Luzern: «Bodeninitiative» auch in Stadt

Landverkäufe: Städtische Grüne reiten hinterher

Den Boden nur noch im Baurecht abgeben, das will Marco Müller, Präsident der städtischen Grünen. So auch hier am Pilatusplatz.

(Bild: Marc Benedetti/ZvG)

Nach dem überraschenden Erfolg der «Bodeninitiative» in Emmen wollen die Grünen auch der Stadt Luzern verbieten, ihr Land zu verkaufen. Bei den Bürgerlichen fürchtet man Denkverbote.

Es ist keine neue Idee, die die Grünen der Stadt Luzern am Montag präsentierten: Sie wollen eine «Bodeninitiative» starten, die es der Stadt verbieten würde, städtische Grundstücke zu verkaufen. Diese sollen nur noch im Baurecht vergeben, also für ein Bauprojekt auf lange Dauer vermietet werden. Im Moment wird die Initiative bei der Stadtkanzlei geprüft, danach haben die Grünen 60 Tage Zeit, um die benötigten 800 Unterschriften zu sammeln.

«Es darf keine Denkverbote geben.»

Sonja Döbeli Stirnemann, Fraktionschefin FDP

Hier ist ein Baurecht geplant

Industriestrasse: Das Land an der Industriestrasse wollte die Stadt an die Allreal verkaufen, die dort Wohnungen und Büros erstellen wollte. Die StimmbürgerInnen lehnten den 17-Millionen-Verkauf 2012 jedoch ab und bestimmten, dass das Areal für gemeinnützige Wohnungen im Baurecht an eine Genossenschaft vergeben werden soll.

Eichwaldstrasse: Auf diesem städtischen Grundstück soll eine Genossenschaft 50 gemeinnützige Wohnungen erstellen, das Land wird im Baurecht abgegeben.

Obere Bernstrasse: Die Allgemeine Baugenossenschaft Luzern (ABL) erhält elf städtische Grundstücke im Baurecht für gemeinnützigen Wohnungsbau. Zwei weitere Grundstücke verkauft die Stadt der Littauer Baugenossenschaft Matt. Ingesamt sollen 135 Wohnungen entstehen.

Genau das gleiche Konzept hatte am Sonntag in Emmen und in Basel an der Urne Erfolg bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern. Verständlich also, dass die Grünen auf diesen Zug aufspringen wollen, wo sie doch an der Urne zuletzt zweimal mit dem Referendum gegen Landverkäufe scheiterten. Zuerst beim Areal «Mattenhof I» in Kriens und dann am Wochenende mit dem «Mattenhof II», also der Pilatus-Arena.

Bürgerliche wollen Spielraum behalten

«Jetzt wollen sie halt alle Landverkäufe auf einmal erschlagen», kommentiert denn auch Sonja Döbeli Stirnemann, Fraktionschefin der FDP im Stadtparlament, die neue Initiative. Sie hält das Anliegen für keine gute Idee: «Alle Landverkäufe zu verbieten halte ich für eine zu starre Regelung.» Es gebe Situationen, in denen ein Baurecht Sinn mache, aber auch solche, in denen ein Landverkauf besser sei: «Nehmen wir etwa die Pilatus-Arena beim Mattenhof: Ich hätte nie gewollt, dass die Stadt auf dem Risiko einer leeren Sporthalle sitzen bleibt. Das zeigt: Es darf keine Denkverbote geben.»

Die Stadt verkauft Land

Auch die Stadtregierung hält Landverkäufe in gewissen Situationen für einen hilfreichen Weg, das beteuerte sie in vergangenen Abstimmungskämpfen immer wieder. Zur aktuellen Initiative darf sich Baudirektorin Manuela Jost jedoch nicht äussern: «Der Stadtrat wird die Bodeninitiative nach Einreichung besprechen und dann eine Position vertreten.» Jost hat für zentral+ jedoch einige Beispiele erläutert, in denen sich die Stadt in der Vergangenheit für einen Landverkauf entschieden hatte:

  • Pilatus-Arena (Mattenhof II): «Dort war uns das Risiko eines sogenannten Heimfalles zu gross. Zu einem Heimfall kommt es, wenn der Baurechtnehmer pleite geht und den Baurechtszins nicht mehr bezahlen kann. Dann wäre die Sporthalle an die Stadt gegangen. Wir haben uns deshalb für einen Verkauf des Landes entscheiden.»
  • Obere Bernstrasse: «Wir haben den Grossteil des Landes im Baurecht an die Allgemeine Baugenossenschaft Luzern vergeben. Zwei Parzellen jedoch grenzen direkt an das Land der Baugenossenschaft Matt, die dort gemeinnützige Wohnungen erstellt. Dort war es sinnvoll, das Land der Genossenschaft zu verkaufen, weil diese so das gesamte Land der Überbauung besitzt. Sie können nach Ablauf des Baurechts ja nicht die Siedlung zersägen.»
  • Pilatusplatz: Auf dem Grundstück, wo früher die «Schmitte» stand und jetzt Birken in Erdsäcken, soll ein Hochhaus entstehen. «Die grosse Komplexität des Platzes macht den Baugrund für einen Investor wenig attraktiv: Es gilt auf ein städtebauliches Ensemble mit denkmalgeschützten Häusern Rücksicht zu nehmen, auf den Verkehr und auf die Gebäudehöhe. Wir waren hier der Ansicht, dass ein Verkauf das Grundstück für mögliche Investoren attraktiver macht.» Der Standort ist im Moment wegen einer Volksinitiative gegen Hochhäuser blockiert.
  • Mattenhof I: Dieses Areal in Luzern-Süd wird nach der Volksabstimmung 2014 jetzt von der Mobimo überbaut. «Dort waren verschiedene Partner in die Überbauung involviert. Ein Baurecht mit so vielen Akteuren auszuarbeiten, wäre kompliziert gewesen, der Verkauf viel einfacher.»

 

Marco Müller ist Präsident der Grünen der Stadt Luzern. Er verteidigt die Initiative im Interview:

«Wenn wir das städtische Land verkaufen, können wir nicht mehr mitbestimmen, wie die Stadt aussehen soll.»

zentral+: Was wollen die Grünen mit der Bodeninitiative genau erreichen?

Marco Müller: Die Stadt soll das Land für zukünftige Generationen sichern. Wenn wir das städtische Land immer verkaufen, können wir nicht mehr mitbestimmen, wie die Stadt aussehen soll. Es wäre fatal, wenn die Stadt in 50 Jahren nichts mehr zu sagen hat, weil sie keinen Boden mehr hat. Man sieht das schon in der Altstadt, wo die Stadt fast keine Häuser besitzt. Und so kaum Einfluss darauf nehmen kann, welche Läden dort existieren können.

Und dazu ist es auch finanzpolitisch keine nachhaltige Strategie, die Landreserven zu verkaufen: Kurzfristig gibt es zwar einen einmaligen Gewinn, aber danach fehlen die Einnahmen.

zentral+: Ist ein Baurecht immer besser als Verkaufen?

Müller: Ja. Wenn die Stadt das Land verkauft, kann sie nicht mehr mitbestimmen. Es gibt gewisse Formen der Einflussnahmen, die man nur als Grundstückbesitzerin hat. Wenn die Stadt ihr Land selber besitzt, hält sie sich alle Möglichkeiten offen.

zentral+: Es gibt doch aber auch ein Risiko: etwa wenn der Baurechtnehmer pleitegeht.

Müller: Es gibt ein gewisses Kleinstrisiko. Aber im Baurechtsvertrag ist immer genau geregelt, was beim sogenannten Heimfall der Immobilie geschieht. Normalerweise gibt es auch eine intensive Prüfung, bevor man ein Stück Land im Baurecht abgibt. Nur seriöse Partner können ein Baurecht mit der Stadt eingehen. Das verbleibende Restrisiko gewichten wir geringer, als wenn die Stadt gar keinen Einfluss mehr hat.

Es gibt verschiedene Beispiele, die zeigen, dass ein Baurecht gut funktioniert: Das Stadion auf der Allmend etwa zeigt, dass ein Baurecht auch für grosse Projekte geeignet ist.

«Rückblickend bedauere ich, dass wir die Initiative nicht schon vor vier Jahren lanciert haben.»

zentral+: Sie haben jetzt zweimal eine Volksabstimmung zu städtischen Landverkäufen verloren, Mattenhof I und II. Jetzt möchten Sie Landverkäufe einfach pauschal verbieten. Sind die Grünen schlechte Verlierer?

Müller: Das hat nichts mit schlechten Verlierern zu tun. Der Entscheid zur Lancierung der Initiative fiel schon am letzten Mittwoch im Vorstand der Grünen. Und es war schon immer die Strategie der Grünen, dass wir das städtische Land behalten möchten. Schon vor vier Jahren haben wir über eine solche Initiative diskutiert, nach der erfolgreichen Abstimmung über die Industriestrasse. Wir haben uns dann dagegen entschieden, weil wir der neuen Stadtregierung und dem neuen Parlament erst mal eine Chance geben wollten, es besser zu machen als ihre Vorgänger. Nun hat die Stadt aber doch weitergemacht wie zuvor und Grundstücke verscherbelt.

Wenn die Leute über ein konkretes Projekt abstimmen können, wie jetzt bei der Pilatus-Arena, dann finden das viele ein gutes Projekt. Wer hat schon etwas gegen Sport? Wenn man die Leute aber grundsätzlich fragt, sind viele kritischer und wollen nicht, dass die Stadt ihr Tafelsilber verkauft. Deshalb starten wir jetzt die Bodeninitiative.

zentral+: Mattenhof I und II sind jetzt aber verkauft. Kommt die Initiative nicht zu spät?

Müller: Das ist nicht so. Rückblickend bedauere ich es persönlich zwar, dass wir die Initiative nicht schon vor vier Jahren lanciert haben. Dann würden diese Areale vermutlich immer noch der Stadt gehören.

Die Stadt hat aber weiterhin sehr wertvolle Grundstücke in ihrem Besitz. Ich denke da etwa an den Längweiher in Littau. Auch im Littauer Boden hat die Stadt für 8 Millionen ein Grundstück gekauft, das noch nicht bebaut ist. Niemand weiss, was zukünftige Stadtregierungen und Parlamente damit vorhaben könnten. Die Gefahr ist gross, dass wenn die Stadt wieder knappe Kassen hat, sie gleich auf das erstbeste Projekt einsteigt und diese Grundstücke verkauft.

zentral+ berichtete schon ausführlich über die Bodeninitiative in Emmen und die Abstimmung über die Pilatus-Arena (den Landverkauf Mattenhof II).

Update: Auf Facebook hat David Roth, Präsident der kantonalen SP, Marco Müller angepflaumt: Er stört sich am grünen «Alleingang» (siehe Kommentare zum eingebetteten Facebook-Post).

 

Auch in Luzern soll für künftige Generationen Land im Stadtbesitz bleiben. Grüne lancieren Bodeninitiative in der Stadt Luzern.

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