Donna Leon bringt Brunetti ins Luzerner Theater

Wenn die Jugend neben dem Alter verblasst

Donna Leon ist die Autorin von mittlerweile 25 verlegten Brunetti-Romanen. Geschrieben hat sie schon 26, und die Idee für Nummer 27 kam ihr letzte Woche.

 

(Bild: zVg randomhouse)

Donna Leon las am Dienstagabend im Luzerner Theater aus ihrem neusten Brunetti-Fall. Die englisch-deutsche Veranstaltung hatte bisweilen sehr viel Charme und Witz. Spannend wurde es jedoch nicht. Dafür zwischenzeitlich ein bisschen zum Fremdschämen.

Bei Lesungen, an welchen die Autoren selbst ihre Werke vortragen, gibt es zwei mögliche Ausgänge: Entweder, man wünscht sich, der Autor hätte doch bitte einen Schauspieler engagiert, erliege spontaner Heiserkeit oder man hätte sich einfach nur mit dem Buch im Bett vekrochen. Oder – die Autorin liest aus ihrem Buch so vor, dass man künftig eigentlich nur noch die Hörbücher kaufen möchte.

Donna Leon, die Autorin der Brunetti-Romane, gehört jenen an, welchen man richtig gerne zuhört. Sie liest mit einer sehr angenehmen Stimme, einem guten Tempo und schauspielerischem Talent – aber auf Englisch. So auch am Dienstagabend im Luzerner Theater. Deshalb hat Leon auf ihrer Lese-Tour eine Begleitung mit dabei: Die Schauspielerin Annett Renneberg, welche in den deutschen Verfilmungen der Brunetti-Krimis die Signorina Elettra spielt, liest ebenfalls Passagen vor. Und sie moderiert. Doch dazu später mehr.

Einnehmend, witzig, aber wenig spannend

1991 erschien Donna Leons erster Roman mit dem venezianischen Commissario Guido Brunetti. Seither ist jedes Jahr ein Brunetti-Krimi erschienen. Und der neuste heisst Ewige Jugend. Der Commissario ermittelt darin in den Tiefen der Erinnerung: Contessa Lando-Continui möchte ihren Frieden finden, doch der tragische Sturz ihrer Enkelin in den Canale di San Boldo lässt ihr keine Ruhe. Was, wenn es kein Unfall war?

Donna Leon beginnt auf Englisch. Die Passagen sind gut gewählt. Man gewinnt beim ersten Teil einen Eindruck vom Ort, den Figuren, der Stimmung. Nach einigen Seiten liest Annett Renneberg weiter. Das Wechselspiel zwischen Englisch und Deutsch, zwischen Textpassagen und kurzen Gesprächen dazwischen passt. Das Publikum ist voll dabei, zwischendurch vernimmt man Schmunzeln oder lautes Lachen.

Krimi-spannend aber, das wird es nicht. Dafür sind die vorgelesenen Auszüge zu sehr nach Unterhaltungsfaktor ausgewählt. Und das tut der Veranstaltung keinen Abbruch. Wer Donna Leons Romane kennt, der weiss, wie sich Spannung und Witz die Klinke in die Hand geben.

In den Gesprächen zwischen den Textpassagen erzählt Leon einiges zu den Figuren und ihrer Arbeit am Buch. Es scheint wenige Zuschauer zu haben, die nicht gut Englisch verstehen, was man nach den Übersetzungen der Witze merkt.

Donna Leon und Annett Renneberg im Luzerner Theater.

Donna Leon und Annett Renneberg im Luzerner Theater.

(Bild: jav)

Bitte nicht schleimen

Der Abend wäre auch rundum gelungen gewesen, hätte sich Renneberg auf das Lesen und bei ihren Übersetzungen auf das Übersetzen beschränkt. Sie ist eine tolle Schauspielerin, eine schöne Erscheinung und ihre Stimme wie auch ihre Interpretation der gelesenen Texte sind sehr angenehm.

Doch die ständigen Komplimente und anbiedernden Kommentare zu Donna Leon und ihren Arbeiten kamen deplatziert und gekünstelt daher. Die Lesung ist kein Werbespot, die Leute haben bereits bezahlt, sitzen bereits im Saal, sind bereits «Fans». Man braucht sie nicht mehrfach davon zu überzeugen, dass Donna Leon «eine wundervolle Frau» erneut, «einen grossartigen und wirklich spannenden Fall» geschrieben hat.

Das Publikum freute sich wirklich, und es war für schweizerische Verhältnisse äusserst aktiv dabei, dies durch Gelächter und Fragen am Ende der Veranstaltung zu zeigen. Aber wenn man mehrmals implizit dazu aufgefordert wird, sich zu freuen, zu wissen, wie toll Leon ist, und dass man das Buch ganz bestimmt toll finden wird, dann wirds ein bisschen zum Fremdschämen. Und das hat Leon nicht verdient – weil nicht nötig.

Die selbstironischen oder gar frechen Aussagen Leons wurden von Renneberg in den Gesprächen etwas zu anständig zusammengekürzt – vom augenzwinkernden, bisweilen ironischen Tonfall Leons blieb für die Englisch-schwachen Zuschauer daher wenig über. Schade. Denn Donna Leon hat ganz schön Pfeffer im Hintern.

Witzige Fakten, Spannende Hintergründe und ganz Persönliches

Die 74-Jährige ist eindeutig eine Entertainerin. Ihr Spiel mit Sprache, Mimik und Gestik hält gefangen. Ihre Kommentare amüsieren. Und man erfährt an diesem Abend rund um das Buch herum noch so einiges.

  • Dass ihr neustes Buch schon fertig ist – für welches sie zur Bienen-Expertin geworden ist. «Don’t try me», warnt sie die Zuschauer davor, ihr eine Frage dazu zu stellen. Die Veranstaltung würde sonst noch bis mitten in die Nacht dauern.
  • Über ihre Liebe zur Oper, für welche sie in Venedig zur Saison Schreibpausen einlegt und wo ihr stets ihre Titel einfallen.
  • Dass sie eine etwas – «hüstel» – schwierige Beziehung zu den Brunetti-Filmen hat.
  • Wie sie im aktuellen Roman eine Figur «unkilled». Und weshalb.
  • Ihre Überlegungen zum ewigen Leben. Was nicht dasselbe wie ewige Jugend ist. Das eine ohne das andere  – wenn man sich das mal überlege – sei der Horror. Die ewige Jugend tut sie im Buch einer der Figuren an – und damit auch den Lesern. Es tue ihr oft selbst weh, entschuldigt sie sich und fügt gleich mit einem gespielt fiesen Grinsen an: «Aber es ist halt effektiv.»

Zudem erfuhr man, weshalb ihre Bücher, die in Vendig spielen, wo sie auch lebt, nicht auf Italienisch verlegt werden. Sie wolle keine Berühmtheit sein an dem Ort, wo sie lebe. Und, das könne man ihr glauben, sie sei eine Berühmtheit, ergänzt sie mit einem Augenzwinkern. Doch in ihrer Stadt wolle sie von den Leuten so behandelt werden, wie sie sich verhalte – und keinen Promibonus bekommen.

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