Streifzug durch die 280 WCs in der Swissporarena

Kunst oder Schmiererei? So «kreativ» sind FCL-WC-Besucher

Nebst der Konzentration aufs Wesentliche finden die Fans auch Zeit, die Toiletten «aufzuwerten».

(Bild: Alex Schüpbach)

Einfach nur grosses oder kleines Geschäft machen ist vielen Fussballfans nicht genug. Wer etwas auf sich hält, «verschönert» das Klo mit Sprüchen, Klebern, Parolen jeglicher Art. Worüber sich freilich nicht alle freuen. zentralplus wollte es genau wissen und ist abgetaucht in die wundersame Welt der Fussball-Toiletten. 💩🚽

Wer kennt das nicht: Das Konzert, das Fussballspiel oder die Fasnacht verbreiten emotionale Höhenflüge und plötzlich meldet sich die Blase. Das Bier oder das Kafi Luz oder was auch immer man vor zwei Stunden getrunken hat, drückt plötzlich. Auf dem Klo wird dann ein Aufkleber, ein flotter Spruch oder – ab und zu – auch eine Telefonnummer entdeckt. Eigentlich wäre mehr Sorge zu diesen Anlagen wünschenswert. Insbesondere wenn sich gehässige Emotionen entladen und Toiletten unbenützbar werden, ist der Ärger der «Müssenden» gross.

zentralplus hat sich in der Swissporarena umgesehen. Bei unserem Rundgang war ersichtlich, dass sich die Emotionen des harten Kerns auch auf dem stillen Örtchen widerspiegeln. Während die Toiletten im Sektor A quasi wie neu aussehen, findet man besonders viele «Hinterlassenschaften» in den Stehplatzsektoren.

Die Toiletten kommen in einem dunklen Blau daher. Reto Mattmann, Stadionmanager bei der Betreibergesellschaft der Swissporarena, erwähnt, dass dies die Entscheidung der Stadionarchitekten war. Doch bereits wurde an diesem Konzept geschraubt. «Die WCs werden zurzeit saniert – in den VIP-Logen zum Beispiel werden sie neuerdings weiss gestrichen.»

Wer in der Swissporarena eine Toilette aufsucht, wird Zeuge vieler Kritzeleien.

Wer in der Swissporarena eine Toilette aufsucht, wird Zeuge vieler Kritzeleien.

(Bild: Alex Schüpbach)

Sogar WC-Brillen sind beschriftet

Im Familiensektor D sowie auf der Gegentribüne C findet man einige Kleber. Wenn man bedenkt, dass diese Zonen an den Gästesektor grenzen, sind die vielen Kleber und «Verschönerungen» von anderen Schweizer Fussballclubs nur logisch. Man denke da an die Aktion, als alle Fans des FC Zürich im Sektor D ihre Tickets kauften und der Auswärtssektor mehrheitlich leer blieb.

«WC-Ringe im Gästesektor müssten nach jedem Heimspiel ersetzt werden.»

Reto Mattmann, Stadionmanager

Ebenfalls im Block D haben wir ein Graffiti «USL (Herz) FCL» gefunden, was erstaunt, werden doch die Stehplätze auf der anderen Seite des Stadions mit der Fanvereinigung in Verbindung gebracht. Im Sektor C fällt die einzige Spieler-Liebesbekundung auf: «Marco & Dave» steht da, umrahmt von einem grossen Herzen. Gemeint sind bestimmt Goalie Dave Zibung und Torjäger Marco Schneuwly. 

Auf der Unterseite einer Toilettenbrille wurde sogar die Beschriftung des FC Basel angebracht – diese wurde wohl nicht ganz durchdacht, wenn man an all die Witze oder Beleidigungen denkt, welche man hierzu machen könnte.

Ist die WC-Brille unten, ist auch der Spruch verschwunden.

Ist die WC-Brille unten, ist auch der Spruch verschwunden.

(Bild: Alex Schüpbach)

Keine WC-Brillen im Gästesektor

150 Stunden Reinigung pro Heimspiel

In der Swissporarena hat es 97 Damen- und 67 Herrentoiletten sowie 118 Pissoirs. Die ISS ist mit der Reinigung der Toiletten beauftragt und benötigt nach jedem Heimspiel 130 bis 150 Stunden, um alle Toiletten zu reinigen. Die Wände werden nicht nach jedem Spiel komplett gereinigt, jedoch müssen Kleber am Boden entfernt werden, da ansonsten der Schmutz daran hängen bleibt. Es ist geplant, bei der nächsten Grosssanierung kratzfeste Wände oder Riffelblech zu verwenden, um den zukünftigen Arbeitsaufwand zu minimieren. Reto Mattmann erwähnt auch, dass die Kleber in den Sektoren vor Spielen der Schweizer Nationalmannschaft nicht entfernt werden.

Was als Erstes beim Betreten der Stehplatzklos heraussticht, ist der Geruch. Er ist anders. Nicht so wie auf kleinen Raststätten, wo die Lastwagenfahrer die 50 Meter bis zum Klo nicht auf sich nehmen und sich neben ihrem Gefährt im Gebüsch erleichtern – aber trotzdem etwas bissig. Als Zweites stellt man fest, dass es hier keine Pissoirs gibt, sondern nur eine Pissrinne. «Gerade im Auswärtssektor macht dies durchaus Sinn, werden doch die Emotionen gerne in diesem ‹kleinen Universum› im negativen Sinne entladen», erklärt Mattmann. Auch WC-Ringe findet man in diesem Sektor vergeblich. «Die müssten nach jedem Heimspiel ersetzt werden», so der Stadionmanager. Drittens ist der Boden etwas klebrig. Claudio Scherrer, Facility Services Manager von ISS, erwähnt, dass sich oft Bier, Cola und Ketchup auf dem Boden verteilen und deshalb dieser oft klebrig ist (siehe Box).

Die Basler scheinen besonders aktiv zu sein.

Die Basler scheinen besonders aktiv zu sein.

(Bild: Alex Schüpbach)

Zagreb, Warschau, Bochum – nie zu Gast, aber verewigt

Generell gilt unter den emotionalen Fussballfans, dass Aufkleber nicht abgerissen, sondern nur überklebt werden dürfen. In den beiden Stehsektoren wird es dann entsprechend richtig bunt: Logischerweise finden sich im Stehplatzsektor B unzählige Aufkleber des FCL oder der Fan-Gruppierungen. «Diese entfernen wir nicht nach jedem Spiel, das wäre ja eine richtige Sisyphusarbeit», sagt dazu Mattmann. Im Auswärtssektor waren dann sogenannte «Tags», also Kritzeleien, welche man nicht entziffern konnte, oder Kleber von GC, Basel, Zürich und St. Gallen zu finden. Vereinzelt wird der FCL auch mit Kraftausdrücken eingedeckt. Irgendwie erheiternd ist es, wenn der Anhänger eines Auswärtsclubs die Beschriftung eines anderen Fussballclubs überschreibt. So weit, so gut.

Was heraussticht: Es sind auch immer wieder Vereine ausserhalb der Super League oder auch ausserhalb der Sportart zu finden. Dass man Kritzeleien von «Ambri» findet, kann man sehr wohl nachvollziehen, gibt es doch Fans, welche Vereine in mehr als einer Sportart unterstützen. Was jedoch die Beschriftungen von Zagreb, Warschau, Dynamo oder Bochum im Luzerner Stadion zu suchen haben, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass der FCL nie gegen diese Mannschaften in der Swissporarena gespielt hat, ist wohl eine Frage, die nur der Aufklebende beantworten könnte.

Ebenfalls findet man Dienstleistungen und Aufkleber anderer Vereine. Die Pfadi Reuss, die Jungwacht St. Anton oder auch der Anbieter eines Bekleidungsstückes, welches man von Fackelzündern her kennt, wurden gefunden.

Erstaunlich, was die Fans alles dichten.

Erstaunlich, was die Fans alles dichten.

(Bild: Alex Schüpbach)

Fans halten Zwischenstände fest

Ein weitere Tatsache: Auf dem Damenklo im Auswärtssektor gibt’s fast ausschliesslich Schmierereien des FC Thun. Hat der FCT mehr weibliche Fans als andere Vereine? Oder trauen sich die männlichen Fans eher als Fans anderer Vereine auf das Frauenklo, um die Warteschlange zu umgehen? Die Anfrage an die Fans des FC Thun zu dieser Tatsache blieb leider unbeantwortet.

Auch die beiden Stehplatzsektoren selbst hatten einige interessante «Eigenkreationen». Ein YB-Fan hat dort mit Tipp-Ex, wie es scheint, den Zwischenstand aufgeführt. Ein anderer Scherzkeks hat «Urban Squad» geschrieben, was an und für sich nicht auffällig wäre – hätte er nicht Lieferscheine eines grossen Kurierdienstes als Unterlage verwendet. Warum bloss?

Man verwendet, was man gerade zur Hand hat.

Man verwendet, was man gerade zur Hand hat.

(Bild: Alex Schüpbach)

Telefonnummer scheinen nicht im Trend zu sein

Ein Aufkleber im Sektor B sagte ausserdem: «Für die Jungs, die draussen stehn.» Man befindet sich auf dem Klo – also denkt man im ersten Moment an die Jungs auf dem Spielfeld. Es könnte sich aber auch eine Sympathiebekundung der Fans im Stadion für ihre Freunde sein, die temporär keinen Einlass ins Stadion bekommen. Auch bekannt als Stadionverbot.

Anders als man dies von Raststätten her kennt, haben wir auf unserem Rundgang keine Telefonnummern erblickt. Das wäre auch sehr spannend gewesen. Unter all der Kunst und den Schmierereien haben wir noch einen Schriftzug entdeckt, der Unerwünschtes auf einfachste Art unkenntlich macht.

Klare Botschaft.

Klare Botschaft.

(Bild: Alex Schüpbach)

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Mehr Bilder aus den Toiletten der Swissporarena finden Sie in unserer Bildergalerie:

 

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