnungen gibt es viel öfter, als man glaubt. Die Luzernerin hat schon viele gesehen. Erstaunlich: Es sind keine verwahrlosten Menschen, die so hausen. «Der Mann sah gepflegt und normal aus. Wahrscheinlich hat in seinem Umfeld niemand geahnt, dass er seine Wohnung nicht im Griff hat», so Muriel Stillhart.
Die Wohnung hat sie mit viel Aufwand sauber gekriegt. So, dass man sie wieder vermieten kann. Das sind für sie die schönsten Momente ihres Berufs. «Ich liebe es, wenn eine Verwaltung sich die Wohnung zuerst anschaut und dann überrascht ist, wie gut ich das hingekriegt habe», so die 59-Jährige. «Es ist ein gutes Gefühl, wenn man scheinbar Unmögliches wieder richten kann.»
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«Bei Gerüchen hört es bei mir auf»
Muriel Stillhart verträgt vieles. Sie kann den grössten Dreck oder Schimmel entfernen, eklige Flüssigkeiten wegwischen oder Maden einsammeln. Was sie aber nicht erträgt, ist übler Gestank. Es habe schon mehrere Momente gegeben, in denen sie sich fast habe übergeben müssen.
«Einmal an einem Morgen in der Früh musste ich ein Brünneli entstopfen und da kam mir ein Gestank entgegen, dass mir den ganzen Morgen übel war», sagt Muriel Stillhart. «Das ist der Grund, warum ich keine Wohnungen putzen könnte, wo verstorbene Menschen tagelang unentdeckt gelegen haben.»
«Hält man eine gewisse Putzroutine ein, wird es nie so dreckig, dass es anstrengend wird.»
Muriel Stillhart
Zum Glück muss sie das auch nicht. Muriel Stillhart ist mit ihrem Ein-Frau-Betrieb sehr erfolgreich. «Geputzt werden muss immer», sagt sie. Besonders, weil es viele Leute alleine nicht richtig können. Nach jahrelanger Erfahrung ist die Oberdorferin überzeugt: «Viele Leute wissen nicht, wie man richtig putzt.» Damit meint sie nicht nur die Extremfälle. «Hält man eine gewisse Putzroutine ein, wird es nie so dreckig, dass es anstrengend wird», sagt sie.
Putzmittel aus dem Discounter
In einer Duschkabine dauere es zwei Minuten, die Wände abzuziehen. Tut man das jedesmal nach dem Duschen, schrubbt man Ende Woche nicht eine halbe Stunde lang die Verkalkungen weg. Oder nach dem Zähneputzen das Brünneli auszureiben dauere nur eine Minute. Auch das sei wichtig, um Ablagerungen zu vermeiden.
«Wenn man das eine Woche lang nicht macht, hat man bereits sehr viel Arbeit mit dem Bad», sagt sie. Dazu brauche es keine teuren Produkte oder spezielle Geräte. «Auch ich als Profi nutze für die normale Reinigung einfache Putzmittel aus dem Discounter. Erst wenn’s richtig übel wird, greife ich zur Chemie.»
Mehr zur Person
Im Jahr 2010 hat Muriel Stillhart aus Oberdorf ihr eigenes Putzinstitut Stillclean gegründet. Als Ein-Frau-Betrieb reinigt sie Wohnungen, Büros und ganze Häuser. Ihre Preise legt sie nach Grösse der Wohnung und Verschmutzungsgrad fest.
Privat findet sie Freude und Ruhe mit ihren vier Katzen und einem Aquarium.
«Bei mir zu Hause ist es chaotisch – aber nie dreckig»
Ist Muriel Stillhart überhaupt noch motiviert genug, ihr eigenes Zuhause zu reinigen? Die humorvolle Singlefrau schaut sich in ihrer Wohnung um und beginnt zu lachen. «Ich mag es, wenn es etwas chaotisch ist», sagt sie. Viele hätten wohl das Gefühl, dass es bei einem Menschen mit eigenem Putzinstitut immer steril sei. «Das ist es nicht», gibt sie zu.
Doch: «Bei mir wirst du niemals abgelagerten Dreck finden. Da bin ich konsequent.» Und wenn sie nach einem langen Arbeitstag heimkommt, scheut sie sich nicht, bei sich zu Hause weiter zu putzen. «Manchmal bin ich noch richtig im Flow und dann mache ich bei mir zu Hause direkt weiter.»
Ein Leben, das sie sich früher nicht hätte vorstellen können. «Wenn mir mit 30 jemand gesagt hätte, dass ich ein eigenes Putzinstitut haben würde und trotz fairen Preisen gut davon leben könne, hätte ich es nicht geglaubt.»
Als Kind lebte sie in Wien mit einer österreichischen Mutter und einem südamerikanischen Vater. Das Temperament war also programmiert. Als sie mit 17 in die Schweiz gekommen sei, habe sie nichts gewusst. «Niemand hatte mir beigebracht, wie man lebt.» Sie musste sich alles selbst beibringen, hatte kaum Geld zum Überleben. Sie hatte verschiedene Jobs und wusste nicht, was sie aus ihrem Leben machen könnte. Bei einem Job in einem Putzunternehmen spürte sie, dass ihr das liegt. Dass sie aber selbstbestimmt arbeiten möchte.
Chaotisch mag sie es übrigens nicht nur in ihrer 3,5-Zimmer-Wohnung mit vier Katzen. Auch bei ihrer Arbeit geht sie nicht nach einem Putzplan vor. «Manchmal frage ich mich, was die Leute sagen würden, wenn sie mich bei meiner Arbeit beobachten würden», sagt Muriel Stillhart und lacht schallend. «Ich mache ein grosses Chaos, höre Musik, singe lauthals und gehe einfach nach Bauchgefühl vor.»
Ein Gefühl, auf das sie sich offensichtlich verlassen kann. Und während andere sich vor dem Grossputz drücken, freut sie sich schon auf die nächste Herausforderung.
- Persönliches Gespräch mit Muriel Stillhart