Luzerner Theater heuert «Gustavs Schwestern» an

Schluss mit lieblich – die schrägen Puppen kommen

Sibylle Grüter und Jacqueline Surer (v. l.) haben das Figurentheater des Luzerner Theaters übernommen.

(Bild: Vanessa Püntener)

Das Luzerner Theater hat neben Oper, Tanz und Sprechtheater auch Puppentheater zu bieten. Doch in dieser Sparte kommen nicht nur Märchen und hübsche Figuren auf die Bühne. Denn jetzt haben zwei wilde «Schwestern» übernommen. Und die wagen sich vor die unhöflichsten Zuschauer.

«Wir hatten immer gescherzt, wir würden mal ein eigenes Theater führen – das Luzerner Figurentheater», sagt Sibylle Grüter. Nun ist aus Witz Wahrheit geworden. Grüter (49) und Jacqueline Surer (45) alias «Gustavs Schwestern» leiten das Figurentheater – sozusagen die vierte Sparte des Luzerner Theaters (LT).

Das «Figurentheater des LT» befindet sich an der Industriestrasse und führt dort ein eher eigenständiges, doch erfolgreiches Bestehen – von 2000 bis 2017 unter der Leitung von Claude Kuijer. «Die Auslastung in den vergangenen Jahren war immer sehr hoch», so Grüter.

Ehrlich statt höflich

Dies ist nicht selbstverständlich, hat Figurentheater doch allgemein einen eher schweren Stand und nicht gerade den Ruf, besonders hochstehend oder innovativ zu sein. Doch Gustavs Schwestern stehen für eine neue Form. «Wir kämpfen dafür, zu zeigen, dass Figurentheater mehr ist als Kasperli», so Surer, und lachend fügt sie an: «Nichts gegen Kasperli, wir lieben Jörg Schneider.»

«Jetzt wird die Offenheit der Zuschauer getestet.»
Sibylle Grüter

Figurentheater werde jedoch, genauso wie Kindertheater, oft belächelt. Dabei seien Kinder das härteste Publikum. «Wenn man sie nicht abholt, sie langweilt, dann bekommt man das ungefiltert zu spüren», so Grüter. Da gibt es kein höfliches Klatschen. Doch ebenso heftig komme auch das positive Feedback jeweils aus den Zuschauerrängen.

Wer ist Gustav?

Der Compagnie-Name von Grüter und Surer entstand während der ersten – von bisher sieben – gemeinsamen Produktion «Hotzenplotz». Dabei gab es immer wieder Gelegenheiten, in der Kindheit zu schwelgen. «Bald haben wir gemerkt, dass wir beide uns immer einen grossen Bruder gewünscht hatten», erklärt Surer. So wurde der erwünschte Bruder «Gustav» gennant und daraus der Name für die berufliche Verschwesterung der beiden Frauen.

Schräg statt lieblich

Die beiden lernten sich beim Studiengang «Figurenspiel» in Zürich kennen und sind seit mittlerweile 14 Jahren als Team unterwegs – als «Gustavs Schwestern». Das mit Erfolg. Denn Nachwuchs im Figurentheater sei rar. Die Szene giert danach. Neue Stile sind gefragt. «Es findet ein Aufbruch statt. Das Ausbrechen aus der lieblichen Ecke», sagt Surer. So spielen die beiden auch mal mit zusammengeflickten Plastik-Flohmarkt-Puppen. Stets mit dem Credo der Reduktion. «Das Weglassen bringt einen dazu, neue Wege zu finden und die Fantasie anzuregen – unsere und die der Zuschauer», so Grüter.

Obwohl Sibylle Grüter aus Luzern stammt – auf einer Stadtluzerner Bühne standen die beiden bisher nicht. Im Nachhinein wohl ein Glücksfall. Denn so sind ihre Programme in Luzern noch ungesehen und ihre Tourneen führen sie weiterhin durch die Schweiz und Deutschland. Neben der gemeinsamen 30-Prozent-Anstellung am Luzerner Theater.

Surer und Grüter mit ihrem Programm «Oh je du Fröhliche».

Surer und Grüter mit ihrem Programm «Oh je du Fröhliche».

(Bild: zvg)

Gastgeber statt Gastspiel

Nach 14 Jahren in der Freien Szene komme diese neue Herausforderung genau richtig. «Es beginnt ein neuer künstlerischer Lebensabschnitt, eine neue Perspektive», so Surer. Denn künftig ist das Team nicht nur Gast, sondern auch Veranstalter. Wir freuen uns, auch mal auf der anderen Seite zu stehen. Immer eingeladen worden und nun selber einladen können. Nun ein eigenes «Haus» zu haben, einen festen Hafen, eine Spielwiese. Freie Hand zu haben in dieser kleinen Insel in der Industriestrasse – eine Bruchbude, aber mit viel Charme.

«Für Kinder ist es ganz logisch, dass man Dinge ‹beseelen› kann.»
Jacqueline Surer

«Dass es mit Luzern geklappt hat, hat uns jedoch völlig überrumpelt», erzählt Grüter. «Ich war beim Wandern, als ich von Jacqueline die SMS mit der Ausschreibung erhielt.» Sofort sei klar gewesen, dass sie sich bewerben würden.

Dann ging alles ganz schnell. Im Dezember kam die Zusage, Ende Januar musste das Programm stehen. Und das kann sich, durch die langjährige Erfahrung und Vernetzung der beiden Co-Leiterinnen, durchaus sehen lassen. «Wir wollen in der ersten Spielzeit vor allem die Bandbreite aufzeigen, was Figurentheater alles kann», so Surer. Die Gastspiele stammen dabei aus der Schweiz, aber auch von internationalen, weltweit auftretenden Figurenkünstlern.

Verspielt statt erwachsen

Gustavs Schwestern werden aber auch selbst auf der Bühne stehen. Gerade am Anfang sei ihnen das wichtig. «Damit wir und das Publikum in Luzern uns gegenseitig kennenlernen können», so Surer. Bisher habe man im Luzerner Figurentheater mehrheitlich traditionelle Produktionen gezeigt. «Jetzt wird die Offenheit der Zuschauer getestet», so Grüter. Das wollen die beiden mit verschiedenen Formaten tun. Auch die ganz Kleinen werden angesprochen. So wird das «Kleinformat», dem aktuellen Trend entsprechend, Theater ab 3 Jahren bieten.

An Workshops wird nicht nur das Bauen, sondern auch das Spiel mit unterschiedlichsten Figuren vermittelt. Es soll ein Ausprobieren sein, für Kinder und Erwachsene, erklärt Surer. Für Menschen, die sich ihre Verspieltheit bewahrt haben. «Für Kinder ist es ganz logisch, dass man Dinge ‹beseelen› kann. Da wird, was vorher noch leblos in der Ecke lag, plötzlich lebendig.»

Etwas, das für die beiden Schau- und Puppenspielerinnen völlig selbstverständlich ist. «Und einfach unheimlich Spass macht», so Grüter und lacht.

Figurentheater des Luzerner Theaters: Ab 28. Oktober

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