Grosse Wende in der Schlussphase

Last-Minute-Sieg gegen GC als Schlüsselerlebnis für Weilers FCL?

Siegtorschütze Pascal Schürpf lässt sich von Blessing Eleke feiern.

(Bild: Madeleine Duquenne/freshfocus)

Es gibt diese Momente im Fussball, die man nicht so schnell vergisst. Weder als Torschütze, als Mitspieler, als Trainer und schon gar nicht als Fan. Der willensstarke FCL schuf ihn gegen GC, als Pascal Schürpf mit dem 2:1 in allerletzter Sekunde für einen vulkanartigen Ausbruch der Glückshormone in der Swissporarena sorgte. Ist das der Startschuss für Coach René Weiler?

Als Pascal Schürpf den Gast zum zweiten Mal innerhalb der letzten zehn Spielminuten dafür bestrafte, dass dieser den Ball nicht aus der eigenen Gefahrenzone brachte und ihn aus spitzem Winkel unter den Netzhimmel der Zürcher wuchtete, gab es kein Halten mehr.

Die Spieler auf der Ersatzbank rannten auf den Platz und umarmten jeden, der ein blaues Leibchen oder – wie Trainer Weiler – ein graues T-Shirt trug. Die FCL-Fans intonierten ihren «Pasci Schürpf», und der Vielbejubelte, der am Tag zuvor seinen Vertrag bis 2020 verlängerte (zentralplus berichtete), legte ein Tänzchen auf dem Acker der Swissporarena hin. So fühlt sich pure Luzerner Ekstase an.

Leidenschaftliche Luzerner gegen passive Zürcher

«Es sind Momente, die man als Spieler nie vergisst. Auch nicht die Bilder, die sich in der Garderobe abspielen», sagte Christian Schneuwly. Es war nicht bloss der dritte Sieg der Luzerner im sechsten Meisterschaftsspiel, mit dem sich Weilers FCL vom Tabellenkeller frei strampelte.  Es war wegen der Art und Weise, wie der leidenschaftliche Gastgeber einen zusehends passiver gewordenen Gegner bodigte, etwas ganz Spezielles.

«Ein solcher Moment kann viel Positives auslösen.»

Christian Schneuwly, Captain FC Luzern

Die Mannen von unterhalb des Pilatus zeigten mit ihrer Willenskraft, dass sie Berge versetzen können, dass sie als Mannschaft funktionieren und wuchtig reagieren können, dass sie den Begriff Aufgeben nicht buchstabieren können.

Es war ein Schlüsselerlebnis in einer noch jungen Saison. Aber umso wichtiger, weil der Start der Luzerner unter einem neuen Trainer mit eigenen Vorstellungen ein harziger war. Ein solcher Last-Second-Sieg lässt die FCL-Spieler in puncto Mentalität und Selbstvertrauen wachsen, und er gibt ihnen die Überzeugung, dass sie an der erfolgreichen Rückrunde 2017/18 ansetzen können. Im Rückblick kann er dereinst als Aufbruch in eine sportlich erfolgreiche Zukunft dienen. «Ja, ein solcher Moment kann viel Positives auslösen», weiss Captain Schneuwly.

Defensive bleibt anfällig

Bei allem Hochgefühl darf der Blick auf die Realität nicht getrübt werden. Weilers FCL ist noch kein gefestigtes und schon gar kein grosses Team in der Super League. In seinem Abwehrverhalten gesteht es dem Gegner zu viele Freiheiten zu, beim frühen 0:1 machte Christian Schwegler als Letzter in der Fehlerkette einen unvorteilhaften Eindruck.

Und hätte FCL-Goalie Mirko Salvi in der 44. Minute einen Nachschuss von Aimery Pinga nicht mirakulös abgewehrt, dann «wäre ein 0:2 schwierig aufzuholen gewesen», machte sich Trainer René Weiler nichts vor.

Kaltschnäuzigkeit geht noch ab

Gerade in der ersten Halbzeit liess der FCL jedoch auch die Kaltblütigkeit vermissen. Der Ausgleich zum 1:1 hätte früher fallen müssen, gelegentlich fehlte es an der Präzision, um die Angriffe zu einem Erfolg versprechenden Abschluss zu führen.

Olivier Custodio wehrt sich im Zweikampf gegen Basels Serey Dié.

Olivier Custodios Rolle im FCL-Mittelfeld ist nach wie vor unklar.

(Bild: Madeleine Duquenne/freshfocus)

Der jungen Mannschaft (Durchschnittsalter 24,5 Jahre; jene von GC war noch ein Jahr jünger) fehlte zum einen eine ordnende Hand, um das Spiel in beide Richtungen zu fokussieren, und ein Stück weit auch die Abgebrühtheit.

«Die Effizienz fehlte ganz bestimmt, aber so kurz nach dem Spiel kann ich noch nicht in die Detailanalyse gehen», bat Schneuwly, neben Schwegler einer von zwei Ü30-Jährigen im FCL, um Verständnis.

Was ist die Rolle von Custodio?

Ohnehin ist das in erster Linie die Aufgabe des Cheftrainers. Weiler mag die Videoanalyse vielleicht ein paar Anhaltspunkte bieten, was sein Dispositiv im Mittelfeld betrifft. Das scheint noch nicht richtig aufzugehen.

Idriz Voca sichert die Defensive ab, Valeriane Gvilia ist der offensive Ideengeber, der sich im Abschluss getrost noch steigern darf – aber was genau ist die Rolle des stets dirigierenden und Ball fordernden Olivier Custodio? Es ist zwar nett, dem klein gewachsenen und technisch beschlagenen Arbeiter zuzuschauen, aber der Ertrag seiner Arbeit verpufft.

«Im Fussball kann es schnell gehen. Was heute gut ist, kann morgen schlecht sein.»

René Weiler, Trainer FC Luzern

Festzuhalten gilt: Erst mit der Einwechslung des wuchtigeren, risikofreudigeren Filip Ugrinic für Custodio (75.) hat der FCL den Gegner aus Zürich zunächst in arge Nöte und letztlich zu Fall gebracht.

Zeit, um Cupspiel vorzubereiten

Optimal für Weiler ist, dass der Saisonstart mit diesem grossartigen Erlebnis in den Köpfen und Herzen seiner Chefs, Spieler und aller FCL-Fans nun als durchweg positiv empfunden wird.

Dass er nun fast zwei Wochen Zeit hat, die Automatismen und spielerische Ausgewogenheit im Team zu finden, um den Cup-Sechzehntelfinal gegen Servette in Genf vorbereiten zu können. Dass er die neu verpflichteten Otar Kakabadze und Tsiy William Ndenge spielerisch und taktisch einfuchsen kann. Dann folgen die anspruchsvollen Auswärtsspiele gegen den FC Zürich und den FC Basel.

FCL-Trainer René Weiler ist ein hochangesehener Fussballlehrer. Dennoch gingen die ersten beiden Partien der Saison verloren.

FCL-Coach René Weiler hat nun Zeit, die neuen Spieler ins Team einzubauen.

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Weiler bricht nicht in Euphorie aus

Der beflügelnde Rückenwind nach dem hart erkämpften 2:1 gegen GC wird die tägliche Arbeit leichter machen. «Sie haben schon recht», sagt Weiler zum Chronisten, «dieses Erfolgserlebnis wird gewiss etwas auslösen in der Zukunft. Aber ich breche trotzdem nicht in Euphorie aus.»

Weiler weiss, warum er sanft aufs Bremspedal steht. «Im Fussball kann es schnell gehen. Was heute gut ist, kann morgen schlecht sein.» Es ist das Schicksal der Trainergilde.

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