Schüchternheit am Abschlusskonzert des Blue Balls

Laura Mvula hätte mehr verdient als dieses Publikum

Freut sich aufs Konzert: Laura Mvula. Ob sich das KKL-Publikum auch freut? Das merkt man nicht so richtig – völlig zu unrecht, findet unser Rezensent.

(Bild: Maël Stocker)

Laura Mvula war der letzte Act des Blue Balls im Konzertsaal des KKL. Sie war brillant, die Band grandios, das nicht sehr zahlreiche Publikum dem Ganzen jedoch nicht gewachsen. Hier kommt die Publikumskritik.

Laura Mvula bereitete dem Blue Balls Festival am Samstagabend einen würdigen Abschluss. Das diesen Frühling erschienene Album «The Dreaming Room», eingespielt mit dem London Symphony Orchestra, versprach Grosses. Laura Mvula und ihre achtköpfige Band, darunter Bruder James am Cello und Schwester Dionne an der Gitarre, lösten das Versprechen ein und machten den Auftritt zum Ereignis.

Mvulas Songs strotzen von einer authentischen Dramatik. Die Beats und Melodien liefern sich ein treibendes Wettspiel um im richtigen Moment zum Boden einer Stimme zu werden, die in ihrer Ausdruckstärke Hühnerhaut bereitet. Live war einzig der Hall teilweise etwas zu viel des Guten. Man hätte sich hier etwas mehr stimmliche Authentizität gewünscht. Der Konzertsaal des KKL wäre dafür prädestiniert gewesen.

Absolut fesselnd, wie Mvula Soul, Pop, Funk und jazzige Elemente des Gospels kombiniert und elektronisch anreichert. Subtil und tief dringend dann der Groove und die Verletzlichkeit von sanfteren Songs wie «Father, Father» aus dem Debütalbum oder vor allem auch «People», die  am Blue Balls die stillen Höhepunkte des Abends markierten.

Appell an die Menschlichkeit, die Freude und die Hoffnung

Ihr Auftritt war sympathisch und authentisch. Auch wenn es ihr das Publikum mit seiner Distanziertheit und einer unangebrachten Skepsis nicht einfach machte. Mvula stellt ihre Musik ins Zentrum und macht kein grosses Tamtam drumrum.

Dennoch war es ihr ein Anliegen, angesichts des Weltgeschehens an die Menschlichkeit zu appellieren, diese gelte es zu feiern. Sie hoffe dass die eine oder der andere aus diesem Konzert etwas Freude und Hoffnung mitnähmen. Sie lese zur Zeit viel von James Baldwin, einem afroamerikanischen Schriftsteller der 50er Jahre. Es sei erschreckend, wie relevant seine Texte und wie aktuell seine Erfahrungen noch heute seien. Mvulas Statements zu Rassismus und Sexismus bringen die Ernsthaftigkeit und die Authentizität auf den Punkt, die auch ihre Songs so lebensecht, anziehend und wirkungsvoll machen.

Ein Hauch von Niles Rodgers und Prince

Mvula ist zweifelsohne eine Ausnahmeerscheinung. Sie hat Komposition studiert, ist ausgebildete Pianistin und Violonistin und hat einen Gospelchor unterrichtet. Musikalisch wird Mvulas Musik oft mit Nina Simone oder Billie Holiday verglichen. Dass sie aber unter anderem Rodgers und Prince zu ihren Fans zählen darf respektive durfte, deutet ihre Eigenständigkeit an. Rodgers wirkte denn auch am Song «Overcome» mit und eine Version mit Prince liege in ihrem Email-Fach verriet Mvula – irgendwann werde sie den mit uns teilen, versprach sie.

Nachdem Mvula 2013 als Newcomerin das Aushängeschild des Blue Balls war und danach im Luzerner Saal enttäuschte, lieferte sie heuer einen imponierenden und hoch professionellen Auftritt. Dennoch war es der falsche Ort und das falsche Publikum.

Zurückhaltendes, angegrautes, elitäres Publikum

Es war elitär, zahlungskräftig und grau, wenn nicht erstarrt, dann stumm nickend und im Takt auf die Armlehne klopfend. Es war definitiv ein

Viel Lichtshow, wenig Bewegung im Publikum.

Viel Lichtshow, wenig Bewegung im Publikum.

(Bild: Maël Stocker)

Arbeitsauftritt für Mvula und ihre achtköpfige Band. Immer wieder fragte sie beim Publikum nach, ob es noch wach sei. Sie möge ihre Live-Auftritte sehr und freue sich immer darauf, aber nun sei sie sich nicht sicher, ob man sich hier auch freue, es sei so gespenstisch ruhig – stilles verlegenes Kichern im Publikum. Ob man denn den nächsten Song kenne? Ein verhaltenses «YEES!» aus dem Publikum. Sie animierte zum Mitsingen – es kam nichts.

Man dürfe auch einfach «lalala» singen, versuchte Mvula die Situation zu retten worauf das Publikum sich tatsächlich etwas lockerte. Die Band animierte zum Mitklatschen, die Armlehnen im Konzertsaal verhinderten jedoch, dass das Publikum den Rhythmus traf. «Do you wanna be free?» fragte Mvula – aber das Publikum blieb gefangen sitzen in seinen Sesseln zwischen den Armlehnen. Nach einer Stunde dann endlich: Eindringlich betonte Mvula, sie hätte den nächsten Song – notabene den zweitletzten des Abends – zum Mittanzen geschrieben. Das Publikum erhob sich und fühlte plötzlich erstaunt, wie schön und befreit die vorangegangene Stunde sich hätte anfühlen können.

Ob es das Durchschnittsalter, die Ticketpreise oder schlicht der Ort war – es lässt sich nur spekulieren. Aber die Vorstellung ist schön: Mvula an einem Open Air mit jungem enthusiastischem Publikum – es ist vermutlich eine Wucht. Und vielleicht ein leiser Wink an die Festivalleitung, künftig erschwingliche Preise für Auszubildende anzubieten. Mvulas nächster Live-Auftritt ist dann wohl auch eher nach dem Geschmack der Sängerin: Am 12. August spielt sie auf der Hauptbühne am Flowfestival in Helsinki.

(Bild: Maël Stocker)

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