Wetten, diese Zuger Fasi-Traditionen kennst du nicht?
Wer laut kreischt, wird belohnt: An der Legorenfasnacht in Oberägeri sind Dezibel gefragt. (Bild: zvg / Legoren)
In den Zuger Gemeinden gibt es Fasnachtstraditionen und Eigenheiten, die weit über die altbekannten Bräuche hinausgehen. Darunter schreiend laute, besinnlich stille und geruchsintensive.
Greth Schell in der Altstadt, Räbechüng-Verbrennen in Baar, Konfettischlacht am Bundesplatz in Zug: Es gibt Fasnachtstraditionen, die kennt fast jeder in Zug. Und dann gibt es die kleinen, feinen Bräuche, die weniger bekannt sind und oft abseits des bunten Treibens stattfinden. Doch auch sie verdienen an dieser Stelle ein wenig Aufmerksamkeit.
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Am Güdelszischtig gilt in Oberägeri ein Motto, das hoffentlich keinen Einzug in die tägliche Kindererziehung hält: Denn wer lauter kreischt, wird mit leckerem Essen belohnt.
Wer laut kreischt, wird belohnt
An der Legorenfasnacht, nach dem Umzug, erhält jedes Kind ein sogenanntes Legorenpäckli. «Da drin ist immer eine Tafel Schokolade, ein Cervelat, ein Brot, ein Kägi fret, ein Pack Brezel und vier Orangen. Wir verteilen circa 1300 bis 1500 Stück pro Jahr», erzählt Legorenvater Martin Rust. Das Geld für diese Päckli wird an der Vorfasnacht von Freiwilligen «erbettelt», die von Haus zu Haus ziehen.
Damit die Kinder zu ihrem Päckli kommen, müssen auch diese betteln. Und in sonderbarer Manier. Rust erklärt: «Die Kinder scharen sich um die Fasnächtler und betteln ‹Mier liebä Legor›, darauf erwidert der Fasnächtler mit ‹Güssä›, und das Kind, welches am lautesten ‹güüst›, also schreit, bekommt dann eine Orange oder eine Süssigkeit.» Die Tradition, während der im ganzen Dorf lautes Kindergeschrei ertönt, dauert ungefähr drei Stunden und überbrückt die Zeit zwischen Umzug und «Fasnachtsvergraben», dem symbolträchtigen Ende der Legorenfasnacht.
Freude und Trauer sind in Alosen nah beieinander
In der gleichen Gemeinde, im Ortsteil Alosen, findet während der Fasnacht ein kleiner, feiner Brauch statt, den wohl die wenigsten Leute kennen dürften. «Am Freitag, jeweils nach dem Schmudo, besuchen wir Fasnächtler unsere Verstorbenen und legen ihnen jeweils ein Blüemli aufs Grab. Am Freitagnachmittag besuchen wir zudem alle Bewohner von Alosen, die im Altersheim leben, und Fasnächtler, die in dieser Zeit im Spital sein müssen. Sie alle erhalten ein Osterglöggli», erzählt Roman Meier, der Präsident der Fasnachtsgesellschaft Alosen. «Es ist uns wichtig, trotz des Lustigseins und der Schönheit auch an die Kranken, Betagten und Verstorbenen zu denken.»
In Rotkreuz macht man an der Fasnacht etwas, was im richtigen Leben streng verboten ist. Die Gemeinde geht auf Luchsjagd. In einer Art Schnitzeljagd wuseln Kinder auf der Suche nach einem Schatz durch die Gemeinde. Um die verschlossene Truhe öffnen zu können, müssen sie mittels Ballonstechen den Schlüssel zuerst finden.
Während der Fasnacht steht auf dem Dorfgebäude jeweils eine grosse Luchsstatue. Stefan Herzig, Präsident der Rotchrüüzer Fasnacht, sagt dazu: «Wer diese aber wann installiert, ist ein ‹Mysterium›. Plötzlich steht sie einfach dort oben.»
Ein Schnaps zu Ehren des Räbechüngs
Die Räbefasnacht Baar ist die grösste im Kanton Zug. Doch auch hier gibt es Traditionen, die dem Volk weniger bekannt sind als andere. Silvan Meier, Kommunikationsverantwortlicher der Fasnachtsgesellschaft Baar, erzählt: «Aussergewöhnlich ist das Ritual des Hofstaats, also Räbevater und Räbemueter, Ehrendamen, Lakai, Zeremonius, Tambouren und Fanfarenbläser, wenn er beim Räbechüng vorbeikommt.»
Der Chüng, also der König, ist ein grosser Kopf aus Pappe, der neben dem Rathaus in der Höhe hängt. «Der Hofstaat hält an, stellt sich auf, der Zeremonius überbringt dem Räbechüng die besten Grüsse und die Ehrerbietung seiner irdischen Vertreter, manchmal spielen auch die Tambouren und die Fanfarenbläser noch etwas. Anschliessend verbeugen sich alle.» Und: «Ab und zu wird zu Ehren des Räbechüng ein Schnaps gekippt.»
Bitte kein «Hühnerbrüstlin»
Ebenfalls bemerkenswert: das aus neun Artikeln bestehende Reglementum, das jeweils an der Inthronisation des Räbevaters vorgelesen wird. Dieses stammt aus dem Jahr 1947. Darin heisst es: «Der Vater der Räbe soll ein gesetzter, nicht allzu junger, aber noch läbenslustiger, ehrbarer Ehemann oder Jungeselle sein, dessen Hautfarb nicht zu bleich und dessen Umfang nicht zu gering sein sollte, massen die Ketten auf dem Brustlatz sich besser ausnimmt denn uf einem Hühnerbrüstlin!»
Doch auch schmächtige Gestalten haben offenbar eine Chance, Räbevater zu werden, denn weiter heisst es: «Sollen dereinsten obgemalte Posturen im Uussterben begriffen und nicht mehr ufzutryben sein, so mag man auch andere nehmen; doch ist es eine unabänderliche Conditio sine qua non, dass der Candidatus fröhlichen Herzens und mifühlenden Gemütes sein muss und einen guten Schluck nicht fast verachten dörffe.»
Apropos sprachliche Kuriositäten: Eine der grössten Besonderheiten der Zunft der Letzibuzäli ist wohl ihr Name. Dieser hat gemäss Fasnachtszunft nämlich nichts mit Putzen zu tun, sondern vielmehr mit einer verschwundenen, fast schon sagenumwobenen Spezies. Der Medienverantwortliche der Zunft, Alex Odermatt, erklärt: «Früher hat man im Letzibach nach kleinen Buzäli-Fischen gejagt und diese dann als Lebendköder für die Jagd nach Hechten im Zugersee verwendet.» Aus dieser Tätigkeit sei der Zunftname «Letzibuzäli» entstanden. Doch das Tier sei mittlerweile in der Letzi ausgestorben, auch wisse man nicht so genau, wie der Fisch überhaupt ausgesehen habe.
Der Knall, der zu spät ertönt
Die Chesslete in Zug kennen Fasnächtlerinnen insbesondere als guten Grund, um früh aufzustehen. Für OK-Präsident Jascha Hager sind es unter anderem die weniger sichtbaren Bräuche, die den Anlass schön machen. «Das OK bläst jeweils am Dienstag vor der Fasnacht rund 480 Ballone auf, die dann vom Werkhof und von den WWZ über der Umzugsroute aufgehängt werden.» Viel auffälliger hingegen: «Es ist mir eine besondere Ehre, jeweils um 5 Uhr den Knall loszulassen», äussert sich Hager zu einem Highlight. Und ergänzt: «Meist bin ich ein paar Sekunden zu spät.»
Aufmerksame Stadtzuger dürften es ausserdem schon bemerkt haben: «Am Schmudo hängt über dem Stadthaus eine Chesslete-Fahne, am Samstag jene der Letzibuzäli.»
Die Gosse, die seit 2019 gefeiert wird
Auch ist der Verein Zuger Chesslete Teil einer weiteren Tradition, die sich in den vergangenen Jahren in der Altstadt etabliert hat. «Klein» kann man diese zwar nennen, «fein» vielleicht weniger. Die Schiissigässli-Zunft, gegründet im Jahr 2019, ist benannt nach ebendieser schmalen Gasse zwischen zwei Häuserzeilen, die dereinst als stinkendes Abwassersystem diente. «Am Schmutzigen Donnerstag um 13.30 Uhr, eine Stunde vor dem grossen Umzug der Zuger Chesslete, quetscht sich der bunte Fasnachtshaufen, angeführt vom amtierenden Zunftpaar, durch Zugs Gosse. Die Zuger Guggemusig Descampados treibt die Einerkolonne von hinten an», sagt Zunftweibel Remo Hegglin.
«Mit jedem Jahr werden die Teilnehmenden kreativer. Das zeigt sich auch an den aufwendig gestalteten Kostümen und Wagen. Letztere müssen gewissen Maximaldimensionen entsprechen, damit es im Gässli zu keiner Verstopfung führt», so Hegglin weiter.
Kleiner Fun Fact am Rande: «Der Schiissigässli-Umzug 2021 – die Coronapandemie war in vollem Gange – war der weltweit einzige Fasnachtsumzug, der dank ausgeklügelten Sicherheitskonzepts – Einerkolonne mit ausreichend Abstand zwischen den Teilnehmenden und Maskenpflicht – durchgeführt werden konnte.» Und weiter: «Per Livestream haben sogar Zuschauende aus der brasilianischen Karnevalsstadt Rio de Janeiro dem Umzug beigewohnt.»
Journalistin und langjährige Autorin bei zentralplus. Schreibt über politische Querelen, aufregende Bauprojekte und gesellschaftlich Bewegendes. Am liebsten jedoch schreibt sie über Menschen. Und natürlich Hunde.