An traumhafter Lage über der Stadt Luzern thront die baufällige Villa Auf Musegg. Eine Gruppe kulturaffiner Menschen darf sie umnutzen – doch dem Quartierverein fällt der Abschied schwer.
Was man in den Händen hat, kann man schwer wieder loslassen. Diese Kinderweisheit erklärt, was in der historischen Villa Auf Musegg 1 zurzeit passiert. Die Stadt Luzern hat entschieden, wer das begehrte Schlösschen erhält. Doch der Quartierverein hat bereits viel Herzblut hineingesteckt – und das Abgeben fällt ihm schwer.
Dies wird am Mittwochabend klar, als der Luzerner Architekt Harry van der Meijs und seine Mitstreiter zu einem Orientierungsabend in das Haus am Fuss der Museggmauer laden. Eigentlich wollte die Stadt das städtische Gebäude selbst sanieren, das Parlament allerdings forderte eine öffentliche Ausschreibung zur Nutzung im Baurecht. Im August erteilte sie unter vier Bewerbern den Zuschlag (zentralplus berichtete).
Harry van der Meijs – bereits aktiv bei der Teiggi in Kriens und beim Neubad – gewann, gemeinsam mit einer Gruppe von Mitstreitern. Darunter sind der Restaurator Martin Hüppi, Zwischennutzungsexpertin Francesca Blachnik, Architekt Eric Honegger und Michael Sutter, ehemals Kurator der Kunsthalle Luzern. Gemeinsam wollen sie aus der Villa und Remise – einem Wirtschaftsgebäude auf dem Grundstück – einen Ort für Künstler machen.
Das ist in der Villa Musegg geplant
Vor rund 80 Anwesenden stellte die Gruppe am Mittwoch ihr Konzept vor. Geplant sei eine Doppelnutzung, einerseits feste Mieterinnen, andererseits Künstlerresidenzen für internationale Kunstschaffende, so van der Meijs. Im Erdgeschoss entstehen ein Essraum und ein Salon, im ersten Obergeschoss und im Dachgeschoss je drei Ateliers zum Wohnen.
Vieles sei offen, nur so viel klar: Eine GmbH soll das Haus verwalten, ein Verein die Künstlerresidenzen organisieren. Das Baurecht gilt für 80 Jahre, der Baurechtsvertrag liegt aktuell bei der Stadt zum Unterzeichnen. Im Februar muss noch das Parlament zustimmen. Was die Gruppe für das Recht zahlt, will sie nicht sagen. Was sie investiert, jedoch schon: «Aktuell rechnen wir mit 3,3 Millionen Franken Investitionen für Umbau und Sanierung», sagt van der Meijs. Das städtische Sanierungsprojekt hätte mehr als doppelt so viel gekostet.
Erst wird das Dach abgedichtet und die Remise wegen Schimmel saniert. Später kommen die Einbauten aus den 60er-Jahren und Linoleumböden raus. Die Sanierung soll «sanft» verlaufen und viel alte Substanz erhalten. Die Gruppe plant, die 1867 im Stil eines französischen Landschlösschens erbaute Villa unter Denkmalschutz zu stellen.
Villa Musegg soll der Öffentlichkeit erhalten bleiben
Noch befinden sich im Haus Künstlerinnen, die Räume von der Stadt mieten. Sie sollten so lange bleiben wie möglich, betont van der Meijs. Auch wenn die Stadt im kommenden Jahr den Park vor der Villa teils sperren muss, um die Anlage zu sanieren. Die Grünflächen rund um das Haus bleiben im Besitz der Stadt (zentralplus berichtete).
Der Architekt erklärt: «Andere schöne Objekte in der Altstadt sind privat. Das ist nicht schön. Deswegen entstand die Idee einer Künstlerresidenz.» Das Erdgeschoss mit Salon bleibe halböffentlich, dort und im Park sollten Künstler und Besucherinnen in Kontakt kommen. An Ausstellungen, Lesungen oder Anlässen – und an der beliebten Buvette, die es schon heute gibt und auch künftig geben soll.
Die Gruppe möchte im Sommer 2025 ein Bauprojekt eingeben und 2026 bauen.
Nach Vorstellung der Pläne durften Fragen gestellt werden – und die Stimmung heizte sich auf. In der Remise plant die Gruppe neben einem öffentlichen WC und einem Atelier auch eine Werkstatt für die «Elektrifizierung» von Oldtimern sowie Töffs und Velos. «Das ist ein No-Go», fand eine Dame. Wo sollen die Autos entlangfahren, etwa durchs Quartier?
Quartierbewohner nutzen den Ort – und wollen das weiterhin
Die Gäste am Mittwochabend leben in der Altstadt rund um die Villa oder sind mit dem Ort verbunden. Sie tragen teure Kleidung, scheinen offen für Kultur, sind älter und augenscheinlich nicht zufrieden mit der Situation. Denn: Der Quartierverein Luegisland erhielt vergangenen Herbst die Villa als Zwischennutzung von der Stadt – solange die Baurechtsverhandlungen laufen.
Gisela Meisen, Co-Präsidentin des Quartiervereins, erzählte: Erst hätte der Verein die Räume gestrichen und mit antiken Möbeln von der Onlineplattform Tutti oder aus Brockenhäusern ausgestattet. Dann wurden Events geplant. «In den ersten sechs Monaten hatten wir 300 Veranstaltungen», sagte Meisen sichtlich stolz. Dreimal die Woche Konzerte, dazu Retreats, Lesungen, Workshops und Ausstellungen.
Doch Ende 2024 wird die Abmachung mit der Stadt auslaufen. Dabei wären die Auftragsbücher auch fürs kommende Jahr prall gefüllt, sagte die Co-Präsidentin. Für die Bewohner des Quartiers war das Ende dieses Kapitels augenscheinlich schwer zu ertragen.
«Hier gab es in den letzten Monaten so viele Begegnungen. Es wäre toll, wenn es so bleibt», sagt jemand in der Fragerunde. Lauter Applaus brandete auf. «Ich finde die Villa als Quartiertreffpunkt ganz wichtig», pflichtete eine andere Person bei. Gemurmel. Warum der Quartierverein die Villa nicht selbst übernommen habe, fragte jemand.
Villa Musegg wird ein Wohnhaus
Mehrere Personen drängten Harry van der Meijs, dem Quartierverein auch zukünftig Räume im Erdgeschoss zur Verfügung zu stellen. Man könne sich mit den Künstlern, die in der Villa leben würden, «gegenseitig befruchten», schlug jemand vor. Der Architekt blieb diplomatisch, betonte die halböffentliche Nutzung des Erdgeschosses, sagte aber auch: «Die Villa wird ein Wohnhaus werden.»
Kurze Zeit später endete der Vortrag, und überall im Raum keimten Debatten auf. Schlecht sei das Konzept nicht, aber wirklich gut auch nicht, so lautete der Tenor. Harry van der Meijs wirkte erschöpft und lief in den Salon mit Bar. Wie er die Stimmung wahrgenommen habe? Er lächelte. «Es muss sich reiben. Aber wir haben den Zuschlag erhalten.»