Michelle Kalt ist die Stand-up-Comedienne der Stunde

Zuger Anwältin erobert die Schweizer Comedy-Bühnen

Sie sei eine Analytikerin, sagt Michelle Kalt. (Bild: András Pongó/zvg)

Sie heisst Kalt und wird in ihrer Branche heiss gehandelt: Die 30-jährige Zugerin Michelle Kalt macht als Comedy-Newcomerin derzeit an Anlässen auf sich aufmerksam, weil sie frisch-fröhlich über Männer versus Katzen herzieht. Ihre Arbeitswelt ist allerdings eine ganz andere, vergleichsweise trockene.

Sie kann in ihrem Programm ganz schön fordernd sein, die hochgeschossene Michelle Kalt aus Zug: Sie möchte gerne einen Stimmrechtsentzug bei Vergehen wie Selfiestick-Gebrauch oder für Männer, die beim Sex die Socken anbehalten.

Das soll lustig sein? Darüber sinniert Michelle Kalt nach Feierabend am runden Tisch ihres grossen Büros im Zürcher Dolderquartier. Sie hat einen langen Arbeitstag hinter sich und jetzt sprudelt sie immer noch: «Humor ist sehr subjektiv. Die einen lachen, weil sie überrascht werden, andere aus Erleichterung. Und wieder andere, weil sie sich beschämt fühlen.»

Sie sei eine Analytikerin, sagt sie. Eine, die gerne Dinge ausprobiert und sich selber stets aufs Neue antreibt. Michelle Kalt geht den Sachen auf den Grund, sie fühlt den Dingen auf den Zahn: «Ich bin ein Kopfmensch, ein Bücherwurm. Und ich war schon immer sarkastisch, nicht immer zur Freude anderer.»

Im Zürcher «Chrais Chaib» auf Pirsch

Von Berufs wegen ist sie als Anwältin hingegen eher nüchtern: Sie wälzt Ordner, liest stundenlang und denkt sich in ihre Sache hinein. Und abends dann geht Michelle Kalt gerne im Zürcher «Chrais Chaib» auf die Pirsch: Sie lebt an der Langstrasse und in den Lokalen des Kreis 4 tritt sie auch gerne auf.

Bücherwurm aus Bünzlifamilie: Michelle Kalt in ihrem Büro. (Bild: hae)

In eineinhalb Jahren stand Michelle Kalt schon mehr als 200 Mal auf Bühnen und machte ihrem Publikum Freude. Sie sagt mit einem breiten Lachen: «Ich liebe es, direkt die Emotionen der Leute zu erleben.» Und dann versucht sie, auf irgendetwas einzugehen, das gerade im Raum passiert.

«Ich nehme Themen, die mich selber interessieren.»

Michelle Kalt, Comedienne aus Zug


Sie habe nur ein Rezept: «Ich nehme Themen, die mich selber interessieren.» Es kommt besonders gut an, wenn Michelle Kalt sich über sich selber lustig macht. Etwa indem sie sagt: «Ich stamme aus einer Zuger Bünzlifamilie, in der fast alle Anwälte sind. Einzig meine Mutter ist Buchhalterin – sie ist die Lustige in der Familie.»

Wie eine graue Maus sieht sie auf der Bühne aus, wenn sie mit ihrer dicken Brille dasteht und trocken über Männer versus Katzen Pointen reisst. Ihre Fans, meistens Leute in ihrem Alter, biegen sich vor Lachen.

In diesen Tagen wird sie hoffentlich neue Fans in einer älteren Generation dazugewinnen: Sie ist vom «Zelt» in Luzern bis ans Humorfestival in Arosa gut gebucht. Dort in den grossen Zelten und am alljährlichen Schaulaufen der ganzen Comedy-Prominenz unter der strengen Fuchtel von Frank Baumann steht sie am gleichen Abend auf der Bühne wie Claudio Zuccolini. Ein gefeierter Routinier, der viral mächtig Wellen schlägt. Das steht Michelle Kalt noch bevor.

Das Schweizer Fernsehen hat Michelle Kalt im letzten Jahr entdeckt, sie stand im Final von «SRF 3 Comedy Talent»: 

Weitsichtig präsentiert sich Michelle Kalt, wenn es um ihre Zukunft geht: Beruf oder Berufung, worauf setzt sie derzeit lieber? «Im Moment treibt mich die Comedy sehr um, weil alles noch neu ist. Und ich noch viel ausprobieren will.» Beim Broterwerb peilt sie nach wie vor die Karriere an.

Unlängst Anwältin geworden, ist ihr Plan eigentlich eine Tätigkeit in einer auf Wirtschaftsrecht spezialisierten Anwaltskanzlei, mit dem Ziel, dort Partnerin zu werden. «Das wäre der logische Weg – jedenfalls ohne mein Engagement als Stand-up-Comedian.»

Konzentriert bei der Arbeit: Anwältin Kalt. (Bild: hae)

Doch im Moment geht sie lieber noch eine Weile ihren eingeschlagenen Weg weiter, weil der ihr viel Freiheit für ihre grosse Leidenschaft gibt: Sie ist Assistentin eines Rechtsprofessors an der Uni Zürich, betreut Studenten, schreibt an ihrer Doktorarbeit und hat überdies ein paar Beratungsmandate. Das ist ihr Berufsleben im Uniquartier am Zürichberg, hier «wo in den Villen fast nur Anwälte, Unternehmer und Ärzte wohnen.»

Immer öfter auch auf Englisch

Ob die auch lachen würden, wenn sie etwa, entgegen dem Konsens, sagen würde: «Rauchen ist gar nicht so schlecht!»? Klar, denn danach setzt Michelle Kalt eine überraschende Pointe. Das macht sie gerne und immer öfter auch auf Englisch, weil diese Sprache so viel treffender und kürzer im Wort- und Satzgebrauch sei.

Michelle Kalt ist nicht bilingue aufgewachsen, hat aber in ihrer juristischen Karriere schon ein halbes Jahr in London gearbeitet und unter anderem in Hongkong studiert. Sie sagt: «Ich schaue oft Videos von Stand-up-Comedians aus dem englischsprachigen Raum.» Der 65-jährige Jerry Seinfeld ist dabei ein grosses Vorbild; der sei genial, weil «er der Übervater der Beobachtungscomedy ist».

Sie mag auch gerne den südafrikanischen Comedian Trevor Noah (35), der in seiner «Daily Show» auf dem US-Sender «Comedy Central» Witze über politische Themen reisst und auf der Bühne vor allem Geschichten erzählt; oder die 38-jährige englische Komikerin Sara Pascoe. «Da sehe ich dann: Ich habe noch viel zu lernen.»  

«Ich bin nicht gut darin, halbe Sachen zu machen.»

Michelle Kalt weiss: Da wird noch viel mehr kommen. «Bei meinen Auftritten besteht noch mächtig Luft nach oben – ich bin noch lange nicht fertig.» Sie denkt kurz nach. Dann sagt sie noch: «Ich bin nicht gut darin, halbe Sachen zu machen.»

Und weg ist sie, auf dem Weg ins Zürcher Nachtleben, um dort in der Kon-Tiki-Bar ihr Publikum zum Nachdenken und Lachen zu bringen.

Michelle Kalt ist am 9. November im Kleintheater am «Lozärn lacht!»-Festival zu erleben. Am 28. November 2019 tritt sie bei «Das Zelt» in Luzern auf.

Dreimal in der Region zu sehen: Michelle Kalt. (Bild: zvg/András Pongó)
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