Luzerner Texter veröffentlicht ersten Roman

Wer steckt hinter dem Pseudonym Niko Stoifberg?

Dieser Mann hat zwei Identitäten und eine grosse Liebe: Literatur.

(Bild: hae)

Er verschlingt Sachbücher und fasst sie für Lesemuffel zusammen. Als Niko Stoifberg ist er auch aufmüpfiger Essayist. Jetzt hat er seinen ersten Roman geschrieben, der auf einem Traum basiert, welchen er vor 20 Jahren hatte. Nur: Weshalb hat der Mann zwei Persönlichkeiten? 

«Genial, ich wünschte, ich könnte so etwas schreiben.» Das sagt Rolf Dobelli, der Luzerner Erfolgsautor, der selber schon diverse Romane («Himmelreich», «Fünfunddreissig. Eine Midlife-Story.») und vor allem Ratgeber («Die Kunst des guten Lebens») verfasst hat (zentralplus berichtete). 

Koni Gebistorf, so heisst der Autor Niko Stoifberg im richtigen Leben, ist zwar kein Anfänger und hat selber schon Bücher herausgebracht – allerdings sind das eher essayistische Werke. Wie etwa das Kochbuch «Mama kocht!» mit dem Luzerner Fotografen Sylvan Müller (zentralplus berichtete). Oder «Das Blaue Büchlein», eine Sammlung von 366 Vermutungen.  

Koni Gebistorf ist ein versierter Sprachartist. Er hat Germanistik studiert, als Journalist gearbeitet und vor allem mit diversen Essays auf sich aufmerksam gemacht. Eines heisst «Wie mir meine Mutter die Schnäderfrässigkeit austrieb». Da schrieb er: «Schnäderfrässige sind Leute, die beim Fleisch den Fettrand abschneiden, die Gschwellti schälen und H-Milch kaufen, nicht wegen der Haltbarkeit, sondern weil sie Milch, so wie Milch schmeckt, nicht mögen. Die finden: Honig zum Käse, das geht doch nicht!?» Dazu liefert er ein Rezept für Kutteln.

«Ich bin jemand, der aus Versehen zum Autor wurde.»

Niko Stoifberg 

Und jetzt sitzt Niko Stoifberg, wie er sich auch noch nennt, im «Café Luz» vor seinem Orangenjus, greift sich immer mal wieder ins wilde Haar, blickt schüchtern lieber zum Fenster hinaus als dem fragenden Gegenüber in die Augen. Dort findet er, oft nach sekundenlangem Nachdenken, druckfertige Sätze. Etwa auf die Frage, wer er sei: «Ich bin jemand, der aus Versehen zum Autor wurde – um Dinge zu sagen, die ich mich anders nicht zu sagen getraue. Ich schreibe Dinge auf, die ich loswerden muss.» Facebook-Posts, Essays, oder eben: einen Roman.  

In Luzern zu Hause: Koni Gebistorf alias Niko Stoifberg.

In Luzern zu Hause: Koni Gebistorf alias Niko Stoifberg.

(Bild: hae)

 

Deshalb hat er sich auch ein Pseudonym zugelegt: Unter seinem anderem Namen Niko Stoifberg habe er die «totale Freiheit». Den Künstlernamen – ein Anagramm, bei dem die Buchstaben seines richtigen Namens Koni Gebistorf in neuer Reihenfolge zusammengesetzt sind – hat er aus Studentenzeiten. Von damals, als er nebenbei als Journalist unterwegs war. «Ich habe mich immer mal wieder masslos aufgeregt, wenn meine Texte korrigiert oder umgeschrieben wurden.» Er war vor allem für Lokalpolitik unterwegs.  

«Ich kaufe ein Jahr lang nichts.»

Titel eines Essays von Niko Stoifberg

Dabei ist ihm das Gesellschaftliche viel näher: Er bedauert den Niedergang der Werte. Und setzt sich gegen den allgegenwärtigen Konsumwahnsinn ein. So schrieb Koni Gebistorf sich mal unter dem Titel «Ich kaufe ein Jahr lang nichts» den Frust vom Leib: «Wir sind komplett irr geworden. – Was aber, wenn wir diesen Irrsinn einfach mal stoppen würden? Das würde ja heissen: Konsumverzicht. Würde heissen: weniger Umsatz. Weniger Bruttosozialprodukt. Weniger Wachstum. Weniger Wohlstand. Würde heissen: weniger von alldem, womit wir aufgewachsen sind, was wir uns gewohnt sind, worauf wir stolz sind. Wir, die Wachstumsnation, das reichste Land der Welt, wohlhabend und trotzdem nicht fett geworden, nicht träg, immer im Aufstieg. Diesen Aufstieg sollten wir stoppen? Das ist mir dann doch unheimlich geworden.» 

Minimalisten überall

Niko Stoifberg ist seither Minimalist geworden, und Minimalisten bevölkern auch seinen Roman: Sebi, Gartenbauer, beschränkt sich darauf, einen Steg in den Wald hinaus zu legen. Lydia, Food-Fotografin, begnügt sich mit einer – rohen – Zutat pro Teller. Und Emil Fischlin, Architekt, lässt Gelände wegbaggern, um es später in Glas wieder nachzubauen. Alle drei suchen die Vereinfachung, die Beruhigung, die Abkürzung. «Und dann kommt ihnen plötzlich das Leben dazwischen», wie Koni Gebistorf seinen Roman «Dort» beschreibt, den er vor 20 Jahren geträumt hat. 

Lesung im Neubad

Niko Stoifberg stellt seinen ersten Roman «Dort» (Verlag Nagel & Kimche, 330 Seiten) am Dienstag, 19. Februar, um 20 Uhr im Luzerner Neubad vor. Moderieren wird die Literaturkritikerin Christine Lötscher, Harfenistin Vera Schnider begleitet die Lesung musikalisch.

In den letzten drei Jahren hat Niko Stoifberg ihn endlich geschrieben, an Wochenenden und jeden Morgen zwei Stunden, bevor seine Frau und Tochter Mina aufstanden. Disziplin brachte ihn vorwärts, doch «das grosse Problem beim Schreiben ist die mögliche Ablenkung». Und er lasse sich schnell und gerne ablenken, sagt Koni Gebistorf, der morgens um 6.30 Uhr, zwischen Zähneputzen und Müsliessen, seine hintergründigen Facebook-Einträge ausdenkt.

Wenn er nicht schreibt, liest er gerne und arbeitet für «getAbstract». So heisst die Firma, die Schriftsteller Rolf Dobelli zusammen mit Freunden 1999 in Luzern gegründet hat. Rund 60 Festangestellte fassen Inhalte von Büchern zusammen und reduzieren sie auf deren Essenz, Koni Gebistorf (42) leitet dort die englischsprachige Redaktion.

«An der Arbeit lese ich, nach der Arbeit schreibe ich. Wenn ich fertig bin, trinke ich, hauptsächlich Wein, aber auch Wasser. Wenn es Schnee hat, fahre ich Ski. Leider hat es nicht mehr viel.» So heisst es auf Niko Stoifbergs Website. Und wer sie aufruft, dem schüttelt der Autor gleich mal sein neues Baby aus dem Ärmel – «Dort» heisst das Buch, das aber auch hätte so heissen können: 1999, Busse tun, Fallen, Hinter der Wand, Hohwand, Tief oben oder Zünd. Das waren andere Arbeitstitel, über die er bei Facebook abstimmen liess. 

«Gibt es Schuld? Gibt es Gerechtigkeit?»

Fragen, die Niko Stoifberg umtreiben

Und weshalb sollte man «Dort» lesen? Niko Stoifberg denkt nach, dann kommt wieder so ein Satz, elegant gedrechselt: «Sie müssen das Buch lesen, weil Sie sich nach der Lektüre Fragen stellen werden, vor denen Sie sich sonst gedrückt hätten. Fragen wie: ‹Darf man für sein eigenes Glück jemand anders ins Unglück stürzen? Gibt es Schuld? Gibt es Gerechtigkeit?›»

Mitbesitzer von Bierbrauereien

Apropos Trinken: Der Autor ist Mitbesitzer der Luzerner und Surseer Bierbrauerei sowie kreativer Nutzer von sozialen Medien. Auf Facebook erfindet er alte Schweizer Weisheiten neu oder postet er Serien wie «Besser ist schwierig» und listet Kubricks Filme oder gibt Musiktipps: Suede, Mark Knopfler oder J. J. Cale. Das zeugt von erdigem Geschmack, und man verweilt gerne lesend. 

Und apropos Skifahren: Niko Stoifberg hat einmal ein journalistisches Loblied auf den wilden Bode Miller verfasst. Selber ein passionierter Skifahrer, schaut er fast jedes Weltcuprennen. «Es ist die Sportart, die in der schönsten Umgebung stattfindet. Ich kann mich so gut identifizieren, weil ich als Bub schon im Entlebuch die Hänge hochlief und Schanzen baute, dann auf der Marbachegg oder in Sörenberg Schwünge ziehen durfte.»

Skihelden

Koni Gebistorf hat grossen Respekt vor den Leistungen der Skirennfahrer. Welches wären denn heute seine Skihelden? Die frisch zurückgetretenen Lindsey Vonn und Aksel Lund Svindal? «Nein, denn die sind zwar beeindruckende Sportler, aber leider viel angepasster als der wilde Miller», erklärt er.  

Niko Stoifberg hat dafür einen Antihelden ausgemacht: Marcel Hirscher, wahrscheinlich bald schon der erfolgreichste Skifahrer, gar besser noch als Legende Ingmar Stenmark. Stoifberg sagt: «Ich mag Hirschers extreme Verbissenheit nicht leiden, da ist nichts dem Zufall überlassen. Er treibt die umstrittene Spezialisierung auf die Spitze: Marcel Hirscher gewinnt regelmässig den Weltcup, obwohl er sich nur auf die technischen Disziplinen konzentriert und bei der Hälfte der Rennen und Höhepunkte wie in Kitzbühel gar nicht erst antritt.» 

Der Österreicher möge zwar körperlich topfit sein und bereit, bis an seine Grenzen zu gehen, doch «bei Hirscher wirkt jeder Jubel geplant. Bode Miller hingegen ging auch schon mal mit Hangover an den Start. Diese Art von Erfolg – ein Weltcuprennen betrunken zu bewältigen – finde ich bewunderungswürdiger.» 

Eifersuchtsgeschichte

Niko Stoifberg mag Unangepasste. Und, hat er auch schon eine Idee für sein nächstes Buch? Er lacht: «Ja, es wird eine Eifersuchtsgeschichte werden. Nichts Erotisches, es geht eher um den Drang, das Leben eines anderen Menschen führen zu wollen. Und sich dann dieses andere Leben zu rauben.» Die Herausforderung für Niko Stoifberg dabei: Er will die Story aus Frauensicht und als Tagebuch schreiben. Wieder kommt jemandem das Leben in die Quere.  

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