Wegen Gemauschel in Zuger Kulturkommission

Zuger Stapi soll Entscheid rückgängig machen

Ist in der Angelegenheit rund um die Kulturkommission gefordert: Der Zuger Stadtpräsident Karl Kobelt. (Bild: Facebook/FDP Stadt Zug)

Einem Mitglied der Zuger Kulturkommission soll das Atelierstipendium in Genua im nächsten Frühling aberkannt werden, fordern die Zuger SVP und Grünliberalen. Mit einer kleinen Anfrage könnten die beiden Stadtparteien die Kulturpolitik in ihren Grundfesten erschüttern.

Er hat für Kopfschütteln gesorgt: Der Entscheid der Zuger Kulturkommission, ein Atelierstipendium in Genua an Anu-Maaria Calamnius-Puhakka zu vergeben, die selber Mitglied der Kulturkommission ist. Erst recht, als sich herausstellte, dass die Kulturvermittlerin ihre Bewerbung als Letzte und verspätet vorgelegt hatte – als sie Kenntnis von den Eingaben ihrer Konkurrenten hatte (zentralplus berichtete).

Den Vergabe-Entscheid soll Stadtpräsident Karl Kobelt (FDP) nun wieder rückgängig machen und Calamnius-Puhakka das Stipendium aberkennen, fordern Stefan W. Huber (GLP) und Gregor R. Bruhin (SVP), die Fraktionschefs ihrer Parteien im Zuger Stadtparlament.

Kobelt unter Druck

Ihre Forderung haben sie am Donnerstag in einer Kleinen Anfrage verpackt. Dieses parlamentarische Instrument verlangt nach einer Antwort innerhalb der nächsten 30 Tage – und setzt so den Stapi, der gleichzeitig Präsident der Kulturkommission ist, unter Zugzwang.

Grund für die Forderung von Grünliberalen und SVP ist eine «mehrfache Verletzung der Ausstandspflicht» bei der Vergabe des Atelierstipendiums. Die Ausstandspflicht sei auch in anderen Fällen verletzt worden, behaupten Bruhin und Huber.

Ausstand als Ausnahme

Bekanntlich gibt es in der Kommission grosse Probleme mit Interessenskonflikten. Fünf der sechs Kommissionmitglieder sind nicht unabhängig, sondern haben mit eigenen Projekten in der Vergangenheit schon Fördergelder beantragt. Einzige Ausnahme ist Oliver Frey aus Luzern (zentralplus berichtete).

Protokolle der Sitzungen, die zentralplus vorliegen, legen tatsächlich nahe, dass Ausstände wegen Interessenskonflikten in der Stadtzuger Kulturkommission in früheren Jahren eher die Ausnahme als die Regel waren.

Mitglieder widersprechen

Wobei dies einige Kommissionsmitglieder im Gespräch entschieden bestreiten. Man trete bei Befangenheit immer in den Ausstand. «Das geht einem schon fast auf die Nerven», hiess es bei Recherchen von zentralplus. Falls Ausstände im Protokoll nicht verzeichnet seien, «dann ist eben das Protokoll falsch».

Ist also der Eindruck von «Vetterliwirtschaft» in der Kulturkommission falsch, weil lediglich nachlässig protokolliert wurde? Für Huber ist die Frage müssig: Eine Pflicht zum Festhalten von Ausständen sei sowohl auf Gesetzes- wie auch auf Verordnungsstufe klar festgehalten, sagt er auf Anfrage.

Auch die Angestellten müssten raus

Zusammen mit Bruhin zitiert er in der Kleinen Anfrage aus dem Zuger Kantonsgesetz «über die Organisation und Verwaltung der Gemeinden». Dieses fordert strikte Massnahmen zur Vermeidung von Interessenskonflikten. So bestehe eine Ausstandspflicht bereits bei der Vorbereitung eines Geschäfts. Weiter hätten nicht nur Behörden und Kommissionsmitglieder «vor allen Instanzen» in den Ausstand zu treten, sondern auch «gemeindliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter».

Das ist insofern von Bedeutung, als bei den Sitzungen der Stadtzuger Kulturkommission immer auch mehrere Gemeindeangestellte zugegen sind. Die Kulturbeauftragte Jacqueline Falk hat als Chefbeamtin und rechte Hand des Stadtpräsidenten zwar kein Stimmrecht, aber doch beratende Funktion.

Vielfältig verflochten

Ausserdem sind zusätzlich ein bis zwei ihrer Mitarbeitenden anwesend, die Protokoll führen. Und diese Mitarbeitenden der Kulturstelle waren in den vergangenen Jahren ausnahmslos Leute, die wiederum Funktionen bei Institutionen bekleiden, die städtische Fördergelder erhalten. Oder Leute, die selber schon Fördergelder für das Kulturschaffen oder die -vermittlung erhalten haben. Verbindungen bestehen von diesen Gemeindeangestellten namentlich zum Kulturzentrum Galvanik, zum Lichtkunstfestival Illuminate, zum Musikfestival Rock the Docks und zum Young Dance Festival.

Warum ist das wichtig? Weil das Gemeindeorganisationsgesetz nicht nach Beisitzern und Entscheidungsträgern unterscheidet, sondern einen Ausstand von sämtlichen Anwesenden verlangt, die einen Interessenkonflikt haben und mit der «Erledigung» eines Geschäfts befasst sind.

Wer bleibt zum Entscheiden übrig?

Wird das Gesetz buchstabengetreu ausgelegt, müsste die Zuger Kulturkommission ihre bisherige Arbeitsweise überdenken. Bekanntlich ist sie eine Expertenkommission, in die Vertreter verschiedener Kultursparten ihr Sachwissen einbringen sollen. Sollten diese wegen der engen Vernetzungen und Verflechtungen in der Zuger Kulturszene aber schon bei der Vorbereitung eines Geschäfts in den Ausstand treten, muss man sich fragen, wer am Ende überhaupt noch Entscheide fällen darf – und was Sachkenntnisse nützen, wenn sie nicht eingebracht werden dürfen.

Diesbezüglich darf man gespannt sein, was die Beratungen im Zuger Stadtparlament ergeben. Zumal auch andere Kommissionen von einer rigiden Gesetzesauslegung betroffen sein dürften.

Drohung mit Beschwerde bei Regierung

Bekanntlich ist die Zuger SVP – mittlerweile zweitstärkste Partei im Stadtparlament – in den städtischen Kommissionen unterrepräsentiert und daher an Bewegung in dieser Sache interessiert. Die Grünliberalen hingegen sind nur in der Bau- und Planungskommission vertreten und dürfen daher unbeschwert bessere Corporate Governance verlangen, ohne dadurch eigene Parteigänger zu gefährden. 

Eines ist jetzt schon sicher: Sollte Kobelt den Vergabeentscheid fürs Atelier nicht wie verlangt widerrufen, drohen SVP und GLP mit einer Beschwerde beim Zuger Regierungsrat. Der müsste dann laut Gemeindeorganisationgesetz den Entscheid aufheben, falls er von einer Verletzung der Ausstandspflicht überzeugt wäre.

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