Start der Zuger Filmtage

«Wir haben sicher mehr Reichweite als früher»

Raphael Willi war drei Jahre lang Festivalleiter der Zuger Filmtage. Heute ist er eher im Hintergrund tätig. (Bild: zvg)

Vom 20. bis 24. Oktober finden in Zug die Zuger Filmtage statt. Das junge Organisationsteam um Vereinspräsident Raphael Willi hat sich trotz Corona den Optimismus nicht nehmen lassen. zentralplus hat Raphael Willi zum Interview getroffen.

«Getroffen» mag vielleicht nicht ganz treffend sein. Das geplante Treffen in den Büroräumlichkeiten der Marketingagentur Tincan Hello, wo Willi als Mitglied der Geschäftsleitung agiert, fiel Corona-bedingt ins Wasser. Dann eben übers Telefon.

zentralplus: Raphael Willi, hat Sie Corona erwischt, dass wir uns nicht in Ihrem Büro treffen können?

Raphael Willi: (lacht) Nein, nein. Wir haben in der Firma entschieden, ab dieser Woche wieder im Home-Office zu arbeiten

zentralplus: Gleich vorneweg, was ist Ihre Funktion an den Zuger Filmtagen?

Willi: In den ersten drei Jahren des Festivals war ich Festivalleiter, mittlerweile bin ich als Vereinspräsident eher im Hintergrund tätig. Die Funktion der Festivalleitung übernimmt seit drei Jahren Eveline Stalder. Die künstlerische Leitung hat dieses Jahr Thomas Slatter inne. Ich konnte also einige meiner Arbeiten abgeben und übernehme heute eher organisatorische Tätigkeiten und repräsentative Aufgaben.

zentralplus: Am Dienstag beginnt die sechste Ausgabe der Zuger Filmtage. Werfen wir doch einen Blick zurück. Wann wurde das Festival geboren? Und warum?

Willi: Wir von Tincan (damals hauptsächlich in der Filmproduktion tätig) wurden 2013 von der Jugendarbeit Cham angefragt, Jury-Mitglieder für eine Kurzfilmnacht zu stellen. Wir fanden das toll und haben es im Jahr darauf noch einmal gemacht. Wir dachten auch, da wäre Potenzial für mehr – für ein richtiges Filmfestival beispielsweise.

Damals gab es in Zug nichts Vergleichbares. Also haben wir herumgefragt, ob Leute Interesse hätten, mit uns etwas aufzugleisen, und fanden ein paar Gleichgesinnte. Da wir keinen Schnellschuss abfeuern wollten, haben wir uns für die Planung genug Zeit genommen. Die erste Ausgabe der Zuger Filmtage fand darum erst 2015 statt. In kleiner Form.

zentralplus: Inwiefern meinen Sie «kleiner Form»?

Willi: Die ersten Jahre dauerte das Festival nur zweieinhalb Tage, von Freitagabend bis Sonntag. Im Fokus standen damals vor allem der Eröffnungsfilm, Workshops, ein Zuger Filmblock und der Kurzfilmwettbewerb.

zentralplus: Heute dauern die Zuger Filmtage ganze fünf Tage. Wie kam's dazu?

Willi: Das Festival ist mit der Zeit gewachsen. Wir organisierten zusätzlich noch Workshops, Ausstellungen und Wettbewerbe. Seit 2018 haben wir das Programm auf fünf Tage verlängert und das Konzept angepasst. Wir zeigen die Kurzfilme nicht mehr in einem separaten Block, sondern verteilen sie als Vorprogramm vor den fünf Langfilmen. Auch haben wir neben den Workshops Master Classes eingeführt, in denen Interessierte vertieft mit Filmschaffenden über deren Arbeit sprechen können.

«Wir legen grossen Wert auf die Nachwuchsförderung.»

Raphael Willi, Vereinspräsident

zentralplus: Dieses Jahr habt ihr unter anderem die Schweizer Regisseurin Bettina Oberli als Jurymitglied und Referentin einer Master Class dabei. Zudem präsentiert sie ihren neuen Spielfilm «Wanda mein, Wunder». Ist es einfacher geworden, an die «grossen Namen» heranzukommen?

Willi: Wir haben sicher mehr Reichweite als früher. Auch weil wir uns einen kleinen «Namen» machen konnten. Ich muss aber auch ganz klar sagen, dass wir von Beginn an tolle Leute aus der Filmbranche hatten, die ihre Filme bei uns präsentierten oder als Jurymitglied mitgewirkt haben.

zentralplus: Nach welchen Kriterien stellt ihr das Programm zusammen?

Willi: Zum einen ist es natürlich eine qualitative Selektion. Zum andern zeigen wir gerne Vorpremieren und finden es wichtig, dass Leute von der Crew oder vom Cast vor Ort sein können. Idealerweise besteht das Programm aus einem ausgewogenen Mix aus Dokumentar- und Spielfilmen.

Grossen Wert legen wir aber auch auf die Nachwuchsförderung. Deswegen organisieren wir Screenings für Schulklassen, bieten verschiedene Workshops an und haben für unseren Kurzfilmwettbewerb eine Altersobergrenze von 26 Jahren für die Filmschaffenden. Diesbezüglich arbeiten wir auch mit anderen Schweizer Filmfestivals zusammen, wie beispielsweise dem Gässli Film Festival in Basel und den Schweizer Jugendfilmtagen in Zürich, um regelmässige Meet-Ups für jugendliche Filmschaffende zu organisieren.

zentralplus: Wie lange braucht ihr jeweils für die Organisation der Zuger Filmtage?

Willi: Nach dem Festival ist vor dem Festival. Wir haben jeweils im November ein Debriefing in Form einer Planungssitzung. Da besprechen wir auch, was wir bei der nächsten Ausgabe ändern und was wir belassen wollen. Und jedes Jahr stellen wir uns die Frage: Bleiben wir beim status quo oder wollen wir wachsen?

Im Januar beginnt dann die eigentliche Arbeit. Teile unseres Teams besuchen dann die anderen Filmfestivals und schauen sich an, welche Filme für uns interessant sein könnten. Gesamthaft sind rund 20 Leute an der Organisation beteiligt.

«Wir waren optimistisch, dass wir den Event durchführen können.»

zentralplus: Werdet ihr noch weiterwachsen? Wo sehen Sie die Zuger Filmtage in den nächsten Jahren?

Willi: Wir sind stolz, wie sich das Festival in den letzten sechs Jahren entwickelt hat. Es ist erstaunlich, was man mit ein paar engagierten Leuten auf die Beine stellen kann. Die aktuelle Grösse des Festivals erachte ich als ideal. Aber wir möchten auch gerne neue Formate ausprobieren, letztes Jahr beispielsweise haben wir eine VR-Ausstellung aufgegleist und dieses Jahr zeigen wir crossmediale Projekte in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste. Aber längerfristig zu wachsen und vielleicht auch mehrere Filme gleichzeitig zeigen zu können, das wäre schon cool.

Impressionen zu vergangenen Zuger Filmtagen findest du im Video

zentralplus: Wie finanzieren sich die Zuger Filmtage?

Willi: Die Finanzierung ist jedes Jahr eine Herausforderung. Das Festival lebt von Sponsoren, Fördergeldern und Gönnern. Auf einige Sponsoren kann man jedes Jahr zählen, andere muss man jedes Jahr aufs Neue suchen. Auch die Eigeneinnahmen des Festivals aus dem Vorjahr fliessen in die Finanzierung mit ein. Wichtig ist dabei zu erwähnen, dass wir fast alle ehrenamtlich arbeiten. Einzig die Festivalleitung und die Geschäftsstelle beziehen einen symbolischen Lohn.

zentralplus: Kommen wir zum leidigen Thema «Corona». Die Zahlen in Zug sind in der letzten Zeit rasant angestiegen. Was ging euch da durch den Kopf?

Willi: Corona war für uns schon im Frühling und Sommer ein Thema. Als die Kinos nach dem Lockdown wieder öffneten, gab uns das aber eine kleine Sicherheit. Wir haben im September ein Schutzkonzept erarbeitet und dieses letzte Woche noch einmal angepasst. Wir planten bereits dann mit einer obligatorischen Maskenpflicht – noch bevor der Bundesrat sie erlassen hat. Die Sicherheit unserer Besucher ist für uns sehr wichtig.

«Die Zahlen werden dieses Jahr sicher tiefer ausfallen als in den Vorjahren.»

zentralplus: Waren Alternativen oder gar eine Absage im Gespräch?

Willi: Wir waren optimistisch, dass wir den Event durchführen können. Natürlich haben wir über eine Online-Variante nachgedacht, aber das kann man mit den Spielfilmen nicht machen. Das Streaming von Filmen, die noch nicht im Kino liefen, ist rechtlich ein heikles Thema. Dann wäre es auf eine Online-Variante nur mit den Kurzfilmen hinausgelaufen – aber die zeigen wir heute im Rahmen des offiziellen Wettbewerbs schon online.

zentralplus: Rechnet ihr dieses Jahr mit weniger Gästen?

Zuger Filmtage 2020

Die Zuger Filmtage dauern vom 20. bis 24. Oktober. Das Programm bietet sowohl Spiel- als auch Dokumentarfilme, verschiedene Workshops und Anlässe. Das detaillierte Programm findest du hier. Eine Vorpremiere bildet beispielsweise der Dokumentarfilm «Der Ast auf dem ich sitze» der Zuger Regisseurin Luzia Schmid, der mit kritischem Blick die Stadt Zug als Steueroase betrachtet (zentralplus berichtete).

Willi: Ja. Letztes Jahr verzeichneten wir rund 800 Besucher. Das wird dieses Jahr nicht möglich sein. Allein im Kino Seehof können wegen der Corona-Massnahmen aktuell nur 100 Gäste Platz nehmen – bei einer Kapazität von 190 Sitzen. Die Zahlen werden dieses Jahr folglich sicher tiefer ausfallen als in den Vorjahren. Und dennoch freuen wir uns sehr darüber, dass wir die Zuger Filmtage wie geplant durchführen können.

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