Neues Album von «Moskito»

«Wir haben ja eh nichts anderes zu tun»

Moskito, das sind Luzi, Little Miss Sunshine und Flew (von links). (Bild: Oliver Bär)

Die Luzerner Hiphop-Truppe «Moskito» veröffentlicht ihr zweites Album «Maxilla». 12 Tracks auf einer CD vereint – vielfältig, kritisch und anspruchsvoll. Im Interview mit zentral+ erklären die Musiker, weshalb ihre Musik nicht radiotauglich ist und wer an ihren Konzerten nichts zu suchen hat.

Mit ihrem zweiten Album haben «Moskito» ein durch und durch anspruchsvolles Werk geschaffen, das sich grundlegend von konventionellem Hiphop unterscheidet. «Maxilla» kommt mit einem Schuss 8-Bit, einer Prise Selbstironie und einer gehörigen Portion Gesellschaftskritik daher.

Moskito, das sind Flew, Little Miss Sunshine und Luzi. Im Gespräch mit zentral+ nehmen die drei kein Blatt vor den Mund – simultan zu ihren Raptexten.

zentral+: Bevor ich eurem Album ein paar lässige Adjektive zuordne: Welche beiden Adjektive beschreiben euer Album am besten?

Flew: Es hat sicher viel Soul dabei. Ich würde sagen, es ist «soulig» und space-ig».

Luzi: Unser Album ist eindeutig «verspaced», falls das als Adjektiv gilt.

zentral+: Mit eurem Zweitling «Maxilla» liefert ihr alles andere als konventionellen Hiphop – weit abseits vom Mainstream. Für wen ist eure Musik gemacht?

Little Miss Sunshine: Für uns drei. Lacht

Luzi: Das Album «Maxilla» schliesst niemanden aus. Es ist für alle gemacht, die Musik ernst nehmen und sich die Zeit nehmen, unsere Musik zu hören. Es ist für Liebhaber.

Flew: Ich schliesse mich dem an. Das Album ist aber schon relativ «schwer».

zentral+: Hiphop mit Dubstep- und 8-Bit-Elementen sowie gesellschaftskritischen Texten. Ist eure Musik zu anspruchsvoll für eine breite Masse?

Flew: Es kommt stark auf den Song drauf an. «Luftloch» beispielsweise ist leicht, nicht zu anspruchsvoll.

Luzi: Einerseits schliesst die Musik niemanden aus, aber dadurch, dass es anspruchsvoll ist, stehen wir uns selbst im Weg, da die Musik nicht radiotauglich ist. Man kann nicht einfach kurz reinhören und sich eine Meinung bilden. Es braucht etwas Zeit, um den Zugang zu unserer Musik zu finden. Ich würde sagen, dass es momentan in der Schweiz zu anspruchsvoll für eine breite Masse ist, was aber nicht heisst, dass es nicht eine grosse Zielgruppe geben könnte, der die Tracks gefallen.

zentral+: Auffällig ist, dass eure Texte vielmehr einen poetischen anstatt klassischen «Ich bin der King»-Inhalt haben. Kann man mit einer gesellschaftskritischen Attitüde überhaupt Erfolg im Hiphop haben?

Luzi: Ich denke schon, ja. Beispielsweise in den USA oder in Deutschland ist Hiphop mit mehr Inhalt enorm gefragt. Ich denke da ans neue Album von «Kendrick Lamar», das vollgepackt mit kritischen Texten ist. Es ist ein interessantes Konzept, nachdem wir arbeiten. Die Musik muss wachsen. Wer die Lieder zum ersten Mal hört, wird nicht von Ohrwürmern infiziert. Aber es wird trotzdem etwas «kleben» bleiben.

Little Miss Sunshine: Aber das ist Musik, die auch nicht jeden anspricht. Viele meiner Kollegen, die auch Hiphop hören, mögen das Album des Amerikanischen Rappers überhaupt nicht. Musikalische Kenntnisse müssen schon vorhanden sein, um diese Musik zu verstehen.

zentral+: Ihr geht damit also dem gängigen Hiphop-Klischee aus dem Weg?

Luzi: Für mich als Rapper ist das «Ich bin der King und fi*** euch alle» ein genauso wichtiges Element, wie die Poesie. Aber für Moskito und das Album war es der falsche Platz für diese Attitüde.

«Wenn man solche Musik macht, muss man damit rechnen, dass sie sich nicht gut verkauft.»

Flew, Beat-Papst von Moskito

zentral+: Platz 1 für Mimiks letztes Jahr, Platz 17 für Emm und Kackmusikk in den Charts. Was ist euer Ziel?

Flew: Grundsätzlich ist das uns egal. Es wäre schon schön, wenn Maxilla auf Resonanz stösst. Wenn man aber solche Musik macht, muss man damit rechnen, dass sie sich nicht gut verkauft. Zugegeben: Wir sind auch nicht gut im Vermarkten unserer Musik. Beim Rapper Emm sage ich immer, dass er besser im Vermarkten seiner Musik ist, als im Rappen. Lacht

Luzi: Während wir Musik produzieren, denken wir uns nie: «Jawohl. Damit können wir in die Charts kommen.» Aber wir versuchen unser Bestes, damit es möglichst viele erreichen kann. Diese «Kurzlebigkeit» haben wir auch bewusst versucht zu ignorieren. Diese Alben sind jeweils kurz an der Spitze in den Charts und haben dann damit den Zenit erreicht. Unser Anspruch ist, dass es langsam wächst.

Little Miss Sunshine: Ich kann mich da nur anschliessen. Für mich wäre es viel schöner, wenn sich Maxilla langsam, dafür aber beständig, verbreiten würde.

Flew: So war es auch bei unserem ersten Album.

zentral+: Maxilla, was bedeutet das?

Luzi: Maxilla ist der medizinische Ausdruck für den Unterkiefer. Beim Moskito ist es das Werkzeug, das sich in die Haut bohrt.

Flew: Sieht eigentlich ziemlich hässlich aus.

Die drei versuchen mit wilden Gesten, dieses Werkzeug des Moskitos zu verbildlichen.

zentral+: Wen würdet ihr nie an einem eurer Konzerte sehen wollen?

Flew: Gute, aber schwierige Frage. Ich würde sagen, Nathalie Rickli.

Luzi: Gute Antwort. Ich nehme auch Rickli oder JSVP-Präsident Anian Liebrand. Mike (von GeilerAsDu) hat ihn mal in einem Track gedisst. In umgekehrter Psychologie hat Liebrand dann versucht, mit uns anzubandeln. Wenn er an einem unserer Konzerte wäre, würde ich ihn sicher erwähnen – oder gar auf die Bühne holen. Sonst ist jeder willkommen. Das Publikum an unseren Konzerten ist eh immer bunt gemischt.

Flew: Yvette Estermann wäre auch eine Kandidatin.

Little Miss Sunshine: Ich weiss es nicht. Finde es immer super, wenn jemand an unser Konzert kommt. Umso besser, wenn ich ihn oder sie auch noch blöd finde.

zentral+: Eine Zeile von dir, Luzi: «Ech weiss, ech sett ned täglech kiffe. Aber es bout sone schöni Wand uf zwösche mer ond dene Wexer». Gleichzeitig verurteilst du Leute, die sich täglich im Dunst verstecken.

Luzi: Ich schliesse mich da selber nicht aus. Bin aber lange nicht mehr so stark im Dunst wie früher. Es ist eine Gratwanderung zwischen dem, dass ich die Droge nicht verherrlichen will und dem Umstand, dass sie trotzdem Teil meines Lebens ist. Es ist scheinheilig, kritisch gegen eine Droge zu rappen, wenn man selber nicht besser ist.

zentral+: Jetzt mal ehrlich: Welche Rolle spielen Drogen in eurem Künstlerleben?

Alle lachen verschmitzt.

Flew: Wir haben bisher schon ein paar psychedelische Tage miteinander erlebt. Lacht. Für mich ist es in erster Linie eine persönliche Erfahrung, die nichts mit Musik zu tun hat.

Little Miss Sunshine: Schon eine ziemlich grosse. Aber nicht mehr ganz so wie früher. Bekifft habe ich oftmals gute Ideen, die ich dann aber nur nüchtern umsetzen kann.

Luzi: Auf LSD kann man sich nicht wirklich gut ausdrücken. Lacht. Ich habe es mal versucht, aber es kam absolut nichts dabei raus.

zentral+: Luzern hat sich zur Hiphop-Hochburg gemausert. Die grossen Erfolge bleiben allerdings aus. Was hat Mimiks «richtiger» gemacht?

Luzi: Er hat alles richtig gemacht. Er ist ein total ambitionierter Typ und sehr überlegt. Mimiks ist ein Arbeitstier und hat für seinen Fleiss seinen verdienten Lohn erhalten. Schliesslich hat sein Erfolg aber auch mit richtigem Timing zu tun. Ich glaube persönlich nicht, dass das jemand in absehbarer Zeit – weder in Luzern noch in der ganzen Schweiz – nachmachen kann.

Flew: Mimiks zieht sein Ding ohne Kompromisse durch. Er schaut nicht nach links und rechts, hat aber stets die Brille des Erfolgs an. Er hat mir mal gesagt, dass ihm die Musik egal sei und er Wert auf den Rap setze. Das hört man auch an den «poppigen» Tracks auf seinem Album.

Little Miss Sunshine: Das finde ich persönlich wiederum schade. Wir setzen stark auf die Musik. Bei unserer Musik kann man einerseits auf den Rap hören, oder aber auch auf die Musik. Bei Mimiks «pumpen» die Beats zwar schon, aber es hat nicht diese «Leckerli» für die Musikkenner, wie bei uns.

zentral+: Wer ist für euch momentan die wichtigste Luzerner Hiphop-Grösse?

Flew: Ohne zu zögern. Livio alias LCone. Er ist enorm unterhaltend!

Luzi: Für mich ist es auch Livio. Menschlich ist er genauso, wie wenn er rappt. Eine super Persönlichkeit mit sehr guten Raps.

Little Miss Sunshine gibt sich wiederum wie zuvor, wenn es darum geht, Namen zu nennen, sehr pragmatisch.

zentral+: Welches ist eure Lieblings-Konzertlocation in Luzern?

Flew: Südpol!

Little Miss Sunshine: Die Location am B-Sides Festival auf dem Sonnenberg war bisher meiner Meinung nach die Beste.

Luzi: Ich finde auch Südpol die beste Location. Die Anlage ist extrem gut, was man bei Flew’s Beats enorm merkt. Unser Sound kommt dort am besten.

zentral+: Flew, du bist Hauptverantwortlicher für die Beats von Moskito. Aus welchem Musik-Genre kommst du ursprünglich?

Flew: Ich hatte früher diverse Jam-Gruppen. Am meisten habe ich Klassik und auch etwas Jazz gemacht . Ich habe hauptsächlich Waldhorn gespielt, dann Kontrabass, etwas Gitarre sowie Schlagzeug.

zentral+: Luzi. Im Interview mit zentral+ hat Mimiks einst gesagt, dass du für ihn neben Dave der Luzerner Rap-Held seist. Das kann ja aber nicht nur an deinem bösen Blick liegen, oder?

Luzi: Lacht. Das freut mich natürlich sehr. Obwohl wir uns inzwischen in ziemlich unterschiedlichen Welten bewegen, sind wir Fan von der Musik des anderen. Wir sind uns stetig gegenseitig am Hochschaukeln, wir pushen uns, aber auf positive Art. Es herrscht eine gesunde «Competition» zwischen uns. Wir inspirieren uns gegenseitig.

«Rap ist mein erstes und wichtigstes Ventil.»

Luzi, Rapper

zentral+: Bleiben wir gleich bei dir. Zitat von dir, Luzi: «Setti weniger kiffe hed mis ADHS weder öbernoh». Ist das der Grund, weshalb du gefühlt auf jedem zweiten Luzerner Hiphop-Track vertreten bist?

Luzi: Ich werde schon extrem unruhig, wenn ich länger nicht kiffe. Rap ist mein erstes und wichtigstes Ventil. Ich habe aber auch viel Feature-Songs gemacht, weil es ein willkommener Ausgleich zur Arbeit von Maxilla war.

zentral+: Little Miss Sunshine ist erst vor Kurzem zu Moskito gestossen. Wie kam es dazu?

Luzi: Er hatte schon beim ersten Album einige Gesangssequenzen drin. Wenn ich eine halbe Minute rappe und dann in die Kopfstimme umsteigen muss, kommt das meist nicht so gut. Wir kennen uns schon länger. Es wurde schnell klar, dass wir menschlich und musikalisch gut miteinander funktionieren.

zentral+: Little Miss Sunshine. Dein Name erinnert an den gleichnamigen Amerikanischen Film. Wärst du gerne eine Schönheitskönigin?

Little Miss Sunshine: Nein, gar nicht.

Luzi: Lacht. Er ist eine!

Little Miss Sunshine: Das ist so ein Witz für mich. Ich bin weder klein noch eine Frau. Aber wenigstens ein Sonnenschein.

zentral+: 2013 habt ihr mit «Fallschirm» den Kick-Ass Award gewonnen. In was habt ihr das Geld investiert?

Flew: Ich habe mir sofort neue Lautsprecher gekauft.

Luzi: Damals bin ich anschliessend gleich in die Ferien gegangen. Mit dem, was übrig blieb, habe ich meine Miete bezahlt. Ich war damals ziemlich pleite.

zentral+: «Broke 4 Life». Seid ihr das heute auch noch?

Flew: Ich arbeite in einem 50-Prozent-Pensum. Teilweise habe ich schon von der Musik gelebt. Die Miete kann man bezahlen, wenn man nicht zu hohe Ansprüche hat. Aber nebenbei arbeiten müssen wir sowieso noch, das muss auch Mimiks. Lacht.

Verlosung: 5 Mal «Maxilla»

Jetzt gewinnen: Schreiben Sie ins Kommentarfeld, welches Ihr absoluter Lieblingssong von Moskito ist. Unter allen Kommentierenden verlosen wir fünf Mal die «Maxilla»-Platte, die ab Freitag, dem 15. Mai im Handel erhältlich ist. Einsendeschluss ist Donnerstag, der 21. Mai.


zentral+: Was ist eure grösste Musiksünde?

Flew: Backstreet Boys.

Luzi: Christina Aguilera. Ihre erste Single «Genie in a Bottle» ist der beste Popsong überhaupt. Ich stehe voll dazu. Die Single habe ich sogar als Vinyl-Platte zuhause.

Little Miss Sunshine: Überlegt. Ich höre nur gute Musik!

Luzi: Ach was. Du hörst so blöde Auto-Tune-Musik. Ganz schlimm.

«Roman Camenzind würde ich gerne mal so richtig zerreissen und blossstellen.»

Luzi

zentral+: Kürzlich wurde die vierte Ausgabe des «Bonker Infernos» angekündigt. Wen würdet ihr verbal gerne mal so richtig zerreissen?

Luzi: Roman Camenzind. Den würde ich gerne mal so richtig zerreissen und blossstellen. Mich nervt diese Art von Musik. Er produziert die schlimmsten Beispiele von typischer Radiomusik. Davon bekomme ich Kofpschmerzen.

Flew: Ich würde gerne mal ein Battle gegen Knackeboul machen.

Little Miss Sunshine gibt sich erneut pragmatisch. Wahrlich ein Sonnenschein!

zentral+: In euren Texten kritisiert ihr diverse Missstände. Worin seht ihr momentan die grösste Baustelle in der Luzerner Bevölkerung?

Luzi: Oftmals handeln unsere Texte davon, dass sich alle mit den Problemen befassen und ein grosses Interesse an der Welt und dem Geschehen haben, aber sich schlussendlich trotzdem davon abgrenzen. So à la: «Es gibt sowieso nichts mehr zu retten, also warten wir, bis alles zu Ende geht.» Wir schliessen uns allerdings da auch mit ein.

zentral+: Mit welcher Nicht-Hiphop-Band würdet ihr am liebsten einen Feature-Song machen?

Luzi: Wie aus der Pistole geschossen. Jeans for Jesus.

Flew: Ich fände GAIA interessant. Die sind super!

Little Miss Sunshine: Ganz klar mit Seven. Wenn ich den nächstes Mal auf der Strasse treffe, sage ich ihm das.

zentral+: Wie geht es weiter mit Moskito? Was sind eure Zukunftspläne?

Flew: Wir arbeiten momentan an der Plattentaufe vom 6. Juni. Dazu arbeiten wir mit einem Visual-Team zusammen, das viele Ideen zur Live-Umsetzung der Songs hat.

Luzi: Nach unserem Album braucht es jetzt etwas Zeit, um uns zu sammeln und neue Inspiration zu holen. Aber es werden sicher noch einige Remixes von Maxilla-Songs kommen. Wie ich uns kenne, werden wir auch bald wieder neue Musik machen. Wir haben ja eh nichts anderes zu tun. Lacht.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von MichaelFrei
    MichaelFrei, 17.05.2015, 15:50 Uhr

    Defintiv Hank Moody vom Maxilla Album

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  • Profilfoto von nonououi
    nonououi, 15.05.2015, 19:16 Uhr

    Big Mama vom neuen Album Maxilla!

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  • Profilfoto von simon burri
    simon burri, 15.05.2015, 16:48 Uhr

    ganz klar Hank Moody!

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  • Profilfoto von sveric
    sveric, 15.05.2015, 13:51 Uhr

    Mein Absolutes Lieblingslied von den Jungs ist: Falfschirm!

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  • Profilfoto von Moritz Wey
    Moritz Wey, 15.05.2015, 13:24 Uhr

    «Penny» aus «Moskito» von Moskito

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