Köchin des Jahres 2003 am Genuss-Film-Festival Zug

Vreni Giger: «Für Frauen ist der Posten als Küchenchefin schwierig»

Kocht ganz selten bei sich zu Hause: Starköchin Vreni Giger.

(Bild: hae)

Sie war 2003 Köchin des Jahres und ist seit drei Jahren Betriebsleiterin der zwei Restaurants des «Sorell Hotels Rigiblick» in Zürich: Vreni Giger. Am Genuss-Film-Festival in Zug wird sie über Frauenpower in den Küchen reden. Doch Männer haben weiterhin das Sagen. Wie lange noch?

Am Anfang ist das Öl: Während die meisten Restaurants einen Tanz um den goldenen Olivenextrakt aus fernen Mittelmeergegenden machen, gibt es im Bistro des «Sorell Hotel Rigiblick» in Zürich ein Rapsöl. Kaltgepresst, aus der Schweiz, schmackhaft – alles andere als ordinär.

Und dann kredenzt Vreni Giger, Betriebsleiterin des «Rigiblicks», einen fruchtigen Sauvignon Blanc, nicht von irgendwo am Ende der Welt, nein: von Nadine Saxer aus dem nahen Neftenbach. Dieser schöne Wein legt den Teppich für ein Gespräch über die seltenen Frauen in der Gastrobranche.

zentralplus: Vreni Giger, was zeichnet einen grossen Koch aus?

Vreni Giger: Ein guter Geschmackssinn und die Liebe zum Handwerk. 

zentralplus: Ist das bei einer Köchin anders?

Giger: Nein, bei beiden ist das Gleiche wichtig: Geschmack und Leidenschaft. 

zentralplus: Weshalb sind die Chefkoch-Posten immer noch meist in Männerhand?

Giger: Der Alltag des Kochs ist ein Knochenjob, es ist harte körperliche Arbeit, und es hat auch mit Stress zu tun. Das war für mich vor drei Jahren auch der Grund für eine Veränderung: Seither stehe ich selber nicht mehr in der Küche. Ich bin für die Betriebsleitung des «Rigiblicks» zuständig und habe in erster Linie Gastgeberfunktion. 

«Familienplanung: Damit ist der Posten als Küchenchefin schwierig zu bestehen.»

Vreni Giger, Köchin des Jahres 2003

zentralplus: Bevor das Montana in Luzern eine topmoderne Grossküche hatte, arbeitete da ein Dutzend Leute auf engstem Raum bei gefühlten 45 Grad. Es gab nur Männer im Team. Sind solche Verhältnisse zu hart für Frauen oder sehen Sie noch andere Gründe für den eklatanten Männerüberschuss?

Giger: Bei den Frauen kommt auch die Familienplanung dazu. Damit ist der Posten als Küchenchefin schwierig zu bestehen. Die Mutterrolle verunmöglicht so etwas. Ich weiss auch, wie streng der finanzielle Aspekt ist, ein Klasserestaurant ertragreich zu führen.

zentralplus: Wie sieht es denn mit dem Lohn aus?

Giger: Bereits in der Lehre verdienen Kochlehrlinge schon vergleichsweise viel Geld: Im ersten Lehrjahr 800, im dritten schon weit über 1’000 Franken.  

zentralplus: Dennoch ist nur jeder vierte Lernende weiblich: Bei der letzten statistischen Erhebung im Jahre 2010 lag der Frauenanteil bei der Kochlehre bei knapp 24 Prozent. Weitaus beliebter sind, mit mehr als 90 Prozent, Berufe wie medizinische Fachangestellte, Fachverkäuferin oder Friseuse. Koch scheint für Frauen wenig sexy?

Giger: Nein, gar nicht. 24 Prozent finde ich überraschend viel. Ein weiterer Grund ist, dass man als Köchin neben der «normalen» Gesellschaft arbeitet: Am Wochenende, wenn alle Kollegen in den Ausgang gehen, steht besonders viel Arbeit an. 

Zwei Frauen in zwei Küchen

Vreni Giger (46) erlernte das Küchenhandwerk in der «Linde» in Teufen und wechselte anschliessend in Turi Maags «Blumenau» in Lömmenschwil. Es folgten Engagements in der «Eichmühle» in Wädenswil, in der «Sonne» in Urnäsch und in Jöhris «Talvo» in Champfèr/St. Moritz. 1997 amtete sie als Küchenchefin im «Jägerhof» in St. Gallen und wurde später Eigentümerin des Betriebs. 

Im Jahr 2016 erfolgte der Schritt nach Zürich. Seitdem wirkt die Ostschweizerin als Betriebsleiterin und Gastgeberin im Zürcher Restaurant «Rigiblick» des Sorell Hotels. Mit Küchenchef Rony Zipfel leitet sie zwei Küchen und Restaurants mit jeweils fünf Mitarbeitenden. Sie beschäftigt zwei Frauen in den beiden Küchen.

zentralplus: Wie sieht die weibliche Zukunft in den Grossküchen aus?

Giger: Ich habe das Gefühl, dass es immer mehr Frauen gibt, die Köchin werden wollen. Weil der Beruf ein tolles Trampolin für weitere Entwicklungen sein kann: etwa in die Administration der Hotels, in die Lebensmitteltechnologien oder zu Führungspositionen im Ess- und Getränke-Bereich. 

zentralplus: Kennen Sie bekannte Chefköchinnen in den Kantonen Luzern und Zug?

Giger: Ehrlich gesagt nein, aber ich kenne eh kaum Köche. Ich bin nicht so der Häfeli-Deckeli-Typ und halte mich von der Branche eher fern. Ich ziehe lieber mein eigenes Ding durch: Im Privaten umgebe ich mich nicht mit Freunden aus der Gastroszene. 

zentralplus: Welches sind Ihre grossen Vorbilder?

Giger: Früher waren es immer der Schweizer Georges Wenger in Le Noirmont und der Franzose Michel Bras – diese beiden Kochgrössen haben mich in meinem Werdegang beeinflusst. Ich habe sie bewundert, gerade auch dafür, dass sie ihre Liebe zur Region in die Menüs einfliessen liessen. Michel Bras ging schon vor Jahrzehnten in die Alpen, um Wildkräuter und Pflanzen zu sammeln …

zentralplus: … wie es auch der Hexer von Escholzmatt, Stefan Wiesner, in seiner alchemistischen Naturküche gerne tut. 

Giger: Heute macht das ja fast jeder. Auch ich tat das. Wenger im Jura und Bras in Frankreich waren jeweils ganz stille Köche.

Das Auge isst mit: Vitello tonnato, quadratisch, praktisch, und vor allem gut.

Das Auge isst mit: Vitello tonnato, quadratisch, praktisch und vor allem gut.

(Bild: hae)

zentralplus: Und zu wem blicken Sie heute auf? 

Giger: Jetzt ist es nicht mehr so: Ich will niemandem nacheifern. Ich habe dafür einfach grossen Respekt. Bei Franz Wiget …  

«Bei Franz Wiget etwa denke ich: Wow, schon so lange im Geschäft und immer noch top!»

zentralplus: … dem Meister des Restaurants «Adelboden» in Steinen bei Schwyz. Er gastiert übrigens am Dienstag, 7. Mai, am Genuss-Film-Festival in Zug … 

Giger: … genau der. Bei Wiget etwa denke ich: Wow, schon so lange im Geschäft und immer noch top! Ebenso Markus Gass, der schon ewig im «Adler» in Hurden kocht. 

zentralplus: Sie sehen, Köchinnen sind selten Vorbilder, Sie nannten vier Männer. Wo bleiben da die Frauen? 

Giger: Oh, Sie haben tatsächlich recht. Die kleine Tanja Grandits halte ich für eine grosse Persönlichkeit. Wir kennen einander gut. Ich habe auch vor ihrem Talent grossen Respekt. Sie macht den harten Job toll.

zentralplus: Ab wie vielen Punkten und Sternen wird dieser Knochenjob denn unmenschlich?

Giger: (lacht) Ich glaube, er ist nie unmenschlich. Aber ich habe auch noch nie auf Zwei- oder Drei-Sterne-Niveau gekocht. 

zentralplus: Aber Sie waren 2003 Köchin des Jahres. Da ist doch der Druck enorm!

Giger: Schon, aber da bist du plötzlich drin, das nimmt man gar nicht wahr. Man arbeitet einfach unendlich viel, die Tage am Herd sind lang. Aber unmenschlich? Nein, man will einfach genügen.

«Dass Spitzenköche sich das Leben nahmen, ist traurig.»

zentralplus: Nicht allen gelingt das: Immer wieder liest man von Spitzenköchen, die sich das Leben nehmen – etwa Friedrich Zemanek, Anthony Bourdain oder Benoit Violier. 

Giger: Das ist traurig, aber ich würde da nicht allein dem Beruf die Schuld geben. Es steckt sicherlich ein Mix von Gründen dahinter. Es gibt auch Köche, die arbeiten sechsmal in der Woche 12 bis 15 Stunden, und am Freitag gehen sie locker noch Sport machen – für die ist das okay. Und dann gibt es andere, die arbeiten nur neun Stunden, haben zwei Tage frei und finden das unendlich streng.

zentralplus: Als Koch darf man also kein Sensibelchen sein?

Giger: Ich will das nicht werten, aber es hat auch mit der Persönlichkeit zu tun, wie man damit umgeht. Ja, es hat Köche gegeben, die sich das Leben nahmen, weil der Druck zu gross war, weil sie einen Stern verloren oder mit noch mehr Punkten gerechnet haben.  

zentralplus: Ihr Gourmetrestaurant ist auch hochdekoriert mit 15 Gault-Millau-Punkten und einem Michelin-Stern. Was bereiten Sie sich am liebsten zu Hause zum Essen?

Giger: Ich koche wirklich ganz selten bei mir zu Hause und verpflege mich lieber kalt aus dem Kühlschrank. Ich habe immer Käse, Salami oder Mostbröckli zu Hause, ich liebe im Olivenöl eingelegte spanische Sardellen. 

Vreni Giger und ihr bestes Stück: mit Küchenchef Rony Zipfel  in der Küche des Zürcher Rigiblicks.

Vreni Giger und ihr bestes Stück: mit Küchenchef Rony Zipfel in der Küche des Zürcher «Rigiblicks».

(Bild: hae)

zentralplus: Was sollte man in Ihren Restaurants auf keinen Fall verpassen?

Giger: Unten im Bistro die zarten Kalbsbäckli. Und oben im Gourmetrestaurant sollten Sie das Dessert nicht verpassen: Wir haben nebst Küchenchef Rony Zipfel mit Tobias Züge einen tollen neuen Pâtissier. 

zentralplus: Welches sind Ihre Lieblingsrestaurants in Zug und Luzern? 

Giger: In Meggen das «Balm». Beat Stofer macht das toll, ich liebe beispielsweise seinen frischen Fisch aus dem See. In Zug bin ich gerne bei Stefan Meier im «Rathauskeller», aber im Zugerland kenne ich mich nicht so gut aus.

«Köchin Irma Dütsch hat einen Preis wirklich verdient.»

zentralplus: Was bedeutet Ihnen das Genuss-Film-Festival in Zug?

Giger: Ich darf das erste Mal hin, freue mich über die Auszeichnung von Irma Dütsch …

zentralplus: … eine heute 75-jährige Bauerntochter aus dem Greyerzerland, die 1994 und 2001 beste Köchin der Schweiz wurde …

Giger: … die einen Preis wirklich verdient. Sie war eine grosse Vorreiterin der Frauen in den Küchen. Als Silvia Manser Gastköchin war, habe ich das erste Mal vom Anlass gehört. Es ist toll, gibt es solche Anlässe, auch um Kontakte zu knüpfen. Da komme auch ich mal heraus aus meinen vier Wänden und der Komfortzone – auch wenn ich gerne hier in meinen Restaurants bin. 

Vreni Giger ist am Mittwoch, 8. Mai, an der Ladies Night zu Gast am Genuss-Film-Festival in Zug. zentralplus ist Medienpartner des Genuss-Film-Festivals.

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