Nach 20 Jahren in Berlin

Warum sich Thomas Hürlimann in Zug nicht mehr zuhause fühlt

Thomas Hürlimann ist zurück in Zug – fühlt sich hier aber nicht mehr zuhause. (Bild: Jürgen Bauer)

Der bekannte Zuger Autor ist nach Jahren im Ausland zurück in Zug. Zuhause fühlt sich Thomas Hürlimann am Zugersee aber nur noch manchmal.

Der Zuger Autor Thomas Hürlimann lebte 20 Jahre lang in Berlin. Wegen einer Krebs-Diagnose kehrte er an den Zugersee zurück.

Erst pendelte er noch regelmässig nach Berlin. Doch weder in Zug noch in Berlin fühlte sich Hürlimann während dieser Zeit noch zuhause, wie er in einem ausführlichen Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» erzählt.

«Man ist da zu Hause, wo man seinen Zahnarzt hat», erst mit dieser Aussage einer Freundin wurde sich Hürlimann bewusst, dass es Zeit war, sich wieder definitiv in Zug niederzulassen. Seither lebt er in Walchwil in einem Bootshaus am See und besitzt eine kleine Gästewohnung in der Stadt Zug.

Zug ist für Hürlimann kein Zuhause mehr

Doch für Hürlimann war es keine Heimkehr: «Leider musste ich bei meiner Rückkehr die Schweiz, wie sie aus dem Heimweh entstanden war, als Utopie erkennen. Die Stadt meiner Herkunft existierte nicht mehr. Ich kehrte heim in die Fremde.»

Dabei bezieht er sich besonders auf die Stadt Zug: «Was sich sonst in diesem Land getan hat, gerade in Zug, das hat mit dem Land, in das ich zurückzukehren dachte, rein gar nichts mehr zu tun.»

Dieses Gefühl beschreibt Hürlimann anhand eines Beispiels. So sei er eines Tages durch die Stadt Zug spaziert. In den Räumen eines internationalen Konzerns habe er verschiedenste Weltuhren gesehen. «Die Bildschirme an der Wand gaben die Uhrzeiten von Abu Dhabi, Katar, Hongkong an. Die Zuger Zeit fand da nicht mehr statt. Die Zeit von Abu Dhabi hat übernommen. Die gilt jetzt. Die Schweizer Zeit gibt es nur noch auf dem Friedhof.»

In Walchwil ist es dem Autor wohl

Doch auch da fühlt sich Hürlimann zunehmend entfremdet. Er kenne zwar noch die Namen auf den Gräbern, aber: «Die Abdankungshalle hat sämtliche christlichen Zeichen eliminiert. Was Särgen und Toten einen würdigen Rahmen geben sollte, sieht aus wie der Showroom einer Badewannenfabrik in Cincinnati.»

Im Interview findet Hürlimann aber auch versöhnliche Töne. So sei es immer sein Traum gewesen, am See zu wohnen. Mit dem renovierten Bootshaus in Walchwil habe er sich diesen Traum nun erfüllt. Das Haus bietet ihm die Möglichkeit, alte Kontakte zu pflegen. «Ich habe jetzt wieder die Möglichkeit, besucht zu werden. Und das ist etwas, das ich sehr geniesse.»

Verwendete Quellen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


4 Kommentare
  • Profilfoto von Maximilian Eisen
    Maximilian Eisen, 30.10.2022, 10:39 Uhr

    Ich hatte das gleiche Gefühl, als ich nach 30 Jahren zurück nach Zug kam. ZUG ist keine Heimat mehr, sondern nur noch Sitz von unzähligen Expats aller Art sowie von Briefkastenfirmen. Mit Ausnahme der musealen Altstadt ist Zug zerstört von zahllosen Gebäuden miserabler Architektur. Zugerdeutsch gibt es auch nicht mehr. Wo ist da noch Heimat für jemanden, der dort geboren wurde?

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Zug-um-Zug
    Zug-um-Zug, 02.08.2022, 18:07 Uhr

    In der Tat! Ich kann die Gefühle des Autors Thomas Hürlimann sehr gut nachempfinden.

    Selbst von 1990 bis 2016 mit einer Firma in Zug ansässig, finde ich die Stadt heute total unpersönlich, die Menschen kommen mir vor wie Roboter die meisten von ihnen mit $ – Zeichen in den Augen.

    Die Stadt hat jegliches Cachet verloren. Und vegetiert sozusagen ohne Seele.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Tom Farmer
    Tom Farmer, 02.08.2022, 08:37 Uhr

    Ach der Ärmste! Fühlt sich nicht mehr wohl in seiner Heimat! Darf aber privilegiert am Seeufer wohnen.
    Meint er denn, die Welt verändere sich nicht für Grosse Katersöhne und noch grössere Schriftsteller?

    👍2Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von marsumarsu
      marsumarsu, 03.08.2022, 13:26 Uhr

      Sie schreiben irgendwas über Privilegien, doch zwischen ihren Zeilen lese ich Futterneid
      Auch ich darf am Seeufer wohnen, doch in meinem Fall war es einfach unendlich viel Glück.

      👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon