Luzerner Start-up für Innovationspreis nominiert

LC-1 für das Huhn: Wie natürlich ist das?

Das Unternehmen Twenty Green will Probiotikum in der Hühnerfütterung einsetzen.

(Bild: Montage les)

Man kennt sie aus der Werbung: Produkte, die einen positiven Einfluss auf die Darmflora ausüben sollen. Eine Luzerner Firma will sogenannte Probiotika auch bei Tieren einsetzen. Das Projekt ist vielversprechend, ein prestigeträchtiger Innovationspreis winkt. Stellt sich die Frage nach der Natürlichkeit.

Ein Luzerner Unternehmer könnte den Weltmarkt für Tierfuttermittel nachhaltig verändern. Deshalb ist die Twenty Green AG mit Sitz im Technopark in Root für den ZKB Pionierpreis Technopark nominiert worden. Dieser ist mit fast 100’000 Franken dotiert (siehe Box).

Das Start-up stellt ein Probiotikum her. Ein Futtermittel-Zusatzstoff, der einen positiven Einfluss auf die Verdauung von Tieren haben soll, erklärt der Verantwortliche für die Produktion und Zulassung, Adrian Koller. «Bei Menschen sind Probiotika schon länger bekannt, und es gibt einige bekannte Produkte, wie Bifidus oder LC-1», sagt Koller.

«Wir setzen einen Akzent für die Schweiz auf der Landkarte der innovativen Landwirtschaft.»

Adrian Koller, Twenty Green AG

Grundsätzlich funktioniere es bei Tieren genau gleich. «Wir sprechen von einer dreifachen Wirkung. Durch die Stimulierung des Immunsystems sind die Tiere vitaler und verdauen das Futter effizienter. Weiter sind die Tiere weniger krankheitsanfällig, und sie scheiden viel weniger unverdaute Nährstoffreste aus», sagt Koller. Primär spezialisiere man sich auf Hühner, Fische oder Schalentiere.

Mehr Natürlichkeit, einfach aus dem Labor

Eine typische Futtermühle sei die Twenty Green AG aber keineswegs, macht Koller deutlich. «Unser Probiotikum ist wie ein Gewürz, das man in sehr kleinen Mengen dem herkömmlichen Futter zufügt», erklärt er. «Hergestellt wird es derzeit in einem Labor in Fribourg.» 

Tierfutter aus dem Labor – das widerspricht doch dem Trend eines zunehmend natürlichen und biologischen Anbaus. Koller widerspricht der These vehement: «Der Mikroorganismus, den wir isoliert haben, kommt überall in der Welt vor. Wir stellen ihn einfach in grossen Mengen her.» Eigentlich eine Rückkehr zur Natur. «Der Organismus, den wir produzieren, stärkt die natürliche Immunität der Tiere.» Ein weiteres Ziel sei die Eindämmung des Antibiotikaverbrauchs. «Immer häufiger hört man von Resistenzen und davon, dass immer stärkere Antibiotika gebraucht werden. Unser Produkt zielt genau in die entgegengesetzte Richtung. Wir wollen die Natürlichkeit fördern.» Mit Gentech habe das Ganze also rein gar nichts zu tun, versichert Koller.

«Wenn wir erste positive Erfahrungen unserer ‹Early Adaptors› präsentieren können, werden diese Zweifel hoffentlich beseitigt.»

Und wirkt’s? Gerade in der Ernährungsindustrie ist die Unterscheidung zwischen wahren Muntermachern und reinen Marketing-Gags nicht immer einfach. Zudem ist die Wirkung dieser Joghurts sehr umstritten. Tiere lügen nicht, heisst es so schön. Koller sagt: «In unserer industrialisierten Landwirtschaft, Bio eingeschlossen, ist die Überwachung der Tiere Alltag und liefert sehr gute Daten.» So würden Gewichtszunahmen oder Verhaltensänderungen sehr rasch vom Landwirt erkannt. «Besonders in der Herde fällt es noch besser auf», erklärt Koller. Er ist vollkommen von der Wirkung des Produktes überzeugt. «Unsere Labortests verheissen sehr gutes», sagt er.

ZKB Pionierpreis Technopark

«Er gilt als einer der wichtigsten Innovationspreise und als eine bedeutende Auszeichnung für Jungunternehmen in der Schweiz.» Der ZKB Pionierpreis Technopark, verliehen von der Zürcher Kantonalbank und der Stiftung Technopark Zürich, geizt in einer Mitteilung nicht mit seiner Bedeutung.

Zu gewinnen gibt es 98’696.04 Franken für ein Start-up mit Sitz in der Schweiz, das an der Umsetzung einer pionierhaften Idee in der Schweiz arbeitet. Für alle, die in Mathematik einen Fensterplatz inne hatten: der Betrag setzt sich aus dem 10’000fachen Wert der Zahl Pi Quadrat zusammen.

Unter den drei Finalisten befindet sich mit der Twenty Green AG ein Unternehmen, welches den Hauptsitz am Technopark Luzern in Root hat. Das Unternehmen beschäftigt derzeit vier Angestellte im Exekutiv-Team. Unterstützt werden diese von diversen externen Beratern.

Lobende Worte für den Tüftler

«Wir setzen einen Akzent für die Schweiz auf der Landkarte der innovativen Landwirtschaft», verspricht Koller. Und er gibt sich überzeugt, dass dies überhaupt die einzige Chance einer produzierenden Landwirtschaft sei. In Luzern müsste man das Probiotikum wohl vor allem für Kühe und Schweine anbieten. «Kühe verfügen über einen fundamental anders organisierten Verdauungstrakt als unsere Zieltiere. Schweine hingegen könnten interessant sein, haben wir aber noch nicht getestet», sagt Koller. Deshalb starte man mit Hühner- und Fischfutter. Dass man das Produkt skeptisch betrachte, ist für ihn aber nichts Neues. «Wenn wir erste positive Erfahrungen unserer ‹Early Adaptors› präsentieren können, werden diese Zweifel hoffentlich beseitigt», so Koller.

Für die Arbeit im Labor ist Gründer und CEO Duncan Sutherland (37) verantwortlich. Der Sohn eines Australiers und einer Krienserin ist der Tüftler innerhalb des Start-ups. Als Immunologe forscht er an der ETH Lausanne. Ist er ein Genie – ein Steve Jobs 2.0 in einem neuen Bereich? Koller muss beim Vergleich schmunzeln. «Sutherland ist auf alle Fälle ein Visionär. Und ein genialer Wissenschaftler, der früh realisiert hat, in welch zukunftsorientiertes Feld er vorgestossen ist.» Was ihn ebenfalls beeindrucke, sei, in welch kurzer Zeit Sutherland die Brücke zwischen der Wissenschaft und dem Unternehmertum schlagen konnte.

Adrian Koller, Leiter Produktion und Zulassung und Twenty-Green-Gründer Duncan Sutherland wollen den Tierfuttermarkt revolutionieren.

Adrian Koller, Leiter Produktion und Zulassung und Twenty-Green-Gründer Duncan Sutherland wollen den Tierfuttermarkt revolutionieren.

(Bild: twentygreen.com)

Geld ist knapp

«Unsere nächste grosse Herausforderung ist die Firma zum Fliegen zu bringen», sagt Koller. Geplant ist eine grosse Anlage zur industriellen Herstellung des Produktes. Zudem gebe es eine Reihe von behördlichen Prozessen, die durchlaufen werden müssen, bis das Probiotikum zugelassen ist. Der Standort Schweiz sei trotzdem ideal. «Es herrschen gute Rahmenbedingungen und die Fachkräfte sind bestens ausgebildet», sagt Koller. 2019 soll die Anlage ihren Betrieb aufnehmen. «Die Schweiz ist auch ein guter Startmarkt für uns, weil alles sehr kleinräumig und der Futtermarkt relativ isoliert ist.» Dass Grossunternehmen wie Roche, Syngenta oder Nestlé ebenfalls hier tätig sind, habe keinen Einfluss. «Das sind zurzeit weder Partner noch Konkurrenten.»

«Wer von Innovation redet – oder gar darüber reden muss, der ist meistens auf der Suche nach Geld.»

Nun winken also fast 100’000 Franken. «Sehr schön», sagt Koller freudig. An eine Präsentation habe man das Start-up vorstellen können und dabei auch weitere Nominierte kennengelernt. «Da wurden die abstrusesten Dinge vorgestellt, und wir sind dennoch immer noch im Rennen. Wow.»

Die finanzielle Spritze käme sehr willkommen. «Start-ups sind immer knapp bei Kasse», sagt Koller. «Wir hatten noch keine Investitionsrunde und kommen bisher ohne Risikokapital aus.» Finanziert habe man sich über Wettbewerbe. «Und wir werden von zwei Stiftungen aus der Zentralschweiz grosszügig unterstützt», so Koller.

Ist hier ein enormes Innovationspotential vorhanden, von dem man in der breiten Öffentlichkeit bisher wenig gehört hat? Koller hat Mühe mit dem «inflationär gebrauchten» Wort «Innovation». «Wer von Innovation redet – oder gar darüber reden muss, der ist meistens auf der Suche nach Geld. Häufig finde Innovation im Stillen statt. Koller ist überzeugt, dass vor allem etablierte Unternehmen in der Zentralschweiz diesen Grundsatz erfolgreich verfolgen. 

Weg zur Markteinführung ist weit

Adrian Koller sprach von komplizierten behördlichen Prozessen. zentralplus hat bei der nationalen Stelle Agroscope nachgefragt und wollte wissen, wie weit man denn schon sei. «Das erwähnte Projekt ist uns bekannt und die Firma Twenty Green verfügt über «Sonderbewilligungen für den Einsatz von nicht zugelassenen Futtermittel-Zusatzstoffen, um ihre Versuche durchzuführen», sagt Michel Geinoz, Leiter der amtlichen Futtermittelkontrolle. Man sei in Kontakt.

«Wir haben jedoch die Firma darauf aufmerksam gemacht, dass die Schweiz seit mehreren Jahren keine Futtermittel-Zusatzstoffe mehr selber zulässt, wenn sie nicht schon in der EU zugelassen sind», sagt Geinoz, «oder wenn nicht mindestens ein EU-Zulassungsverfahren eingeleitet wurde und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einen positiven Bericht abgegeben hat.»

«Interessant» aus mehreren Gründen

Barbara Früh vom FiBL (Forschungsinstitut für Biologischen Landbau) sagt, dass Probiotika sicher Potential haben und einige Produkte auch schon länger eingesetzt werden. «Grundsätzlich sehe ich keine Gefahren», sagt Früh. Sie fragt sich allerdings, ob die Tiere wirklich solche Produkte benötigen. Alles in allem bezeichnet sie das neue Produkt als «interessant». Doch sie fügt auch kritisch an: «Wirtschaftlich sind solche Produkte natürlich auch interessant, da sie sich gut verkaufen lassen.»

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