Intendantin über Wokeness, Kunst und Fahnen

«Schade wäre, wenn die Zuger das Theater Casino links liegen lassen»

Ute Haferburg ist seit August 2022 Intendantin des Theater Casino Zug. (Bild: Daniela Kienzler)

Die Intendantin des Theater Casino Zug will das Mehrspartenhaus zu einem Ort machen, an dem nicht bloss Kultur konsumiert wird, sondern gesellschaftliche Themen verhandelt werden. Auch Platz für Experimente habe es, ohne dass das Publikum vergrault werde, sagt Ute Haferburg.

zentralplus: Ute Haferburg, als Sie vor exakt einem Jahr als neue Intendantin des Theater Casino Zug antraten, versprachen Sie, das Haus zu einem «kulturellen Hotspot» zu machen. Ist Ihnen das schon gelungen?

Ute Haferburg: Der Weg zum kulturellen Hotspot ist ein Prozess, eine Vision, die in fünf Jahren Realität sein soll. Dazu gehört, dass wir unser Haus für ein breites, heterogenes Publikum öffnen und zu einem lebendigen Begegnungsort machen. Das bedingt eine Anpassung des Programms. Die Leute sollen erkennen, welchen Mehrwert ein Theater-Liveerlebnis hat. Darum investieren wir in die Vermittlung.

zentralplus: Vermittlung klingt gut, aber auch etwas pädagogisch. Können nicht einfach Bühnenstücke gezeigt werden, die man ohne vorgängige Erklärungen versteht?

Haferburg: Ich gebe zu: Der Begriff «Vermittlung» klingt didaktisch. Und ja: Die Bühnenkunst soll für sich sprechen. Aber letztlich geht es darum, dass wir dem Publikum mit Einführungen, Workshops und anderen Formaten die Möglichkeit geben, mehr über die Hintergründe einer Produktion zu erfahren. Mit Infos aus erster Hand – von Regisseurinnen, Schauspielern, Dramaturgen, Autorinnen – schaue ich mir eine Produktion anders an, verstehe sie vielleicht besser und profitiere letztlich mehr. Durch Vermittlung möchten wir auch neue Publikumsschichten ins Haus holen, also Leute, die bis anhin nur selten oder gar nicht den Weg zu uns gefunden haben. Publikum muss man auch umwerben.

«Publikum muss man auch umwerben.»

zentralplus: In den Medien wurden Sie als Hoffnungsträgerin bezeichnet. Schmeichelt das, oder setzt Sie das unter Druck?

Haferburg: Schöne Frage. Eine Hoffnungsträgerin zu sein, stimmt mich positiv und motiviert. Unter Druck setzt mich das nicht, denn es entspricht meiner eigenen Erwartung, das Theater Casino Zug als Mehrspartenhaus noch bekannter und populärer zu machen. Mir ist das eine Herzensangelegenheit.

zentralplus: Im Casino herrscht immer Aufbruchstimmung. Die Intendanten kommen und gehen.

Haferburg: Sie sprechen die Problematik der vielen Wechsel in jüngster Zeit an. Ich bin aber gekommen, um zu bleiben, und ich habe nicht vor, den Bettel hinzuschmeissen, wenn Schwierigkeiten auftauchen. Zusammen mit dem Team möchte ich das Potenzial des Hauses in seiner ganzen Breite ausschöpfen. Darum setze ich mich gerade intensiv mit der Stadt, dem Kanton, dem Raum Zentralschweiz auseinander und pflege Kontakt zu den lokalen Kunstschaffenden. Ich will sie noch besser kennenlernen, um mit ihnen gemeinsam Projekte zu entwickeln. Sie sollen im Theater Casino Zug präsent sein und sich im Rahmen von (Co-)Produktionen national und international vernetzen können.

Über Ute Haferburg

Ute Haferburg, in Kaiserslautern geboren, ist seit August 2022 geschäftsführende Intendantin des Theater Casino Zug (zentralplus berichtete). Zuvor hatte sie verschiedene Leitungsfunktionen in Antwerpen/Gent, Basel, Chur und Davos. Ebenso wirkte sie als freie Produktionsdramaturgin an Opernhäusern und Theatern in Portugal, Deutschland und in der Schweiz. Sie lebt in Zug und Fläsch (GR).

zentralplus: Mit der Sparte «Junges Theater» und mit Angeboten für Schulklassen möchten Sie künftig mehr junge Leute ins Casino holen. Mit welchen Neuerungen ist sonst noch zu rechnen?

Haferburg: Stärken möchte ich neben Schauspiel und Tanz auch Musiktheater, spartenübergreifende Theaterformen und das politische Kabarett. Das Haus soll ein Ort sein, wo man nicht einfach nur konsumiert, sondern wo gesellschaftliche Themen verhandelt werden: unterhaltsam, kritisch, sinnlich – je nach Format. Auch soll es Platz für Experimente geben, ohne dass man das Publikum vergrault.

zentralplus: Sie sprechen das Schauspielhaus Zürich an, dem vor lauter Diversity, Wokeness und Transdisziplinarität das Publikum in Scharen davonlief. Es fühlte sich nicht mehr willkommen, sozusagen diskriminiert.

Haferburg: Hier kommen wir zum Thema Kommunikation. Ein Intendantenteam sollte grosses Interesse daran haben, den Draht zum Abonnentenpublikum nicht zu verlieren. In Zürich gab es hervorragende Produktionen, und es wurde ein neues diverses Publikum aufgebaut, aber das traditionelle Publikum ging dabei zu grossen Teilen verloren. Im Theater Casino Zug darf das nicht passieren. Der Austausch zwischen Publikum und Mitwirkenden – sei es vor oder nach einer Veranstaltung – ist da eine grosse Chance.

«Es gibt bei uns gleichwertige, hochkarätige nationale und internationale Produktionen, wie sie in Zürich, Luzern, Basel gezeigt werden.»

zentralplus: Vielversprechend ist die neue Reihe «Heimatklänge». Spätestens seit dem Erfolg des Eidgenössischen Jodlerfestes in Zug ist klar: Traditionelles zieht!

Haferburg: Neue Volksmusik ist bekanntlich schon länger hoch im Kurs. Denn sie ist zugleich traditionell und zeitgenössisch. Ich habe in diesem Bereich schon einige Projekte umgesetzt. In der Zentralschweiz ist die Volksmusik ein besonders grosses Thema, und die Hochschule Luzern bietet hierzu sogar einen Studiengang an. Da können wir Volksmusik nicht einfach ignorieren. Mit Johannes Rühl, der lange das Festival Alpentöne in Altdorf künstlerisch geleitet hat, habe ich einen idealen Partner, der die Reihe «Heimatklänge» in Zug kuratiert. Sie startet morgen, Sonntag, mit einem gemeinsamen Anlass von «Traktorkestar» und dem «Echo vom Eierstock». Letzteres ist ein noch junger, feministischer Jodelchor aus Stans, der traditionelle Jodelmelodien singt, die Texte aber provokativ ins Jetzt adaptiert.

zentralplus: Das Zuger Kulturpublikum, das etwas auf sich hält, brüstet sich gerne damit, Theater und Konzerte im grossstädtischen Zürich und nicht im provinziellen Zug zu besuchen. Ärgert Sie das?

Haferburg: Überhaupt nicht. Ich gehe auch «fremd», bin oft in Zürich, Luzern, Basel und anderswo und hole mir da Inspiration. Schade wäre jedoch, wenn das Zuger Kulturpublikum das Theater Casino links liegen lassen würde. Denn es gibt bei uns gleichwertige, hochkarätige nationale und internationale Produktionen, wie sie in Zürich, Luzern, Basel gezeigt werden. Wichtig ist, dass sich Zug zwischen diesen Städten gut positioniert. Eine Möglichkeit ist, uns noch stärker mit der Schweizer Theaterszene, die es darüber hinaus gibt, zu vernetzen. Auch hier sehe ich Potenzial.

Die neuen Kulturfahnen an der Fassade des Theater Casino Zug. (Bild: Sabine Windlin)

zentralplus: An der Fassade des Casinos wehten bis vor Kurzem eine Schweizer Fahne und eine Zuger Fahne. Für ein Theaterhaus eher unpassend …

Haferburg: Guter Hinweis! Mich hat das auch irritiert. Denn die Fahnen sendeten ein falsches Signal aus. Das Theater Casino ist nicht Sitz der Zuger Verwaltung oder Regierung. Wir sind eine Kulturinstitution, und dies muss von aussen sichtbar sein. Darum wurden die alten Fahnen abgenommen, und es schmücken nun seit wenigen Tagen bunte Theaterfahnen die Fassade. Frischer Wind kommt übrigens auch ins Foyer. Dieses werden wir künftig stärker bespielen. Da braucht es allerdings noch einige Verhandlungen mit dem Brandschutz.

Das aktuelle Saisonprogramm des Theater Casino findest du hier.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Ute Haferburg
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