Kammermusik-Konzert «Variationen» in Luzern

Seltene Formationen im Neubad gesichtet

Schumanns Andante und Variationen gespielt von fünf Studenten der Hochschule Luzern.

(Bild: Daniel Spiesecke)

Junge Talente der Hochschule Luzern präsentierten am Freitagabend klassische und romantische Kammermusik im Pool des Neubads. Trotz eines Ausfalls überzeugte das klug konzipierte Programm. 

Einige Besetzungen haben sich in der Geschichte der Kammermusik ein grosses Repertoire angeeignet. Ein Streichquartett, ein Bläserquintett oder etwa Klaviertrios gibt es häufig im Konzertsaal zu hören. Passend zum Motto der diesjährigen, zehnten Ausgabe des Musikfestivals der Hochschule Luzern fanden gestern Abend wirklich selten gehörte Instrumentenkombinationen ihre Bühne im gut gefüllten Neubad-Pool.

Manchmal Partner und manchmal Rivalen

«Variationen» versprach das Musikfestival den Zuhörern und bot dafür schon in der Besetzung gute Erfolgsbedingungen. Wann hat man zum Beispiel zuletzt zwei Pianisten in einem Aufgebot mit zwei Celli und einem Horn gehört? Neben dem exotischen Wert einiger ausgefallener Kompositionen sind Variationen noch aus einem weiteren Grund interessant: Hier kann ein Komponist zeigen, wie gut er seine Kunst beherrscht. Denn es gilt als sehr anspruchsvoll, aus einem beschränkten Material viele Minuten Musik zu formen, die sich ständig mit den vorhergegangenen Variationen und dem Urmaterial in Beziehung setzt.

Sie werfen sich nach einem besonders schweren Satz ein Lächeln quer über die geöffneten Flügel zu.

Den Anfang machten die Klavierstudenten Luka Hauser und Paola Mitrović mit den Variationen über ein Thema von Haydn in der Version für zwei Klaviere op. 56b von Johannes Brahms. Es ist selbst schon eine kleine Variation, denn dieses Stück wurde ursprünglich für ein Orchester geschrieben. Mit seinen acht Variationen plus Exposition und Finale gab es dem Publikum einen ersten Vorgeschmack auf den Abend.

Das Septett von Beethoven sprühte vor Lebensfreude.

Das Septett von Beethoven sprühte vor Lebensfreude.

(Bild: Daniel Spiesecke)

Exemplarisch zeigte jede neue Wendung des Themas eine neue musikalische Facette: Zuerst spielt Brahms mit Triolen in der Begleitung, dann wird die Dynamik ausladend und fremde Tonarten kommen hinzu. Die beiden Musiker sind manchmal Partner mit festen Aufgaben (Melodie und Begleitung) und an anderen Stellen wie Rivalen, die sich um jede Note der Melodie streiten. Die emotionale Spannweite reicht vom Schlagabtausch in forte bis zu einem erhabenen, ruhigen Wiegenlied. Das technisch anspruchsvolle Stück gelingt beiden gut; sie werfen sich nach einem besonders schweren Satz ein Lächeln quer über die geöffneten Flügel zu.

Grosse Klangmalerei

Im Anschluss daran brachten weitere fünf Studenten Schumanns Andante und Variationen in der schon erwähnten Besetzung von zwei Klavieren, zwei Celli und Horn zum Klingen. Besonders elegant verschmelzen hier das Ausgangsmaterial und die Variationen zu einer grossen Klangmalerei. Jedes Instrument hat seine solistischen Passagen, aber einzig die Celli treten in den lyrischen Passagen deutlich aus den anderen Stimmen heraus. Das ist ein klug konzipiertes Programm, denn so wird unmittelbar klar, wie grundverschieden auch die enge Kategorie des Variationszyklus ausgefüllt werden kann.

Das an dieser Stelle geplante Streichquartett entfiel, da der Künstler aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Wer die Arbeitsethik von Musikern kennt, weiss, dass das ihn mindestens ebenso sehr schmerzt wie das Publikum.

Freche Streicher

Gehört das Septett von Beethoven noch zur raffinierten, aber gefälligen höfischen Musik à la Serenade und Divertimento? Oder ist es eine Vorarbeit für seine bahnbrechenden frühen Sinfonien? Es steht wohl irgendwo dazwischen, darauf deuten auch die Satzformen hin. Kopfsatz und Finalsatz sind ausladende Sonatenhauptsätze mit langsamer Einleitung. In ihnen findet eine einer Sinfonie nicht unähnliche, intensive Durchführung der Themen statt. Zwischen diesen Eckpfeilern finden wir allerlei Vielfalt: Fuge, Rondo und eben: Variationssatz. Im Vorgespräch verriet Prof. Heinrich Mätzener, der das junge Ensemble bei den Proben unterstützte, was ihn aber vor allem am Septett fasziniert: Es sprühe vor Lebensfreude.

Das bewies sich auch an diesem Abend wieder. Das Stück ist anspruchsvoll und für die Violine beinah virtuos. Bei einem studentischen Ensemble, das im Sommer 2016 zusammenkam, um dieses Stück zu meistern, wäre eigentlich zu erwarten gewesen, dass sie es ein wenig langsamer und zurückhaltender angehen lassen. Davon war keine Spur. Geradezu frech gingen die vier Streicher mit der Unterstützung von Klarinette, Fagott und Horn den ersten Satz an, und trafen damit genau den Charakter des Stücks.

Damit die hineinkomponierte Freude beim Publikum ankommt, müssen die Musiker all in gehen. Nicht einzelne Töne oder bis ins Detail intonierte Akkorde machen den grossen Reiz dieses Stückes aus, sondern die Spannung, die die Instrumentalisten in die Musik geben. Die Phrasierung bezeugte, dass sie das Stück nicht nur verwalten, sondern gestalten wollten, und so flogen die Melodien und koordinierende Blicke im Rund der Musiker umher. Das Publikum zeigte sich zurecht dankbar für diesen schwungvollen Einsatz. 

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