Debatte um Ladenöffnungszeiten

Länger einkaufen: Zuger Regierung geht aufs Ganze

Einkaufszentren wie das Metalli in Zug dürften von längeren Öffnungszeiten profitieren. (Bild: jal)

Der Kanton Zug will die Ladenöffnungszeiten nicht nur ausdehnen, sondern komplett freigeben. Das finden nicht alle so prächtig wie der Regierungsrat. Doch dieser kontert die Kritik.

Kann man im Kanton Zug bald bis 23 Uhr einkaufen? Gut möglich. Geht es nach dem Regierungsrat, sollen die Ladenöffnungszeiten komplett liberalisiert werden. Die Geschäfte sollen per 1. Oktober 2021 selber entscheiden, bis wann sie Kunden bedienen. Heute müssen sie werktags um 19 Uhr, am Samstag um 17 Uhr schliessen.

Mit seinem Gegenvorschlag geht der Regierungsrat überraschenderweise sogar noch einen Schritt weiter als die Initiative «+1» der bürgerlichen Jungparteien. Sie haben eine Verlängerung um eine Stunde verlangt (zentralplus berichtete).

Der Kantonsrat wird nach den Sommerferien den Vorschlag diskutieren. Dass dieser gute Chancen hat, war bereits nach der Vernehmlassung im Frühling klar, denn die Bürgerlichen unterstützen eine Liberalisierung (zentralplus berichtete).

Trend in Richtung längere Öffnungszeiten

«Nur eine vollständige Freigabe der Öffnungszeiten von Montag bis Samstag schafft für die Zuger Detailhandelsbetriebe gleich lange Spiesse im Vergleich zu den meisten umliegenden Kantonen und den Läden in Bahnhöfen sowie Tankstellen», begründet der Regierungsrat in seinem Bericht und Antrag ans Parlament. Und wer schon einmal sonntags oder nach dem üblichen Ladenschluss in Läden am Bahnhof einkaufen war, weiss: Das Geschäft läuft.

Der Regierungsrat hält auch nach der Vernehmlassung an seiner radikaleren Variante fest. Denn über die Hälfte der Befragten – darunter die bürgerlichen Parteien, viele Gemeinden und die Gewerbeverbände – begrüssen die vollständige Liberalisierung. Sie argumentieren vor allem mit den Nachteilen der Läden gegenüber den Tankstellen-Shops und dem Onlinehandel, die es zu beheben gelte. Das sei für die Kundschaft schwer erklärbar und stelle zunehmend ein Problem dar, findet auch die Regierung.

Zumal viele Nachbarkantone heute liberaler sind als Zug. Aargau, Schwyz und Zürich zum Beispiel kennen von Montag bis Samstag keine Beschränkung der Ladenöffnungszeiten mehr. Auch im konservativen Kanton Luzern wurden die Ladenöffnungszeiten per Anfang Mai – wenn auch nur sanft – ausgedehnt (zentralplus berichtete).

«Diese Regelungen zeigen eine klare Tendenz in Richtung Lockerung der Ladenöffnungszeiten auf», so der Zuger Regierungsrat. Für ihn ist klar, dass hier ein Kundenbedürfnis besteht.

Gewerkschaften sorgen sich um Erholung der Angestellten

Doch was ist mit den Angestellten? Den Verkäuferinnen, die während der Coronakrise noch als systemrelevant bejubelt wurden? Die Gewerkschaften wehren sich gegen die Vorlage. Denn sie befürchten, dass die Angestellten länger im Laden stehen müssen, was ihre Lebensqualität und die Erholung beeinträchtige.

Eine Sorge, die der Regierungsrat nicht teilt. Das Arbeitsgesetz und die Gesamtarbeitsverträge böten den Angestellten genügend Schutz. Er sieht sogar Vorteile: Vermehrte Arbeitsmöglichkeiten zu Randzeiten und Teilzeitpensen könnten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern, schreibt er in seinem Bericht ans Kantonsparlament.

Der Sonntag bleibt heilig

Noch einen Schritt weiter gehen möchte die Zuger FDP: Sie hat sich gar für eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten am Sonntag ausgesprochen. Das kann der Kanton allerdings nicht in Eigenregie beschliessen, da die Sonntagsarbeit auf Bundesebene geregelt wird.

Ohnehin sei nicht anzunehmen, dass in Zukunft alle Läden bis in die Nacht hinein Kunden bedienten. Er verweist auf die Kantone, die bereits ein liberales Regime kennen: Dort seien in der Regel nur die Läden in den Zentren der grösseren Gemeinden bis um 20 Uhr geöffnet.

Vertreibt der Kanton die Kleinen?

Damit entkräftet die Regierung auch gleich ein zweites Argument der Kritiker. Diese befürchten, dass nur die grossen Einkaufszentren, Detailhändler und Ketten von längeren Ladenöffnungszeiten profitieren würden. Für die Fach- und Einzelgeschäfte sei es hingegen ein Verlustgeschäft. Die Gegner befürchten, dass in der Zuger Altstadt die kleinen Geschäfte vermehrt durch grosse Namen verdrängt würden.

Der Regierungsrat hält aber – auch mit Blick auf liberalere Kantone – fest, dass kleine Läden ihre Öffnungszeiten nicht anpassen müssen, wenn sie das nicht wollen oder es ihnen zu teuer ist. Was den gefürchteten Verdrängungskampf angeht, hält er relativ unverblümt fest: «Wenn sie sich in grösseren Einkaufszentren nicht etablieren können oder an gewissen Standorten wie in der Zuger Altstadt verdrängt werden, dürfte dies meist nicht an den längeren Öffnungszeiten der grösseren Geschäfte, sondern an der zu hohen Ladenmiete oder ungenügender Laufkundschaft liegen.»

18 Jahre seit dem letzten Nein

Der Regierungsrat hält also trotz der Einwände an der Liberalisierung fest. In der Vergangenheit hatten ähnliche Anliegen einen schweren Stand: Die Zuger lehnten es 1997 ab, dass samstags bis 19 Uhr eingekauft werden kann. 2002 scheiterte eine Lockerung der Öffnungszeiten an Werktagen. Für den Regierungsrat ist aber klar: Seither sind beinahe 20 Jahre vergangen. «In dieser langen Zeit haben sich sowohl die Arbeitszeiten flexibilisiert als auch die Einkaufsgewohnheiten geändert.» 

Vorerst hat nun aber der Kantonsrat das Wort. Er wird den Vorschlag am 27. August ein erstes Mal beraten, Ende Oktober gehts in die zweite Lesung.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 23.07.2020, 15:05 Uhr

    Neoliberalismus pur, wer zahlt euren Lohn, Migros und Coop oder der Steuerzahler und was hat da Gewerbe Euch getan, das ihr es derart schikaniert. Es gibt ausser dummer Ideologie keinen Grund zu diesem Beschluss und an der Urne werdet ihr grandios scheitern

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  • Profilfoto von Irene Aebi
    Irene Aebi, 23.07.2020, 13:57 Uhr

    Früher war ich auch gegen eine solche Liberalisierung. Doch das hat sich geändert, nachdem alle rund um Zug längere Öffnungszeiten haben.
    Ich bin mit dem Wagen in 10 Minuten in den Kantonen Zürich, Aargau oder Schwyz, wo ich bis abends um 22 Uhr einkaufen kann. Das ist weder ökologisch noch sinnvoll gegenüber dem einheimischen Gewerbe.

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