10 Jahre «sic!»

Vom Schenken und vom Scheitern

Die drei Kuratorinnen des «sic!» arbeiten vor allem aus Leidenschaft für das Projekt. Laura Breitschmid, Nadine Wietlisbach, Eva-Maria Knüsel (v.l.) (Bild: zvg)

Für Passanten sind die Räume des «sic!» beinahe unsichtbar: Keine grossen Schaufenster, kein Schild «Ausstellungsraum». Was darin stattfindet, strahlt jedoch seit Jahren weit über die regionalen Grenzen hinaus. Trotzdem bleibt für die drei Kuratorinnen am Ende des Jahres finanziell nichts übrig.

Der Raum für Kunst «sic!» wird 10 Jahre alt und hat sich gemausert – zu einer etablierten Luzerner Institution für Künstler und Kunstkenner von nah und fern. An den Ausstellungsräumen des Projekts an der Sälistrasse und der Neustadtstrasse läuft man jedoch schnell mal vorbei, ohne sie zu bemerken, findet nicht gerade eine Vernissage statt. Doch ein Blick in den Raum für Kunst und hinter das Projekt lohnt sich. Besonders auch wegen seiner Organisatorinnen: Denn hinter dem sic! steckt keine teure Privat-Galerie, sondern vor allem Herzblut.

Nadine Wietlisbach leitet den Ausstellungsraum in Luzern seit 2007. Die 33-jährige Kuratorin hat das Projekt damals von ihren Vorgängerinnen übernommen. Laura Breitschmid und Eva-Maria Knüsel kamen in den darauffolgenden Jahren dazu. 2013 wurde auch räumlich ausgebaut, mit dem sic! Elephanthouse in der Neustadt.

«Hier wollen wir auch mal scheitern dürfen.»
Nadine Wietlisbach, Kuratorin sic!

Wietlisbach arbeitet hauptberuflich am Nidwaldner Museum als Kuratorin. Sie organisiert tagtäglich Ausstellungen, im Museum und im sic!. Wird das nicht langweilig? «Im Museum habe ich klare Rahmenbedingungen, im sic! ist es viel mehr ein Ausprobieren. Hier wollen wir auch mal scheitern dürfen. Hier haben wir zum Experimentieren unseren eigenen Raum geschaffen – real und im übertragenen Sinne.» Sie würden nie eine Galerie werden und das sei auch gut so, findet Wietlisbach.

Eher national statt regional

Das sic! ist in der Kunstzene schweizweit bekannt. «Wir werden auf nationaler Ebene sogar besser unterstützt als regional», erkärt die Kuratorin. Im Schnitt organisiert sie acht Ausstellungen pro Jahr. 2014 waren es sogar deren 20. Das Budget liegt mittlerweile bei 60’000 Franken im Jahr – diese kommen von privater Seite, Stiftungen und der öffentlichen Hand. «Wir hätten ja eigentlich gerne 100’000», so Wietlisbach. Dann würde nämlich auch etwas für die drei Leiterinnen des sic! herausspringen.

Als nächstes im sic!

Für die Ausstellung «comment, please», ab dem 22. März, werden sieben Kunstschaffende eingeladen, die sich in ihrer künstlerischen Praxis mit dem Kommentar als Idee beschäftigen: Was können zeitgenössische Kunstschaffende als Kommentar auf die Kunstgeschichte erarbeiten? Ist es das Ziel, einen Schritt weiter zu gehen oder das Bekannte auf das nicht ganz so Bekannte auszuleuchten?

Auf der Website steht zwar klar: «Wir arbeiten nicht-profitorientiert.» Doch was viele nicht wissen – sic! wird von den drei Organisatorinnen komplett ehrenamtlich geleitet. «Es ist unsere Leidenschaft, unser kulturelles Engagement.» Und ein bisschen sei es auch ein Geschenk an die Stadt und die Kunstschaffenden.

Falsche Vorstellungen

«Viele haben eine falsche Vorstellung davon, was es bedeutet, Ausstellungen zu organisieren.» Es gehe nicht nur darum Kunst auszuwählen und Texte dazu zu schreiben. «Eine Ausstellung ist wie ein Kuchen», so Wietlisbach. Das Geld aufzutreiben sei die Basis, dann komme das Organisatorische und die Logistik hinzu, die Kontakte zu den Künstlern, das Netzwerken. Und schlussendlich, die Kirsche oben auf dem Kuchen, das sei dann das Schreiben, das Schönste am Ganzen.

Was der Bauer nicht kennt…

Zeitlich, aber auch in der kuratorischen Ausrichtung hat das sic! seine eigene Form. «Wir haben eine sehr lange Vorlaufzeit», erklärt Wietlisbach. Andere Ausstellungsräume würden eher kurzfristig planen. «Man muss sich das bei uns vorstellen wie mit einem Komponisten, den man erstmal trifft, bevor er sich überhaupt an die Partitur setzt.» Und damit beginne die ganze Planung und Organisation gemeinsam mit den Künstlerinnen und Künstlern erst.

«Wir haben ein grosses Interesse an Künstlern, die installativ und mit bewegten Bildern arbeiten, aber auch an einer Auseinandersetzung mit Kritik – also einer Dekonstruktion statt einer Konstruktion.» Kunst sei vor allem ein gutes Mittel um die Wirklichkeit zu verhandeln und die Menschen zu Diskussionen über die Realität anzuregen.

«Das Projekt ist unser Baby.»
Nadine Wietlisbach, Kuratorin sic!

Aber auch internationale Künstler holt das sic! in seine Räumlichkeiten. «Im letzten Sommer hatten wir beispielsweise einen englischen Performancekünstler zu Gast, welcher derzeit in der Kunstszene sehr relevant ist», so Wietlisbach. Die grösste Herausforderung bei solchen Projekten sei es dann, die Leute aus der Region für einen Besuch von Ausstellungen zu begeistern, bei welchen sie die Künstler nicht kennen. «Das kann auch frustrierend sein», so Wietlisbach. «Denn was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht.»

Daher versuche das Team auch immer die Balance zu halten, zwischen etablierten und jungen, internationalen und nationalen Künstlerinnen und solchen aus der Region. «Es ist ein Spagat zwischen lokalen Bedürfnissen und globalen Ambitionen», so die Kuratorin.

Nach so vielen Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit – setzt man sich da eine Frist, wie lange man das noch in derselben Form und mit denselben Bedingungen machen kann und will? Eigentlich nicht, meint Wietlisbach. «Das Projekt ist unser Baby und wir werden es weiterführen, solange uns die Ideen und die Zeit dafür nicht ausgehen – und danach sieht es nicht aus», lacht sie.

 

Eindrücke aus dem sic! finden Sie hier in der Slideshow:

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