Krienserin beendet ihre Karriere

Lara Dickenmann: «Wertschätzung sollte sich nicht nur anhand des Geldes definieren»

Mit dem VfL Wolfsburg gewann Lara Dickenmann (links) vier Meistertitel und sechsmal den Cup. Im Bild ist Lara Dickenmann gemeinsam mit Anna Blässe beim Spiegel gegen Werder Bremen, (Bild: Boris Schmelter)

Lara Dickenmann hat am Wochenende ein letztes Mal als Profifussballerin in den Farben Grün-Weiss für den VfL Wolfsburg gespielt. Im Interview blickt die Krienserin auf eine 12-jährige Fussballprofikarriere zurück und erklärt, weshalb sie bewusst auf eine duale Karriere gesetzt hat – wovon sie heute profitiert.

Lara Dickenmann ist als Aushängeschild des Schweizer Frauenfussballs am letzten Sonntag nach zwölf Jahren als Profifussballerin zurückgetreten. Dem Fussball wird sie aber auch künftig erhalten bleiben und fliegt dafür regelmässig von Wolfsburg nach Zürich. Im Rücktrittsinterview mit zentralplus wagt die Krienserin einen Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft. 

zentralplus: Lara Dickenmann, als der Schiedsrichter die Partie am letzten Sonntag gegen Bremen abpfeift, starten für zahlreiche Ihrer Mitspielerinnen die Sommerferien. Auch Ihre Frau hat Ferien. Bei Ihnen ist das anders. Welche Gedanken macht man sich in einem solchen Moment?

Lara Dickenmann: Das ist schon speziell, bis jetzt geht es mir gut. Ich bin aber gespannt, wie ich reagiere, wenn meine Ehefrau Anna am 12. Juli mit der Vorbereitung beginnt und ich dann meine Trainingskleider nicht packe und in meinem Büro telefoniere. So wie ich mich kenne, werde ich vermutlich schon ein bisschen nostalgisch …

zentralplus: Das ist verständlich. Immerhin haben Sie die letzten 15 Jahre den Schweizer Frauenfussball wie keine andere Frau vor Ihnen geprägt.

«So wie ich mich kenne, werde ich vermutlich schon ein bisschen nostalgisch …»

Dickenmann: Und für diese Erfahrungen bin ich enorm dankbar. Die Verabschiedung am letzten Wochenende war sehr emotional für mich. Ich war froh, dass mein Vater und mein Bruder diese letzten Momente miterlebten.

zentralplus: Beim Zürcher Verein GCZ übernehmen Sie nun erstmals eine Aufgabe ausserhalb des Fussballplatzes, nämlich als als General Managerin. Welche Erwartungen haben Sie an sich und Ihr Umfeld?

Dickenmann: Mir ist bewusst, dass diese Aufgabe auch mit einem gewissen Risiko für den GCZ verbunden ist. Ich denke aber, dass meine positive Einstellung auf dem Platz und mein Siegeswille auch in meine Arbeit einfliesst. Das braucht aber Zeit und vor allem auch Geduld. Und dieses Vertrauen und diese Wertschätzung spüre ich bei den GC Frauen.

Lara Dickenmann Beim Spiel gegen Werder Bremen vom 6. Juni. (Bild: Boris Schmelter)

zentralplus: Sie sprechen von Vertrauen. Ein Schlagwort, das im Männerfussball viel weniger als im Frauenfussball als Einstellungsmerkmal geahndet wird. Wie wichtig war Ihnen dieses Vertrauen im Hinblick auf den Entscheid, beim GCZ die Stelle als General Managerin anzunehmen?

Dickenmann: Die Strukturen sind auch im Frauenfussball in Bewegung geraten, vielleicht sogar noch stärker als bei den Männern. Investoren und Gönner setzen sich heute stärker für den Frauenfussball ein. Es wäre aber vermessen, eine Angleichung an das männliche System anzustreben.

«Gewisse Aspekte dürfen sich am männlichen System orientieren. Aber ich würde dieses System nicht kopieren und ähnlich horrende Spielerinnensaläre anstreben.»

zentralplus: Wie meinen Sie das?

Dickenmann: Je professioneller sich ein Umfeld entwickelt, desto schwieriger wird es, menschlich zu bleiben. Genau diese soziale Komponente zeichnet den Frauenfussball aber aus. Das hat sich schon im Cupfinal zwischen Zürich und Luzern sehr gezeigt, als die Zürcherinnen nach der 0:2-Niederlage dem Cupsieger Spalier standen.  

zentralplus: Also würden Sie sagen, im Frauenfussball definiert man sich über andere Werte als im männlichen Gegenpol?

Dickenmann: Gewisse Aspekte wie beispielsweise professionellere Rahmenbedingungen hinsichtlich Infrastruktur und Weiterbildungen und so weiter dürfen sich am männlichen System orientieren. Aber ich würde dieses System nicht kopieren und ähnlich horrende Spielerinnensaläre anstreben. Wertschätzung sollte nie ausschliesslich anhand des Geldes definiert werden.

zentralplus: Nun könnte man provokativ aber behaupten, dass auch die Grasshoppers Frauen künftig auf dieses Modell setzen. 

Dickenmann: Ja, aber mit einem anderen Ansatz. Natürlich werden wir in Zürich künftig mehr Spielerinnen haben, die ihr Arbeitspensum auf 50 Prozent reduzieren und die restlichen Stellenprozente für den Fussball verwenden und dafür entschädigt werden. Geld wird auch im Frauenfussball ein immer zentraleres Thema sein. Umso wichtiger ist die Verantwortung, die wir tragen, damit diese Gratwanderung zwischen Professionalisierung und Menschlichkeit nicht verloren geht.

zentralplus: Ist das auch eine Ihrer Aufgaben beim GCZ, für dieses Gleichgewicht zu sorgen?

Dickenmann: Eine meiner Kernaufgaben ist es natürlich, Vertragsverhandlungen mit Spielerinnen zu führen. Aber ich möchte den Blick auch für innerpersonale Überlegungen und Herausforderungen, die Profifussballerinnen meistern müssen, schärfen. Dazu gehört auch, dass wir individuell auf die Spielerinnen mit flexiblen Arbeitsmodellen eingehen können. Dafür stehe ich in regem telefonischem Austausch mit meinem Projektteam in der Schweiz.

Grosse Emotionen: Das Pokalfinale vom 30. Mai gegen Eintracht Frankfurt in Köln. (Bild: Boris Schmelter)

zentralplus: Wann war für Sie klar, dass Sie nicht als Trainerin, sondern eher im operativen Umfeld tätig sein möchten?

Dickenmann: Ich hatte bereits in Amerika den Bachelor gemacht. Den Master wollte ich dann bei meiner zweiten Station in Lyon weiterführen. Geklappt hat es aber erst in Wolfsburg, bei meiner letzten Station. Vor allem in Wolfsburg habe ich in verschiedenen Modulen gemerkt, dass mich interdisziplinäre Themen am stärksten interessieren.

zentralplus: Wie lange haben Sie sich im Vorfeld auf die «Karriere danach» vorbereitet? 

Dickenmann: Anders als heute wusste ich nach der Matura nicht, dass ich einmal vom Fussball leben kann. Also könnte man sagen, dass ich bereits damals damit begonnen habe, meine «Karriere danach» zu planen. Das Befassen mit der unmittelbaren Zukunft hat dann aber in den letzten vier Jahren stärker eingesetzt.

zentralplus: Beim Übergang vom Spitzensport in die «Karriere danach» sind vier Schritte entscheidend: eine saubere Standortbestimmung, Weiterbildungen während der Karriere, der Aufbau eines Netzwerks und die Bewerbungsphase. Welche Schritte treffen auf Sie zu? 

Dickenmann: Das Netzwerk und die Weiterbildungen waren in meinem Fall sicherlich entscheidend. Ich fand es immer bereichernd, als ich zum Beispiel mit einer Videoanalystin im Kabinengang ins Gespräch kam und dadurch Kontakte knüpfen konnte. Da habe ich aber nicht spezifisch mit dem Hintergedanken an eine Karriere nach dem Fussball gemacht, sondern weil ich mich gerne mit anderen Menschen austausche.

zentralplus: Sie sind längst eine Person des öffentlichen Lebens geworden: Mussten Sie sich überhaupt bewerben? 

«Ich fand es seltsam, dass sich gegen Ende meiner Karriere noch kein Schweizer Verein bei mir gemeldet hat.»

Dickenmann: Nein, nicht wirklich. Dazu gibt es aber eine interessante Geschichte.

zentralplus: Dann erzählen Sie mal.

Dickenmann: Ende Februar gab ich nach der Bekanntgabe meines Rücktritts aus dem Profifussball einer Sportjournalistin ein Interview. Darin sprach ich davon, dass ich es seltsam fand, dass sich gegen Ende meiner Karriere noch kein Schweizer Verein bei mir gemeldet hat. Ähnlich wie ich dies bereits im Interview mit Ihnen vor eineinhalb Jahren gesagt habe, finde ich es nämlich essenziell, dass Profifussballerinnen bei ihrer nächsten beruflichen Aufgabe dem Fussball in irgendeiner Weise erhalten bleiben (zentralplus berichtete).

zentralplus: Und dann meldeten sich die Funktionäre vom GCZ?

Dickenmann: Ja, ich war auch etwas überrascht und führte dann mehrere Gespräche – unter anderem mit GC und dem FC St. Gallen. Aber das Gespräch mit St. Gallen war eher informeller Natur. Die Funktionäre der Grasshoppers machten da schon früh Nägel mit Köpfen, indem sie mich in Wolfsburg besuchten. Wir steckten die Köpfe zusammen und tauschten und über Zukunftsvisionen aus – und es passte.

zentralplus: Wie haben Sie die letzten Tage nach Ihrer Karriere erlebt?

Dickenmann: Der Übergang zwischen Profifussballalltag und meinem Job beim GC war fliessend. Mit jedem Meeting und jedem Telefon erhalte ich aus dem daily business wieder neue Aufgaben. Das finde ich enorm spannend und hat natürlich auch dazu geführt, dass ich nicht in dieses typische «Loch» nach der Karriere gefallen bin.

zentralplus: Auf was freuen Sie sich jetzt am meisten?

Dickenmann: Es wäre schön, wenn ich mit meiner Frau noch ein paar Ferientage verbringen könnte. Das ist in diesem Jahr eine besondere Herausforderung, weil die Planung für die neue Saison anders ist als zu der Zeit, als ich noch Profifussballerin war. Die wichtigste Zeit ist nämlich jetzt und da möchte ich ungern bei meiner ersten beruflichen Herausforderung etwas verpassen.

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