Filmstudio und internationale Preisverleihungen

So soll Luzern zur internationalen Filmstadt werden

Bilden zusammen die Film Commission Lucerne & Central Switzerland: Lili Kaelin (links), Niklaus Zeier (Mitte) und Gabie Burkhard (rechts). (Bild: Dany Schulthess)

Im internationalen Filmgeschäft spielt die Schweiz als Drehort nur eine kleine Nebenrolle. Eine Luzerner Kommission will nun insbesondere die Zentralschweiz vermehrt ins Rampenlicht rücken – und hat Grosses vor.

Eine rasante Verfolgungsjagd über die Seebrücke mit Kapellbrücke und Wasserturm im Hintergrund. Ein Kletterabenteuer in schwindelerregender Höhe an den Wänden des Pilatus. Oder doch lieber ein intimes Drama vor malerischer Kulisse der Luzerner Altstadt? Möglich wäre alles. Schauplätze gibt es in der Leuchtenstadt genug, um sie für diverse Filmproduktionen zu nutzen.

Nur wird das selten gemacht.

Wenn die Stadt Luzern – oder die Schweiz generell – in internationalen Filmen auftaucht, wird sie oft gedoubelt. Für den Agenten-Thriller «Die Bourne-Identität» drehte man beispielsweise Szenen, die im Film in Zürich spielen, in Prag. Gore Verbinskis Horrorfilm «A Cure for Wellness», der in einem abgelegenen Sanatorium in den Bündner Alpen angesiedelt ist, wurde fast vollständig in Deutschland realisiert. Jüngstes Beispiel dürfte die Disney+-Serie «Welcome to Chippendales» sein. Das in der finalen Episode gezeigte Luzern ist für Einheimische nicht zu erkennen. Kein Wunder, als Drehort nutzte die Crew unter anderem den österreichischen Kurort Bad Ischl.

So präsentiert die Serie «Welcome to Chippendales» die Leuchtenstadt. (Bild: Screenshot Disney+)

Das soll sich ändern. Die Film Commission Lucerne & Central Switzerland mit Sitz in Luzern kümmert sich seit 2010 darum, die Zentralschweiz für Film- und TV-Produktionen schmackhaft zu machen. Ihr Hauptziel ist es unter anderem, internationale und nationale Film-Crews nicht nur in die Zentralschweiz zu holen, sondern vor allem vor Ort zu unterstützen und zu betreuen.

Beispielsweise durch die Suche nach Drehorten oder dem Einholen von Bewilligungen. Ebenfalls will sie lokale Talente fördern und regionale Filmfachkräfte als Crew-Mitglieder den Produktionen vermitteln. Sie arbeitet mit verschiedenen Partnern wie Tourismusbüros oder der Hochschule Luzern zusammen. Mit den Film Commissions der Kantone Tessin, Wallis und Zürich und weiteren wirtschaftlich orientierten Filmorganisationen bildet sie einen nationalen Verband mit einem einheitlichen Ziel: Die Schweiz als Drehplatz international zu positionieren und damit Wertschöpfung für die Wirtschaft und gutes Image für das ganze Land zu schaffen.

«Der Schweiz fehlt grundsätzlich das Geld und das Verständnis, Filmarbeit als Wirtschaftsimpuls zu verstehen.»

Niklaus Zeier, Film Commission Lucerne & Central Switzerland

Hinter der Film Commission Lucerne & Central Switzerland stehen Niklaus Zeier, früherer Kommunikationschef der Stadt Luzern und ehemaliger Präsident des Comicfestivals Fumetto, sowie die langjährige TV-Aufnahmeleiterin Lili Kaelin und Gabie Burkhard, die im vergangenen Juli die Leitung der Geschäftsstelle übernommen hat. Zusammen teilen sie sich ein Stellenpensum von 180 Prozent.

Es liegt am Geld und am Verständnis

Dass die Schweiz in ausländischen Filmen oft gedoubelt wird, hat nebst logistischen vor allem finanzielle Gründe. In vielen anderen Ländern erhalten Filmproduktionen für ihre Ausgaben nämlich Vergütungen in der Form von Rabatten oder Steuerrückzahlungen. «Der Schweiz fehlt grundsätzlich das Geld und das Verständnis, Filmarbeit als Wirtschaftsimpuls zu verstehen», sagt Niklaus Zeier gegenüber zentralplus. Besonders stark in diesem Bereich ist Kanada, das für Produktionen so reizvoll geworden ist, dass sogar US-Filme jenseits der nördlichen Grenze drehen, weil es günstiger ist. «Da ist die Schweiz noch lange nicht so weit.» Darum arbeitet der Verband daran, auf politischem Weg die notwendigen Finanzen vom Bund zu erhalten.

Auch muss die Film Commission Lucerne & Central Switzerland viel Aufklärungsarbeit leisten: nicht nur bei der Politik und in den öffentlichen Verwaltungen, sondern auch in Wirtschaftskreisen und in der Bevölkerung. Denn vielen Menschen sei nicht bewusst, was alles zu einer Filmproduktion gehöre, wie intensiv dafür gearbeitet werde und welche Chancen, zum Beispiel für die Wirtschaft, damit verbunden seien. Aber Zeier ist sich sicher: Dank ihres Netzwerks entstehe langsam mehr Verständnis und Unterstützung.

Film ist Wertschöpfung

Denn nebst dem kulturellen Aspekt ist es vor allem auch der Bezug zur Wirtschaft, der für die Zentralschweiz als Filmdrehort relevant ist. «Wenn eine Filmproduktion in die Zentralschweiz kommt, arbeitet vorübergehend eine KMU im Gebiet», sagt Niklaus Zeier. Ende Sommer 2022 drehte eine italienisch-schweizerische Produktion für rund fünf Tage auf dem Vierwaldstättersee. Cast und Crew bestanden aus rund 100 Personen, die vorübergehend in Luzern lebten, arbeiteten und sich verpflegten. In dieser kurzen Zeit investierte die Produktion rund 350'000 Franken. Hinzu kamen aus der Region angestellte Filmtalente, die das Team vor Ort unterstützten.

«Wir haben in der Zentralschweiz eine Vielzahl an hervorragenden Locations zu bieten, die auch für internationale Filmprojekte interessant sind.»

Niklaus Zeier, Film Commission Lucerne & Central Switzerland

«Dass Filmproduktionen wirtschaftlich lukrativ sind, ist international längst erwiesen», sagt Niklaus Zeier und nennt ein Beispiel. So habe die Ticino Film Commission in den Jahren 2018 bis 2021 rund 400'000 Franken investiert – und daraus eine Wertschöpfung von rund 13 Millionen Franken generiert.

Villa in Meggen ist beliebter Drehort

Derzeit geht die Film Commission verschiedenen Projekten nach, um die Zentralschweiz für nationale und internationale Produktionen noch interessanter zu machen. Eines der besten Verkaufsargumente: «Wir haben in der Zentralschweiz eine Vielzahl an hervorragenden Locations zu bieten, die auch für internationale Filmprojekte interessant sind», sagt Zeier und nennt als Beispiel die St. Charles Hall in Meggen, die jüngst als Drehort für die Serie «Der Scheich» und den historischen Kinofilm «Sisi & Ich» genutzt wurde. Letzterer feiert Ende Monat nationale Premiere in Luzern.

Produktionshalle in der Viscosistadt

Ein zusätzliches Projekt, an dem die Film Commission mit weiteren Partnern derzeit arbeitet, ist eine Produktionshalle in der Viscosi-Stadt in Emmenbrücke. Hier sollen Filmschaffende beispielsweise Sets aufbauen können – eine gute Ergänzung zu lokalen Aussendrehs.

Zeier ist sich aber bewusst, dass die Halle multifunktional nutzbar sein müsse. Allein durch Filmproduktionen wäre sie wohl nicht kostendeckend. «Wir stellen uns eine Art Salle modulable vor, in der nebst Filmdrehs auch Events oder Versammlungen abgehalten werden können.» Derzeit überarbeitet die Film Commission das Konzept und sucht nach Investoren für das Grossprojekt.

Internationale Award-Verleihung in Luzern

Prestige-trächtig sind auch die European Film Awards, die wichtigste europäische Preisverleihung, die seit 1988 alle zwei Jahre in Berlin abgehalten wird. Die Zwischenjahre nutzt die European Film Academy, um in anderen europäischen Städten zu gastieren. 2024 findet der Anlass zum ersten Mal in der Schweiz, im KKL Luzern, statt – wo bis 2013 mehrere Jahre lang der Schweizer Filmpreis verliehen wurde. Die Film Commission wird die Preisverleihung im Auftrag von Stadt und Kanton Luzern und in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Kultur, der SRG und als Partnerin der European Film Academy organisieren. Die Film Commission hat wesentlichen Anteil daran, dass der Event in Luzern stattfinden wird.

Hoffnungen in die Auszeichnung setzt auch der Luzerner Stadtpräsident Beat Züsli: «Wir erhoffen uns einen zusätzlichen Motivations- und Innovationsschub für die Kultur- und Filmwirtschaft in der ganzen Zentralschweiz», sagte er in einer offiziellen Medienmitteilung.

Bond-Festival und die Schweiz

Die Film Commission will auch Filmbegeisterten und Touristinnen Drehorte von berühmten Filmen näherbringen. Eine konkrete Idee rankt sich um die Kultfigur James Bond. «Wir denken an ein Goldfinger-Festival in Andermatt», so Zeier. Der 1964 erschienene Bondfilm «Goldfinger» gilt unter Fans als einer der besten der Reihe. Szenen des Films wurden auf dem Furkapass und in Andermatt gedreht. Eine andere auf dem Areal der Flugzeugwerke in Stans.

Die Tankstelle in Andermatt wirbt bis heute damit, Drehort für den Film «Goldfinger» gewesen zu sein. (Bild: cbu)

Obwohl der Film bald 60 Jahre auf dem Buckel hat, ist die Faszination nach wie vor ungebrochen. Ein Luzerner Fahrlehrer beispielsweise fährt heute noch mit Bonds-Autonummer aus dem Film umher (zentralplus berichtete). Wie langfristig lukrativ eine solche Produktion sein kann, beweist das Schilthorn Gipfel-Restaurant Piz Gloria im Berner Oberland.

Dieses zehrt selbst Jahrzehnte nach den Dreharbeiten im Jahr 1969 zum Bondfilm «Im Geheimdienst Ihrer Majestät» von dessen Strahlkraft. Bis heute betreibt das Restaurant ein entsprechendes Museum und bietet seinen Gäste gar «James Bond Packages» an. Gemäss der Film Commission kämen rund 80 Prozent aller Gäste des Films wegen auf den Berg.

Finanzierung hat Vorrang

Im Vordergrund steht für die Film Commission Lucerne & Central Switzerland derzeit aber die Finanzierung. Jüngst wurde ihr von den Zentralschweizer Kantonen – mit Ausnahme von Zug – eine jährliche Unterstützung von 200'000 Franken bis 2025 zugesichert. Dies durch die «Neue Regionalpolitik» (NRP), ein Instrument des Bundes und der Kantone, das Projekte fördert, welche die Wertschöpfung steigern sollen.

Um auch über das Jahr 2025 hinaus zu bestehen, sucht die Film Commission derzeit zusätzlich zu den bestehenden Finanzgeberinnen wie etwa der Stadt Luzern und touristischen Kreisen nach privaten Investoren, um die Zentralschweiz künftig noch stärker ins Rampenlicht stellen zu können «und damit mehr Wertschöpfung für die ganze Region zu erreichen.»

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Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Niklaus Zeier
  • Medienmitteilung BAK zu den European Film Awards
  • Website «Film Commission Lucerne & Central Switzerland»
  • Artikel im «20 Minuten»
  • Medienmitteilung der Stadt Luzern
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 19.03.2023, 12:16 Uhr

    Die Organisation „Film Location Luzern“ wurde seinerzeit kurz vor dem ersten Luzerner „Tatort“ von Niklaus Zeier und Urban Frye aus dem Boden gestampft, um Geldflüsse von allen Seiten zu generieren. Man hielt die Hand offen bei den Tourismusverbänden, bei der ARD, der SRG, den Hotels, welche die Crews beherbergten, den Geschäften, die zu sehen waren usw. Man führte zusammen. Am krampfhaften Versuch, alle Zahlenden zufriedenzustellen, jegliches schöne Wetter, jede malerische Ecke und jeden touristischen Hotspot zu platzieren, scheiterten neben anderen Gründen die Luzerner „Tatorte“. Als das Geschäftsmodell in schwierigeres Gelände geriet, verkrachten sich die beiden Herren, und das Label verblieb einstweilen bei Zeier und der Stadt. Der ausgebotete Frye verkündete öffentlich, dass er jetzt ins städtische Parlament müsse, um „mit den Sauereien in der Stadtverwaltung“ aufzuräumen. So geschah es auf der Liste der Grünen, und mittlerweile ist der Parlamentarier Frye seinen Weg gegangen, und der Geschäftsmann hat die bekannten neuen Geschäftsfelder entdeckt.
    Schön, dass sein ehemaliger Compagnon Zeier jetzt, nach der Pensionierung, zurück findet zur Filmkunst. Es wäre ihm zu gönnen, wenn er diesmal pflegeleichtere Partner um sich hätte.

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      Hanswurst, 19.03.2023, 19:06 Uhr

      Interessante Hintergrundsmusik.

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    • Profilfoto von Gruesse vom Einhorn Schlachthaus
      Gruesse vom Einhorn Schlachthaus, 20.03.2023, 12:49 Uhr

      Sir Peter Bitterli. Herzlichen Dank für diese feuilletonhafte Analyse!

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      • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
        Marie-Françoise Arouet, 20.03.2023, 19:12 Uhr

        Danke. bitte. Alles muss man selber machen.

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