Hoffnungen und Forderungen aus Luzern

Läden, Beizen und Events: Wie die Lockerung des Corona-Lockdown aussehen könnte

Wann und wie können wir wieder zum gewohnten Alltag zurückkehren? (Bild: Mike Petrucci/Unsplash)

Wie lange noch? Eine der drängendsten Fragen in der Coronakrise will der Bundesrat bald beantworten. Die Luzerner Wirtschaft bringt bereits Vorschläge aufs Tapet. In der Gastronomie und im Kulturbereich der Leuchtenstadt sind die Erwartungen gedämpft.

Der Bundesrat hat diese Woche einen Plan für den Ausstieg aus dem Lockdown angekündigt. Ende April sollen erste Lockerungen möglich sein. Damit kommt er einer Forderung der Luzerner Regierung nach, die diese Woche vorgeprescht ist.

Wie könnte der schrittweise Gang zurück in den Normalzustand aussehen? Wir blicken auf mögliche Szenarien aus dem Detailhandel, der Gastronomie und dem Veranstaltungsbereich.

Gartencenter stehen in der Poleposition

Der Detailhandel gehört zu den Erstgenannten, wenn es um darum geht, die wirtschaftliche Corona-Schraube zu lockern. Bekanntlich hat die Frage, ob Gartencenter geöffnet bleiben dürfen, im Bundesrat bereits für Diskussionen gesorgt. Der Luzerner Regierungsrat Fabian Peter (FDP) nannte diese Woche ebenfalls explizit Gartencenter als Beispiel für Detailhändler, bei denen er sich eine Lockerung vorstellen könnte. Und zwar weil sie die Abstandsregeln und damit auch den Schutz des Personals gewährleisten können.

Regierungspräsident Paul Winiker (SVP) doppelte am Mittwochabend in «Schweiz aktuell» von SRF nach. «So wie es jetzt bei Migros oder Coop möglich ist, ist es auch in einer Gärtnerei, einem Pflanzen- oder einem Kleiderladen denkbar», sagte er. Klar ist für alle, dass weiterhin die Abstands- und Hygienemassnahmen eingehalten werden müssen.

1 Kunde pro 10 Quadratmeter?

Ins selbe Horn stösst Rolf Bossart vom Luzerner Detaillistenverband (DVL). «Viele verstehen nicht, wieso nur Läden des täglichen Bedarfs geöffnet sein dürfen statt dass alle die gleich langen Spiesse hätten», sagt der DVL-Geschäftsführer. Eine sukzessive Öffnung sei angezeigt, nicht zuletzt, weil die aktuelle Situation vielen Menschen aufs Gemüt schlage. 

«Unsere Mitglieder sind parat und könnten, ja möchten lieber heute als morgen wieder öffnen.»

Rolf Bossart, Detaillistenverband

Der DVL schlägt vor, dass im Verhältnis zur Ladenfläche eine Maximalzahl von Kunden definiert wird. «Wie aktuell bei Metzgereien oder Bäckereien könnte man zum Beispiel vorschreiben, dass pro 10 Quadratmeter nur eine Person im Laden sein darf.» Was bei den Lebensmitteln funktioniere, könne genauso gut in anderen Branchen angewendet werden. Mit Kontrollen und Sicherheitspersonal am Eingang werde dies gewährleistet.

Zudem appelliert der DVL an die Kundschaft, ihre Einkäufe nicht alle kurz vor Ladenschluss zu tätigen, sondern sich möglichst zu verteilen. Rolf Bossart hofft, dass der Bundesrat bald den Weg zur Lockerung beschreiten wird. Denn: «Unsere Mitglieder sind parat und könnten, ja möchten lieber heute als morgen wieder öffnen.» 

Branchen sollen Schutz selber gewährleisten

Der Luzerner KMU- und Gewerbeverband plädiert ebenfalls für Eigenverantwortung. «Wie die Betriebe den Gesundheitsschutz und das Social Distancing garantieren, sollen die Branchen aufgrund ihrer Praxiserfahrung selber darlegen – und nicht jemand am Schreibtisch in Bern», sagt Direktor Gaudenz Zemp. Anschliessend müsse man im Einzelfall entscheiden, ob eine Firma die Kriterien erfülle oder nicht.

«Man muss die Betriebe ernst nehmen und ihnen zutrauen, dass sie das handhaben können.»

Gaudenz Zemp, KMU- und Gewerbeverband Kanton Luzern

In vielen Bereichen wäre es bereits jetzt problemlos möglich, die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten. Zemp nennt als Beispiel die Ausstellung eines Plattenbauers oder einer Autogarage. Anderswo, etwa bei den Coiffeuren, sei dies in einer ersten Phase wahrscheinlich schwierig. Aber für Zemp ist klar: «Man muss die Betriebe ernst nehmen und ihnen zutrauen, dass sie das handhaben können.» 

Der potenziellen Gefahr, dass die Branchen das wirtschaftliche Überleben der Betriebe höher gewichten als den Gesundheitsschutz, solle man mit Kontrollen begegnen. «Es müsste analog laufen wie heute auf den Baustellen», sagt Gaudenz Zemp. «Wie überall wird es schwarze Schafe geben, aber in der Summe ist der Schaden viel grösser, wenn man deswegen alle zum Nichtstun zwingt.» 

Diese «Bottom-up-Strategie» entspricht der Haltung des Schweizerischen Gewerbeverbandes, der in einem Positionspapier das Szenario «Smart Restart» skizziert hat. Nebst der schrittweisen Öffnung der Wirtschaft stellt darin der gezielte Schutz der Risikogruppen ein wichtiger Pfeiler dar.

Beizen und Bars rechnen mit längerer Wartezeit

Während der Detailhandel auf ein baldiges Hochfahren hofft, ist die Gastronomie zurückhaltender. «Wenn der Bundesrat erste Lockerungen vor Ende April ankündigt, meint er sicher nicht uns», sagt Ruedi Stöckli, Präsident des Luzerner Gastroverbandes. Er geht davon aus, dass die Restaurants und Bars frühestens im Mai wieder eröffnen können – und wahrscheinlich unter Einschränkungen. «Vielleicht kann ein Lokal mit zehn Tischen vorerst nur fünf nutzen oder alle Angestellten müssen einen Mundschutz tragen», vermutet der Wirt des Landgasthauses Strauss in Meierskappel. Ein Blick in andere Länder zeige, dass dies ein mögliches Szenario sei. 

«Ich glaube, viele Gäste haben Angst und werden erst noch zuwarten, bevor sie wieder auswärts essen oder trinken gehen.»

Ruedi Stöckli, Gastroverband Luzern

Solche Vorgaben würden den Neustart aber komplizierter gestalten, sagt Stöckli. Zudem sei fraglich, ob der Betrieb im Falle einer Obergrenze an Gästen rentabel zu führen sei. Die aktuelle Ungewissheit über die Zukunft sei grundsätzlich sehr schwierig. «Es ist für uns noch nicht absehbar, wohin der Weg geht und ich spüre eine grosse Verunsicherung.»

Nicht nur in der eigenen Branche, sondern auch bei den Gästen. «Ich glaube, viele haben Angst und werden erst noch zuwarten, bevor sie wieder auswärts essen oder trinken gehen.» Um wieder in den Normalzustand zu kommen, bräuchte es eine komplette Entwarnung des Bundes – und das werde nicht so schnell der Fall sein.

Bis die Menschen wieder so nah beisammensitzen können, dürfte es wohl noch eine Weile dauern. (Bild: cha)

Ruedi Stöckli kann sich darum vorstellen, dass manche Betriebe vorläufig geschlossen bleiben, auch wenn sie unter gewissen Auflagen wieder öffnen dürften. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist das Hotel Schweizerhof in Luzern, das wegen des Einbruchs des Tourismus den Betrieb komplett schloss.

Hoffen auf Planungssicherheit, zum Beispiel für das B-Sides

Einen längeren Weg zurück in den Normalbetrieb dürften wohl auch die öffentlichen Veranstaltungen vor sich haben. Nicht nur der Luzerner Regierungsrat Fabian Peter hat sie in seinem Szenario in die letzte Phase eingeteilt. Auch Gianluca Pardini, Geschäftsleiter der IG Kultur, sagt: «Die Kultur war als Erstes von den behördlichen Einschränkungen betroffen und wird wahrscheinlich als letzte davon erlöst.»

Möglich sei, dass das Veranstaltungsverbot aufgehoben und durch eine Obergrenze an Besuchern ersetzt werde – wie das zu Beginn der Corona-Pandemie der Fall war. So könnte die Limite zunächst vielleicht bei 50 Personen liegen, später bei 100, 500 oder 1000. Pardini jedenfalls glaubt, dass Kunstgalerien und kleinere Kulturplätze rascher wieder einen einigermassen geordneten Betrieb aufnehmen können als Konzert- oder Theaterhäuser. Bei letzteren seien teilweise schon Ideen vorhanden, um die normalerweise rund zweimonatige Sommerpause mit Veranstaltungen oder Aktionen zu bespielen.

Lockern geht nicht ohne finanzielle Stützen

Noch sind viele Fragen offen. Insgesamt sei für die Betroffenen eine Perspektive aber sehr wichtig, sagt Pardini. «Alle wünschen sich, den normalen Betrieb wieder aufzunehmen und die Kultur wieder zu beleben.» Der angekündigte Entscheid des Bundesrates zum Ausstieg schaffe Hoffnung und Planungssicherheit – etwa für das B-Sides-Festival, das Mitte Juni stattfinden soll. Da geht es nicht nur um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen es durchgeführt werden kann, sondern auch, ob die internationalen Künstlerinnen und Künstler einreisen können. 

«Eine solche Situation kann kaum jemand zweimal stemmen.»

Gianluca Pardini, IG Kultur

Trotz den Aussichten auf eine Lockerung dämpft Pardini zu hohe Erwartungen. «Die radikalste ist oft die günstigste Variante: Bleibt der Betrieb still, hat man viel tiefere Kosten. Wenn man Künstlerinnen und Mitarbeitende zahlen muss, aber nur eine begrenzte Anzahl Gäste reinlassen darf, stellt sich die Frage, ob sich das überhaupt lohnt.»

Für den Geschäftsleiter der IG Kultur ist daher klar, dass die finanzielle Abfederung der Betroffenen in jedem Falle beibehalten werden muss. «Eine Lockerung muss von unterstützenden Massnahmen begleitet werden.» Denn eine schrittweise Annäherung an den Normalzustand sei für Veranstalter und Kulturschaffende weiterhin mit Einbussen verbunden. 

Noch verheerender wäre allerdings, wenn die Lockerung zu früh erfolge, eine zweite Pandemiewelle – und einen zweiten Lockdown – provoziere. «Dann geht es einigen Kulturhäusern an den Kragen. Denn eine solche Situation kann kaum jemand zweimal stemmen», sagt Pardini. 

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