Luzerner Stadtrat will Geld einschiessen

Kulturhof Hinter Musegg kämpft mit finanziellen Problemen

Der Kulturhof Hinter Musegg mit den gut sichtbaren Solarpanels.

(Bild: Christian Frank)

Die Sanierung des Kulturhofs Hinter Musegg in Luzern ist fast doppelt so teuer ausgefallen wie erwartet. Und der Betrieb wirft zu wenig Geld ab. Ein «Hochseilakt», sagen die Pächter. Nun schlägt der Luzerner Stadtrat vor, die Stiftung mit 600'000 Franken zu unterstützen.

Die schottischen Hochlandrinder blicken unter ihrer wuchtigen Frisur auf die Museggmauer und runter auf die Stadt, Gras kauend, nichts ahnend.

«Hinter der Musegg» herrscht Postkarten-Idylle. Vor der eindrücklichen Kulisse der historischen Stadtmauer empfängt der Bauernhof Gäste zum Sonntagsbrunch, veranstaltet Kulturanlässe, mal ein Bier- oder Sommerfestival und animiert Familien und Touristen zum naturnahen Spaziergang in der Stadt (zentralplus berichtete).

Doch auf dem Luegislandhügel ist derzeit nicht alles so prächtig wie es scheint. Denn die zuständige Stiftung hat sich mit der Sanierung massiv verschätzt. Die Folge ist eine finanzielle Schieflage.

Der Stadtrat sieht sich gezwungen, das Stiftungskapital um 600'000 Franken auf neu 850’000 Franken aufzustocken, wie er am Dienstag mitteilt. Damit soll die Stiftung die nötige unternehmerische Sicherheit und Risikofähigkeit bekommen.

Wieso kam es viel teurer?

Als die Stiftung «Kultur- und Lebensraum Musegg» 2013 errichtet wurde, ging man davon aus, dass die Sanierung 1,8 Millionen Franken kosten würde. Am Ende schlugen die Kosten fast doppelt so hoch zu Buche: 3,4 Millionen Franken verschlang das Projekt.

Dafür gibt es laut Stadtrat mehrere Gründe: Die Kostenschätzungen waren zu optimistisch und unvollständig und es wurde zusätzlich eine Photovoltaikanlage aufs Dach gebaut. Vor allem aber gab es statische Probleme bei der Dachkonstruktion und bei einer Trennwand, die nicht in diesem Umfang vorhersehbar gewesen seien. Wenig förderlich dürfte auch gewesen sein, dass – aufgrund der zunächst unklaren Zukunft – jahrelang nichts in die Gebäude investiert wurde und sie sich in entsprechend schlechtem Zustand befanden.

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Die Renovation hat nun ein Loch in die Kasse gerissen. Denn der Ertrag des Hofes – mit den vier Standbeinen Beiz, Landwirtschaft, Hofbühne und Bildungsangebote – steigt zwar jährlich. Dennoch ist er zu tief, um die Zinsen und Amortisationen der hohen Schulden aus dem laufenden Betrieb finanzieren zu können.

«Es ist für uns finanziell nach wie vor ein Hochseilakt.»

Pia Fassbind, Betriebsleiterin

«Es ist für uns finanziell nach wie vor ein Hochseilakt», sagt Betriebsleiterin Pia Fassbind, die gemeinsam mit ihrem Mann Walter seit 19 Jahren auf dem Hinter-Musegg-Hof tätig ist (zentralplus berichtete). Nebst der teuren Sanierung spielen auch die vielen gemeinnützigen Aktivitäten eine Rolle. «Wir haben sehr viele Geschäftsfelder, die eine geringe finanzielle Wertschöpfung aufweisen. Der städtische Beitrag ist notwendig, um langfristig bestehen und auch mal ein schwieriges Jahr tragen zu können.»  

400 Jahre Geschichte

Für 3'300 Gulden verkaufte Schultheiss Jost Bircher im Jahr 1636 den Hof «Hinter-Musegg» an einen Kornel Bachmann. Bis ins 19. Jahrhundert kamen und gingen manche Besitzer. 1857 kaufte der Besitzer des Hotels Schweizerhof die Liegenschaft. Die Erben des Hoteliers Oscar Hauser verkauften die inzwischen neugebaute Scheune mit angrenzendem Haus 1945 der Stadt Luzern.

2013 wurde die Stiftung «Kultur- und Lebensraum Musegg» gegründet. Für die Stadt eigentlich ein Glücksfall: Sie zahlte 250'000 Franken ans Stiftungskapital. Im Gegenzug finanzierten private Geldgeber und die Bank den grössten Teil der Umbaukosten. Die Stiftung übernahm das Grundstück im Baurecht und zahlt dafür einen jährlichen Zins von 10'000 Franken.

Heute hat der Betrieb vier Pfeiler: Landwirtschaft, Gastronomie, Kultur und ein Bildungsangebot. Der Kulturhof beschäftigt rund 25 Personen, einige davon sind ehrenamtlich tätig.

Einzig die Gastronomie sei kostendeckend und trage zur Querfinanzierung des Bildungs- und Kulturangebots sowie der Landwirtschaft bei. Gleichwohl kommt eine Abkehr vom aktuellen Betriebskonzept für den Stiftungsrat nicht in Frage.

Vielmehr will man die Finanzen stärken. Das soll zum Beispiel dank einem verbesserten Sponsoring geschehen. Ein neues Konzept hat zum Ziel, jährlich zwischen 50'000 und 150'000 Franken an Spenden zu generieren. Auch Stiftungen wolle man angehen, so Pia Fassbind. «Parallel dazu sind wir auch intensiv damit beschäftigt, den Schuldenabbau voranzutreiben.»

Wieso beteiligt sich die Stadt?

Das hat offensichtlich auch den Stadtrat überzeugt. Er würdigt, dass das breite Angebot – von Kultur über Gastronomie bis zu Lehrpfad und Erlebnisangeboten – den Hof für die Bevölkerung und Touristen zum interessanten Ausflugsziel inmitten der Stadt mache. Ebenso leiste der Hof einen Beitrag zur Biodiversität und trage mit dem Solarstrom vom eigenen Dach und Erdwärme zu einem vorbildlichen Klimaschutz bei.

Eine Aufstockung des Kapitals sei daher im öffentlichen Interesse gerechtfertigt, findet der Stadtrat, der dem Stadtparlament einen entsprechenden Antrag vorlegt.

Eine Aussage, die mit Sicherheit auch die Alpakas, Zwergziegen und Appenzeller Spitzhaubenhühner hinter der Museggmauer freuen dürfte.

Die Hofbeiz ist das einzige Geschäftsfeld, das rentabel ist. (Bild: zvg)
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Sandra Häfliger
    Sandra Häfliger, 15.10.2019, 13:45 Uhr

    Wenn einzig die Gastronomie rentiert – warum bietet man dann nicht einfach nur Gastronomie an? Kultur gibt es sonst schon genug in Luzern. Wenn die Betreiber dies unbedingt auch noch machen wollen, muss das ja nicht mit öffentlichem Geld geschehen…

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  • Profilfoto von Joseph de Mol
    Joseph de Mol, 15.10.2019, 11:52 Uhr

    Es zeichnet sich bereits heute ab, das sich dieser «Kulturhof» in ein finanzielles Fass ohne Boden entwickelt. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass die öffentliche Hand Geld einschiesst. Obwohl dies im Grunde genommen der Stiftung obliegt, Mittel zu akquirieren. Und gefühlt wird bereits heute bei jedem dritten oder vierten Anlass der Stadt Luzern, bei welchem ein Apéro und 50-100 Geladene eine Rolle spielen, der Kulturhof berücksichtigt. Dort wird also bereits massiv aus öffentlichen Mitteln querfinanziert. Betriebswirtschaftlichen Überlegungen folgend, müsste die Gretchenfrage also eher heissen, ob man den Betrieb nicht erheblich redimensionieren muss.

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