MOAT: Künstler öffnen ihre Ateliers in Meggen

Visuelle Orgien beim Atelier-Hopping

Jenny Kälin erklärt ihre Technik, Palmenhaare, Rost und Teer ergänzen sich zu intensiven Hinguckern.

(Bild: Susanna Stalder)

Zu Fuss, mit dem Velo, mit einem Oldie-Postauto, der Pferdekutsche oder VBL: Drei Touren führen derzeit in Meggen von Atelier zu Atelier, wo Künstler darauf warten, sich mit Kulturinteressierten über ihre Kunstwerke zu unterhalten. Man wolle auch animieren, selber kreativ zu werden, sagt eine der Initiantinnen von MOAT. zentralplus besuchte heute stellvertretend für alle 21 vier Megger Maler und Malerinnen.

Kreuz und quer führen die Routen durchs Dorf. Die Kreuzbuchstrasse rauf, die Lerchenbühl- und Seestrasse runter, die Hauptstrasse entlang vom Lerchenbühl bis nach Gottlieben, bei diesem Wetter gut mit einem Abstecher in den See kombinierbar.

Dass Meggen mehr als nur Villen und einen hohen Kirchturm (manchmal mit Storch) zu bieten hat, zeigt die MOAT (Meggen offene Atelier-Tour), die von den beiden Künstlerinnen Bettina Tilton und Lucy Heskett-Brem ins Leben gerufen wurde. Letztes Jahr pilgerten fast tausend Gäste in die Ateliers.

«Aus der Mitte gerissen»

Im Dorfzentrum lassen sich drei Orte kombinieren, bei der Bushaltestelle Kapelle. Claudia Limacher stellt ihre lichtdurchfluteten Gemälde an der Hauptstrasse 45 aus. Die von der Natur inspirierten Bilder entstehen aus einer Mischtechnik. «Ich benutze als Grund gewöhnlich Acryl, darüber Kreide, Öl oder Sprühfarbe», erklärt die Meggerin, die ihre Leidenschaft 2014 in einem Ferienressort entdeckte und seither sukzessive weiterentwickelte.

Claudia Limacher demonstriert ihre Malkunst auf kunstvollen Schals.

Claudia Limacher demonstriert ihre Malkunst auf kunstvollen Schals.

Da sie in ihrem Atelier mit anderen Leuten zusammenwirke, konnte sie nicht dort ausstellen. Sie lacht: «Klar, das Chaos in meinem Atelier wäre viel malerischer gewesen.» Im unteren Stock der Praxis hängt ein farbenfrohes Blütengemälde. Die Frage, wie dies entstanden sei, beantwortet sie traurig: «Wer will schon wissen, welche Gefühle ich beim Malen habe? Zählt das denn?» Vor kurzem sei ihre Hündin Stella gestorben. «Sie ist da, mittendrin.» Es heisst Fleeting Moments. Viele Momente habe sie mit ihrer Hündin in der Natur verbracht, in diesem Bild habe sie die Trauer über deren Verlust verarbeitet, die zu plötzlich aus ihrer Mitte gerissen worden sei.

«Dieses wollte mal jemand in Rot. So etwas will ich nicht, die Bilder entstehen in einem langsamen Prozess. Das geht doch nicht!»

Jenny Kälin, Megger Künstlerin

Wer gut hinschaut, sieht, wie die Hündin zurück zu den Sternen fliegt. Ein paar Schritte über die Strasse, im Foyer des Gemeindezentrums, stellen fensterseitig Yves Scherer und treppenseitig Jenny Kälin aus.

Mit Teer und Rost experimentieren

Auf ihre Maltechnik angesprochen, zeigt Jenny Kälin auf eines ihrer Gemälde: «Hier ist das Haar einer Palme unseres Gartens in Spanien eingeflochten.» Und zeigt auf ein Bild in Erd- und Blautönen: «Dieses wollte mal jemand in Rot. So etwas will ich nicht, die Bilder entstehen in einem langsamen Prozess. Das geht doch nicht!» Mit Küste, Meer, Sand, Himmel assoziiert man ihre ausdrucksvollen Bilder. Ja, das sei ein schöner Gedanke. Denn die Natur inspiriere sie, deshalb vielleicht die erdigen, blauen Farben, schon als Kind habe sie ihre Ferien an der spanischen Küste verbracht. Erinnerungen, Momente, die sich in kräftigen Bildern niederschlagen.

Jenny Kälin erklärt einem Gast, wie man zum nächsten Atelier kommt.

Jenny Kälin erklärt einem Gast, wie man zum nächsten Atelier kommt.

(Bild: Susanna Stalder)

Yves Scherer ist Grafiker, in seinen Werken lebe er seine kreative Seite aus. Geduldig erklärt er, wie die Scherenschnitte entstehen, wozu er keine Schere, sondern ein Skalpellmesser einsetze. «Sie entstanden anlässlich eines Auftrags für die Stiftung Natur und Wirtschaft, welche naturnahe Arealgestaltung auszeichnet.» Dafür recherchiere er im Internet vorgängig die genaue Beschaffenheit der Tiere und Pflanzen. Auf seiner Seite der Ausstellung hängen wild durcheinander an Wäscheleinen Aktmodelle, Zeichnungen, wovon ein pittoresker Hügel mit filigranen Details («Das ist in Sizilien») ins Auge fällt, oder eine Zeichnung des Blutkreislaufes, die wie ein besonderes Tattoo wirkt.

An Wäscheleinen hängen wild durcheinandergewürfelt Yves Scherers Zeichnungen und Grafiken.

An Wäscheleinen hängen wild durcheinandergewürfelt Yves Scherers Zeichnungen und Grafiken.

(Bild: Susanna Stalder)

Augenfällige Herablassung

Der VBL-Bus bringt einen im 15-Minuten-Takt zwei Stationen weiter zum Hotel Kreuz, wo der illustre Wolfgang Beltracchi residiert wie ein König, bekannt durch seine Fälschungskünste und seine herablassende Art (zentralplus berichtete). Schon am Eingang steht: «Nichts berühren!» Das Atelier ist gut besucht. Dem Eintretenden offenbart sich der prächtige Kreuzsaal als visuelle Orgie. Die Assistentin des Malers stoppt mich: «Nein, Fotografieren ist verboten.» Und der Maestro himself segnet schliesslich doch ein oder zwei Fotos gnädig ab, unter anderem mit herablassenden Worten: «Das ist unscharf.»

Beltracchi inszeniert sich gekonnt, jedoch auch unnötig hochnäsig. Bücher türmen sich auf, Broschüren, Einladungen machen klar: «Ich bin ein Profi und kein Amateur», was beim Anblick der exponierten Werke augenfällig ist. Er doziert für sein gebannt lauschendes Publikum. Ein intellektueller Wasserfall: viel Blablabla. Eine brennende, fackelgleiche Frau scheint über einem Meer von teilnahmslosen Gesichtern und aufblinkenden Hakenkreuzen zu fliegen, das Kunstwerk dominiert den Raum, daneben eine mit Metallbolzen gespickte Frauenholzskulptur, abschreckend, anziehend zugleich.

Im Atelier von Beltracchi fühlt man sich zwischen beklemmt und fasziniert.

Im Atelier von Beltracchi fühlt man sich zwischen beklemmt und fasziniert.

(Bild: Susanna Stalder)

 

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