Faire Regeln für die Kulturförderung gefordert

Zug steht eine grundlegende Kultur-Debatte bevor

Grosser Gemeinderat, Ende 2018. -

(Bild: mam)

Das Zuger Stadtparlament soll am nächsten Dienstag neue Regeln für die Kulturförderung in die Wege leiten, fordern SVP und GLP. Der Grund: Unstimmigkeiten bei der Vergabe von Fördergeldern für Kulturprojekte.

Ein Atelierstipendium, das die Stadtzuger Kulturkommission einem eigenen Mitglied zugeschanzt hatte, löste eine Debatte aus, die nun immer weitere Kreise zieht (zentralplus berichtete).

Am Freitag reichten die Fraktionen der SVP und GLP im grossen Gemeinderat der Stadt Zug eine dringliche Motion ein. Sie verlangen die Erarbeitung eines neues Reglements für die Kulturförderung. Dringlich heisst, dass bereits an der nächsten Sitzung (am kommenden Dienstag) eine Überweisung zustande kommen könnte.

Die aktuelle Kulturförderung der Stadt Zug basiere «auf intransparenten, unfairen und rechtlich heiklen Prozessen», argumentieren die Motionäre. «Unter der ungenügenden Corporate Governance in der Kulturförderung leiden nicht nur die lokalen Kulturschaffenden, sondern auch die kulturelle Vielfalt, der Ruf der Stadt, ihrer Verwaltung und Regierung.» Die bestehenden stadträtlichen Richtlinien seien veraltet und würden zudem nicht eingehalten.

Forderung 20 Jahre lang ignoriert

So verlange die Verordnung eigentlich, dass in der Kommission sowohl verschiedene Bereiche des kulturellen Lebens als auch das interessierte Publikum vertreten sein muss. Aktuell gebe es nur ein einziges Mitglied, das selbst keine Fördergelder beantragt und somit zum interessierten Publikum gezählt werden kann. Zudem fehle der einzige Vertreter des Publikums häufig an den Sitzungen und werde die Kommission in naher Zukunft verlassen. Von einer ausgewogenen Zusammensetzung aus Kulturschaffenden könne keine Rede sein.

Ausserdem sei in dieser Verordnung aus dem Jahr 2000 festgelegt worden, dass sich die Kulturkommission Richtlinien verpasst, «wie die Arbeit der Öffentlichkeit gegenüber transparent gemacht werden kann». Das sei nicht geschehen. «Die Fortdauer dieses Versäumnisses über fast zwei Jahrzehnte legt die Vermutung nahe, dass Transparenz in der aktuellen Kulturpolitik unerwünscht ist.»

Ausstandspflicht nicht eingehalten?

Weiter behaupten die beiden Parteien, die Kommissionsmitglieder würden bei Beratungen von Geschäften, bei denen sie eigene Interessen verfolgen, gelegentlich die Ausstandspflicht «vergessen». Es käme sogar vor, dass Kuko-Mitglieder an Sitzungen bei ihrem Traktandum ihr eigenes Projekt vorstellen und mitdiskutieren.

Die Stadtregierung bestreitet dies. Sie stellt sich auf den Standpunkt, die Ausstandspflicht sei eingehalten, lediglich die Protokolle seien «unpräzis und unvollständig» geführt worden.

Das lassen die beiden Fraktionen nicht gelten: Die Ausstandspflicht und ihre zwingende Protokollierung werde im Gemeindeorganisationsgesetz des Kantons Zug unmissverständlich eingefordert.

Hälfte des Etats wird freihändig vergeben

Dieses Gesetz verlange auch, dass bei Anträgen die Namen der Antragssteller und bei Beschlüssen das Stimmenverhältnis  festgehalten werden. Was die städtische Kuko aber unterlässt. «In der Kommissionsarbeit wird keine dieser Vorgaben eingehalten.»

Gregor R. Bruhin (SVP) und Stefan Huber (GLP) haben sich die Protokolle der Kulturkommission und die Jahresberichte der Kulturstelle etwas genauer angesehen und festgestellt, die Zahl der Sitzungen und die Zahl der Protokolle nicht übereinstimmt. «2018 wurden gemäss Jahresbericht sechs Sitzungen abgehalten, es existieren jedoch nur vier Protokolle.» Wobei die Differenz nicht durch Mehrfachsitzungen erklärt werden könne. «2017 wurden gemäss Jahresbericht fünf Sitzungen abgehalten, wofür aber sechs Protokolle existieren», heisst es in der Motion.

Im Jahresbericht 2018 sei an einer Stelle von 155 behandelten Geschäften die Rede, an anderer Stelle war von 135 Gesuchen. Was nun in der Kuko behandelt wurde, sei ohnehin unklar. Weniger als ein Fünftel der Geschäfte sei durch die Kuko protokolliert worden.

Rechne man alle im vergangenen Jahr protokollierten Beiträge zusammen, komme man auf eine Summe, die etwa die Hälfte des ausgewiesenen Rechnungsbetrages von 359'209 Franken beträgt. «An welche Vereine und Institutionen die andere Hälfte dieses Budgets gesprochen wurde, bleibt im Dunkeln.» Diese wären nur auf der vertraulichen Beitragsliste einsehbar.

Vorgänge sind kaum nachzuvollziehen

Stapi Karl Kobelt hatte im Gespräch mit den Lokalmedien vor einigen Tagen erklärt, dass vorab die wichtigen Geschäfte in der Kulturkommission diskutiert würden. Zahlreiche Anträge auf Unterstützung, bei denen es um Klein- und Kleinstbeträge gehe, werden ohne Beratung behandelt und auf einer Beitragsliste «der Kulturkommission zur Kenntnis gebracht», wie Kobelt sagte.

SVP und GLP haben zu dieser Beitragsliste einiges anzumerken. In den Protokollen würden regelmässig fehlende Beiträge auf der Beitragsliste ergänzt. Sogar die Kulturkommission bemängle selber, dass im Hintergrund Beträge über 5'000 Franken gesprochen und «diese trotz gegenteiliger Abmachung nicht in der Kommission beraten werden».

Der Stadtpräsident hat die Kompetenz, Beiträge bis zu 20'000 Franken zu bewilligen, für höhere Summen ist die Gesamtregierung zuständig. Um eine Beratung im Stadtrat zu vermeiden, würden Förderanträge von Kommissionsmitgliedern aufgeteilt («gesplittet»), behaupten die Motionäre. «Für dieselben Antragsstellenden, denselben Anlass und Zeitraum wird die Förderung in zwei einzelne Beiträge aufgeteilt», so der Vorwurf der Zuger Gemeinderäte Gregor R. Bruhin und Stefan W. Huber, die als Fraktionschefs hinter der Motion stehen.

Ausserdem merken die Motionäre an, dass es sich bei den nicht protokollierten Förderbeiträgen keineswegs nur um Kleinstsummen handle. Auch sehr hohe Beiträge von über 10'000 Franken seien darunter. «Es bleibt deshalb völlig unklar, welche Rolle der Kommission in der aktuellen Kulturförderung überhaupt zukommt, wenn sie den grössten Teil der Gesuche und gesprochenen Förderbeiträge nur via Buchungsliste zur Kenntnis nimmt», heisst es Motionstext. Es lasse sich auch keine Regel erkennen, «welche der Geschäfte an die Kommission gelangen und welche in Eigenregie von der Kulturstelle entschieden werden.» Durch die ungenaue Protokollierung, die intransparente Buchungsliste und die willkürlichen Prozesse sei nie klar, wann, wie und von wem Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden.

Trotz Verschleierung: Stadtrat sah keinen Handlungsbedarf

Das ist aber noch nicht das Ende der Vorwürfe. Es komme vor, «dass nicht offengelegt wird, wer hinter einem Verein, einer Institution oder einer Veranstaltung steht.» Nachträge in den Protokollen zeigten, dass das persönliche Interesse und die eigene Involviertheit in traktandierte Geschäfte schon mal «vergessen» werde: Es gebe Veranstaltungen und Vereine, bei denen sich erst nach der Sitzung herausgestellt habe, dass bei den Projekten Mitarbeiterinnen der Kulturstelle oder Kommissionsmitglieder eine tragende Rolle gespielt haben.

«Ob es sich hierbei um nachlässige Versehen oder bewusste Verschleierung handelt, kann nicht beurteilt werden», so Bruhin und Huber. Diesbezüglich gab es vergangenes Jahr sogar eine Amtsaufsichtsbeschwerde. Obwohl die darin beschriebenen Umstände – Gründung eines Vereins zur Verschleierung der Identität und Umgehung des Controllings – anerkannt wurden, sah der Stadtrat keinen Handlungsbedarf.

Linke wollen Transparenz, FDP will Nachbesserungen

Der Vorstoss hat beste Chancen, im Stadtparlament auf offene Ohren zu stossen. Sowohl die Alternative Fraktion wie auch die SP fordert eine Aufarbeitung der Ereignisse und mehr Transparenz, wie sie kürzlich in der «Zuger Zeitung» sagten.

Und auch die FDP spricht sich – allgemein – für Konsequenzen aus. FDP-Fraktionschef Etienne Schumpf begrüsste gegenüber zentralplus die selbstkritische und proaktive Haltung des Stadtrates, die Vergabe des Stipendiums zu sistieren (zentralplus berichtete). «Weil doch einige gravierende Ungereimtheiten vorgefallen sind, fordern wir noch konkretere Massnahmen, um das Vertrauen wiederherzustellen.»

Einfach eine präzisere Protokollierung einzufordern, gehe zu wenig weit. Ziel müsse es sein, dass solche Massnahmen greifen und solche Fehler in Zukunft nicht mehr passieren können.

In der CVP-Fraktion steht eine ausführliche Diskussion der Thematik noch bevor, wie Fraktionschef Christoph Iten auf Anfrage sagt. «Allgemein begrüssen wir es, wenn die Thematik aufgearbeitet und reiner Tisch gemacht wird für die Zukunft.» Ob man ein neues Reglement für die Kulturförderung gutheissen wolle, sei noch nicht besprochen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Adrian Hürlimann
    Adrian Hürlimann, 15.11.2019, 13:02 Uhr

    Typisch, dass die SVP ausgerechnet auf die städtische Kulturförderung eindrischt, die darunter vor allem Trachtengruppe und Harmoniemusik versteht. Mit 3,9 Mio. im Budget (2018) entsprechen die Aufwendungen in etwa denjenigen für di Bibliothek Zug. Und auch die Grünliberalen suchen plump von der Steuerpolitik abzulenken, indem sie die routinemässig ausgerichtete Vergabe von Strukturbeiträgen unter Beschuss nehmen. Und diese ganze plakative Durchleuchtung in einem politischen Umfeld, wo die Regierung das Öffentlichkeitsgesetz (in eigner Sache) mit Füssen tritt.

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