Von Luzern via Disco nach Stans

Stanser Musiktage: Tanzen, bis der Zug brennt

Der Mainfloor im Extrazug von Luzern nach Stans hatte alles, was eine Disco haben muss – und das gewisse Etwas obendrauf. (Bild: Geena Gasser)

Die Stanser Musiktage gehen am Sonntagabend zu Ende. Am Vortag sorgte ein brandneues Partyformat im Extrazug von Luzern nach Stans für ausgelassene Stimmung.

Extrazüge haben es oft in sich: Manchmal fahren sie mit lauten Fussballfans in die Bahnhöfe ein. Und manchmal werden sie zu rollenden Discos umfunktioniert, wie etwa am Samstagabend. Am Gleis 15 des Bahnhofs Luzern weist zunächst wenig darauf hin, dass hier bald ein kulturelles Novum über die Gleise gehen soll. In Zusammenarbeit mit dem Neubad und dem Verein «ZB Historic» präsentieren die Stanser Musiktage eine Disco im Zug. Das Projekt läuft unter dem Namen «118 Minuten On Track» (zentralplus berichtete).

Nach ein paar Minuten des Wartens fährt er ein: Ein Zug, bestehend aus längst ausrangierten Wagons, verleiht dem Perron einen Hauch von Nostalgie. Mit der Einfahrt des Zugs wächst auch die Warteschlange beim Check-in. Mitfahren kann nur, wer sich im Vorverkauf eines der 100 Tickets gesichert hat. Sie waren bereits eine Woche vor der Veranstaltung ausverkauft. Nervosität liegt in der Luft. Bier, Prosecco und «Turbo Mate» sind die Gegenmittel, die in die alten Wagons mitgenommen werden. Omnipräsent ist das Wort «gspannt».

Die Tanzfläche bebt

Um 19:18 Uhr geht ein Ruckeln durch den Zug. Die DJs des queer-feministischen «Midnight Snack Collective» ersparen den Tanzwütigen den sanften Übergang von den monotonen Durchsagen der Bahnhofslautsprecher zu sanften Einwärm-Sounds. Ihr Mix aus Funk, Afrobeats, Dancehall und Disco geht direkt in die Beine. Fünf Minuten später bebt der Zug – im wahrsten Sinne des Wortes. Die 100 Tanzenden sorgen für ein Auf und Ab des Bodens im Rhythmus der Musik.

Es geht heiss zu und her im Zug, weil sich die Gäste während 144 Minuten regelrecht die Seele aus dem Leib tanzen. Wie beim Original der Veranstaltung, der basslastigen Party unter dem Namen «118 Minuten On Fire» im Untergeschoss des Neubads. Ein Glück, dass diese Partys die Messgeräte der Erdbebeninstitute noch nicht zum Ausschlagen brachten. Denn der Standort des Neubads liegt im Erdbeben-Risikogebiet – wie auch die Feuerwehrwache der Stadt Luzern (zentralplus berichtete). Wie dem auch sei: Schon nach 18 Minuten heizen die DJs in einer kleinen Zugkabine dem Publikum dermassen ein, dass sich ein dezenter Schweissgeruch breitmacht. Wer mit Pullover eingestiegen ist, legt ihn ab.

Einmal nach Sachseln und zurück

Die Fahrt durch idyllische Landschaften mit Aussicht auf Seen und Berge steht im harten Kontrast zur urbanen Musik, die im Zug Richtung Stanser Musiktage aus den Boxen dröhnt. Ein paar Nidwaldnerinnen sind an ihrem Dialekt zu erkennen, ein paar Luzerner Politiker an den vom Wahlkampf bekannten Konterfeis. Die Stimmung erreicht vor allem in den Tunneln euphorische Ausmasse. Gleichzeitig sehnen einige die angekündigte Rauchpause herbei. Nach einem überraschenden Umweg über Sachseln und wieder zurück darf dem Nikotin in Hergiswil ein erstes Mal gefrönt werden.

«Das Format ist absolut legendär», schwärmt ein Luzerner. Eine andere Zugfahrerin freut sich schon vor der Ankunft in Stans auf die nächsten Stanser Musiktage und die nächste Disco im Zug. Sie kennt die Party vom Neubad-Klub und ist begeistert von der Spezialausgabe in der Zentralbahn. «Der Zug sollte auch auf dem Rückweg nach Luzern wieder am Gleis in Stans parat stehen», findet sie.

Das Beste zum Anfang

Diesem Wunsch kommen die Veranstalter zumindest dieses Jahr nicht nach. Der Entscheid dürfte auch sicherheitstechnisch begründet sein. «Die Türen der alten Wagen können während der Fahrt manuell geöffnet werden», weiss eine Mitarbeiterin der Zentralbahn – und postiert sich beim Weiterfahren nach der Rauchpause vor einer der Türen.

Doch auch ohne die Rückfahrt mit Disco hinterlässt das Format «118 Minuten On Track» einen bleibenden, positiven Eindruck. Auch wenn sich der Alkoholkonsum in Stans auf das Erinnerungsvermögen einiger Partygängerinnen auswirken dürfte, werden zumindest die 144 Minuten in den alten Zugwagons noch lange in den Gehirnwindungen der Tanzwütigen weiterschwingen. Im Rhythmus der treibenden Beats, die den Ausnahmezustand auf den Gleisen zwischen Luzern und Stans zu verantworten haben. Ganz nach dem Motto: «das Beste zum Anfang.»

Verwendete Quellen
  • Zugfahrt von Luzern nach Stans
  • Gespräche mit Zugfahrenden von Luzern nach Stans
  • Website der Stanser Musiktage
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