Sie beleben ein totes Festival nach 30 Jahren wieder
Annemarie Hofstetter und Carla Wildisen sind OK-Mitglieder des Openair Eschenbach. (Bild: zvg)
Obschons in der Kulturbranche kriselt, feiert das Openair Eschenbach diesen Sommer sein Comeback. zentralplus hat zwei Organisatorinnen des Festivals gefragt, welche Risiken dieses Unterfangen birgt.
Nicht erst seit der Corona-Pandemie grassiert das Festivalsterben auch in der Zentralschweiz. Ob das Zuger Rock The Docks jemals wieder stattfinden wird, ist unklar. Das Krienser B-Sides schlitterte knapp am Aus vorbei (zentralplus berichtete). Und jüngst wurden dem Festival Sörenberg die vielen Schulden zum Verhängnis (zentralplus berichtete).
Nichtsdestotrotz wagen sich Kulturveranstalter immer wieder an neue Projekte heran. So auch die Macher des Openair Eschenbach. Das Festival geht bis auf das Jahr 1988 zurück, fand aber 1997 zum letzten Mal statt. Nun wird es wiederbelebt. Annemarie Hofstetter und Carla Wildisen vom Verein Master Music, der in der Region Kulturveranstaltungen organisiert, erzählen, weshalb sie das Comeback wagen.
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zentralplus: Zum Jubiläum eures Vereins Master Music belebt ihr das Openair Eschenbach wieder – 30 Jahre nach der letzten Ausgabe. Wie reagierten die damaligen Veranstalter, als ihr ihnen eure Pläne vorstelltet?
Annemarie Hofstetter: Die Herren haben sich wahnsinnig gefreut und holten sofort Ordner mit Fotos und alte Plakate aus dem Keller hoch. Wir merkten schnell, wie stark ihre emotionale Bindung zum Openair heute noch ist.
zentralplus: Wie war das Feedback sonst?
Hofstetter: Diese Reaktion zog sich durchs Band durch. Bevölkerung, Gemeinde, Nachbarn, die Bauern, die ums Festivalgelände herum ihre Höfe haben und auch das Gewerbe reagierten ausnahmslos positiv.
zentralplus: Was bedeutet die Rückkehr des Openair Eschenbach für die Kulturszene im Luzerner Seetal?
Hofstetter: Es gibt in der Innerschweiz kein vergleichbares Openair. Die Vorfreude in der Region ist darum riesig.
zentralplus: Wie gut gehts denn der Kultur auf dem Land?
Hofstetter: Wir haben im Seetal mehrere Vereine, die das Kulturleben mitgestalten. Ich nehme es als sehr lebendig wahr.
Carla Wildisen: Auch die Jungen haben wieder mehr Lust, die Kultur auf dem Land zu fördern. Es gibt viele kleine Grüppchen, die aktiv sind. Damit Kultur nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land erlebbar ist und bleibt. Die spürbare Tendenz: Kultur mit Substanz wird bei den Jungen wichtiger, während klassische Partys immer weniger Besuchende haben.
zentralplus: Handkehrum werden ans Openair Eschenbach auch Menschen aus der Stadt pilgern. Eine Chance für die Kultur im Seetal?
Wildisen: Man kann fast alles als Chance sehen. Doch wir wollen vor allem Kultur für alle veranstalten, die Freude daran haben. Egal, woher sie kommen.
Hofstetter: Unser Verein hat nebst viele kleineren auch immer wieder grössere Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Schon, als wir Hecht oder Patent Ochsner ins «Kulturzentrum Braui» in Hochdorf holten, kamen Städter für die Konzerte ins Seetal. Dank der S-Bahn-Anbindung ist das ja auch kein Problem.
zentralplus: Nebst nationalen Headlinern spielen am Openair Eschenbach auch viele Bands aus der Region. Wie wichtig war euch dieser Punkt?
Wildisen: Beat Zemp, Leiter und Booker unseres Openairs, hat das tolle Line-up zusammengestellt. Wir finden es natürlich cool, dass auch Bands auftreten, die lokal verankert sind. Aber das war nicht die erste Priorität beim Zusammenstellen des Programms.
zentralplus: Sondern?
Hofstetter: Uns war es vor allem wichtig, dass die Bands, die am selben Abend spielen, musikalisch gut zusammenpassen. Gleichzeitig hatten wir natürlich unglaublich viele Anfragen aus der Region. Ein paar davon konnten wir berücksichtigen. Das wird sich bisschen wie bei einem Klassentreffen anfühlen.
zentralplus: Ihr veranstaltet mit eurem Verein ja seit Langem Kulturveranstaltungen. Wie steht es denn um eure Finanzen, auch in Hinblick auf die Corona-Pandemie? Könnt ihr ein Festival überhaupt stemmen?
Hofstetter: Von der Pandemie spürten wir so gut wie nichts. Ohne Veranstaltungen entstanden auch keine Kosten. Das hat die Künstler selbst mehr betroffen. Bis vor zwei Jahren wirtschafteten wir als Verein komplett ohne Fördergelder, auf die wir lange verzichteten. Gleichzeitig haben wir auch immer kleine Acts gefördert. Hazel Brugger oder Patent Ochsner waren bei uns, als sie noch kaum jemand kannte.
zentralplus: Das Festivalsterben hat längst auch die Zentralschweiz erreicht. Wie kommt man in diesen Zeiten auf die Idee, ein derart grosses Openair auf die Beine zu stellen?
Hofstetter: Wir schauen nicht, was die anderen machen, und ziehen unser Ding durch. Bevor wir uns definitiv entschlossen, das Openair Eschenbach wieder zum Leben zu erwecken, haben wir uns ein halbes Jahr damit auseinandergesetzt.
zentralplus: Was war letztlich ausschlaggebend für den finalen Entscheid?
Hofstetter: Wir machten die Durchführung von drei Punkten abhängig. Erstens: Genug Sponsoren. Zweitens: Ein ehrenamtliches OK, das für die Sache brennt und aus Profis besteht. So machen beispielsweise zwei Polizisten das Sicherheitskonzept. Und drittens: Die Zusage von Patent Ochsner.
zentralplus: Nun habt ihr bereits alle Ziele übertroffen und seid so gut wie ausverkauft.
Hofstetter: Tatsächlich waren die Tickets für den Freitag und Samstag innert eines Monats weg. Und mit dem Hype kamen zusätzliche Gönner und Sponsorinnen dazu. All das gelang auch, weil wir vom OK nicht nur Teil eines grossen Freundeskreises sind, sondern alle unser eigenes Netzwerk mitbringen.
zentralplus: Konkurrenziert ihr mit eurem Openair nicht andere Openairs, die es sonst schon schwer haben?
Hofstetter: Nein. Wir sind weit und breit die einzigen, die im besagten Zeitraum in der Region was Grösseres veranstalten. Ich glaube vielmehr, dass unser Openair eine belebende Wirkung hat.
zentralplus: Es wirkt, als hättet ihr das Projekt ganz ohne Gegenwind lancieren können.
Hofstetter: Das war auch so. Bevor wir loslegten, gingen Beat Zemp und ich bei allen Nachbarn des Openairs vorbei und so gut wie alle fanden die Idee superschön. Nur ein Nachbar äusserte sich kritisch. Aber auch er wird als Gast dabei sein.
zentralplus: Das Dorf steht also geschlossen hinter euch.
Hofstetter: Und wir hinter dem Dorf. So werden wir eine Ländlerkapelle organisieren, die im Altersheim spielen geht, damit auch die Menschen dort ein schönes Wochenende mit Musik und guten Vibes verbringen können.
zentralplus: Finanziell könnte die Rechnung beim Comeback des Openair Eschenbach dank der vielen Ticketverkäufe aufgehen. Einer nächsten Ausgabe im nächsten Sommer steht somit nichts mehr im Weg. Oder?
Hofstetter: Wir träumen von einer nächsten Ausgabe, aber geplant wird derzeit noch nichts. Ein definitiver Entscheid steht noch aus.
zentralplus: Dann bitte ich stattdessen um eine Wetterprognose. Früher kam es am Openair Eschenbach regelmässig zu fast schon legendären Schlammschlachten. Und diesen Sommer?
Hofstetter: Diesen Sommer regnets bei uns nicht. Auf dem Festivalgelände wirds gratis Sonnencreme geben. Und anstelle eines Zelts gegen den Regen bauen wir ein Schattenzelt auf.
Einst Moderator und Redaktor beim Radio 3FACH und bei Jam On Radio, schreibt Joel Dittli seit 2023 bei zentralplus. Um auch den künftigen Herausforderungen im Medienalltag gewachsen zu sein, absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern. Als Reggae-Musiker und FCL-Fan ist er am Wochenende oft in Kulturlokalen oder Fussballstadien anzutreffen.