Junger Geschäftsleiter mit Ambitionen

Zuger Sinfonietta: «Wir können das jetzt nicht mehr stoppen»

Auf der Treppe zum Erfolg. Respektive zu seinem Büro. Simon Müller, Geschäftsleiter der Zuger Sinfonietta.

(Bild: fam)

«Wow, die sind gut – sind das wirklich Laien?» Diese Frage hört Simon Müller oft. Die Antwort darauf: Natürlich nicht. Zug hat ein eigenes Profi-Orchester. Und muss es nur noch entdecken. Deshalb macht der junge Geschäftsleiter nun einen Schritt zurück.

Simon Müller ist nervös. Es ist Morgen, und bevor der Tag vorbei ist, muss er das neue Programm seines Orchesters vorstellen. Das tut er zwar seit vier Jahren zu Beginn jeder Saison, aber diesmal ist alles anders. «Viele Leute denken immer noch, wir seien ein Studentenorchester», sagt Müller und beisst in ein zu allem Unglück staubtrockenes Gipfeli. «Immer wieder sagen Leute nach dem Konzert: Wow, die sind aber gut, ist das wirklich ein Laienorchester? Natürlich nicht: Das sind alles Profis.»

Die Rede ist von der Zuger Sinfonietta. Vor 18 Jahren von Musikstudenten gegründet, hat sie ihr Image noch nicht wegbekommen. Müller ist seit vier Jahren daran, ein Neues zu schaffen. «Zug hat ein eigenes Profi-Orchester wie Zürich oder Luzern», sagt er, «und das müssen wir den Leuten erst noch klarmachen. Deshalb haben wir die Abo-Konzerte eingeführt. Die sind mein Baby.»

Der beste Saal im Kanton Zug

Knallgrün kommt das Programm daher, darauf ein roter Bär am Holztisch, der auf Leckerbissen wartet. Der Bär, klarer Fall, steht für Cham. Denn die Abo-Konzerte werden im Lorzensaal stattfinden. «Die Region Ennetsee boomt», sagt Müller, «da können wir mitten im Zentrum ein kulturelles Angebot schaffen. Zudem ist der Lorzensaal für klassische Konzerte der beste Saal im Kanton Zug.»

Abo-Konzerte sind nicht etwa der letzte Schrei, ganz im Gegenteil: Sie sind Klassiker unter den Orchesterangeboten, leicht angestaubt und wohlbewährt. Weshalb setzt ausgerechnet die Zuger Sinfonietta darauf? Sie hat sich eher mit dem Gegenteil einen Namen gemacht: Konzerte, die zusammen mit anderen Kunstformen aufgeführt werden, Elektronik und Klassik, Slam-Poet und Orchester.

«Aha, das gibt’s ja in Zug auch.»

Simon Müller

Und jetzt das. «Es ist eigentlich ein Schritt zurück», sagt Müller, dessen letzter Streich die Lunchkonzerte waren, die sich in der Stadt Zug steigender Beliebtheit erfreuen: Dreiviertelstunden klassische Musik über Mittag, in der City-Kirche. «Und dann zwei Schritte nach vorne. Wir kommen zurück zum alten Modell. Aber wir wollen damit vor allem erreichen, dass die Leute mit einem Abo in der Tonhalle oder im KKL merken: Aha, das gibt’s ja in Zug auch.»

Vorwärts in die Vergangenheit

Wenn’s klappt, ist alles gut. Scheitern darf’s nicht. «Wir können das jetzt nicht mehr stoppen», sagt Müller und lächelt fatalistisch. Wird schon schiefgehen.

Müller ist jung für seinen Job, knapp dreissig, und will klassische Musik im Kanton vorantreiben. Das Publikum dazu kennt er praktisch persönlich, allesamt über 50 Jahre alt – klassische Musik begeistert ältere Menschen, das ist Tatsache. Warum aber auch ihn? «Ich liebe klassische Musik schon, seit ich ein Kind war», sagt Müller. Seine beiden älteren Schwestern sind beide Violinistinnen, beide spielen auch in der Sinfonietta – Knatsch gibt’s aber keinen, sagt zumindest Müller und lacht dabei. «Der Tonfall ist vielleicht ein wenig direkter.»

Er stand nach der Matur vor derselben Entscheidung: Soll er Geige studieren am Konservatorium oder nicht? «Aber als Lehrer habe ich mich nicht gesehen, und wenn du nicht unterrichten willst, musst du als Musiker wirklich saugut sein.»

Was ist der Traum?

Also sublimiert die Musikliebe in ein Studium der Musikwissenschaft. Müller arbeitet als Praktikant beim Lucerne Festival, bei den Festival Strings und bei anderen Gelegenheiten als Kulturmanager, bis er bei der Sinfonietta antritt. Und das Orchester stetig und bestimmt professionalisiert. Erst das Fundraising, dann die Buchhaltung, dann die Geschäftsleitung. Mittlerweile hat die Sinfonietta ein Büro im Zuger Bahnhof, respektive einen Arbeitsplatz in Untermiete, Müller arbeitet 70 Prozent auf dem Papier und 100 in Realität.

«Das Engagement ist immer noch voll da», sagt er. «Es ist auch hochspannend. Jetzt haben wir mit unserem neuen Dirigenten die erste Saison vor uns, und es ist sehr gut angelaufen.» Sein Traum für die Sinfonietta? «Dass wir im Kanton Zug als das kantonale Profi-Orchester wahrgenommen werden, das wir auch sind. Qualitativ können wir mit der Konkurrenz in Zürich und Luzern mithalten.» Ob das stimmt, lässt sich bald herausfinden – der Bär sitzt jedenfalls schon mal bereit. Tanzen wird er sicher nicht. Aber möglicherweise zufrieden brummen.

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