Perfekter Soundtrack für komischen Sommer

Plastik am Strand

Die fünf Luzerner veröffentlichten vor Kurzem «Azul». Der Titel des Albums lässt erahnen, was auf der Platte zu finden ist. (Bild: zvg)

Die Luzerner Band Alois veröffentlicht endlich ihr zweites Studioalbum. «Azul» bewegt sich in Tropical-Synthie-Pop-Gefilden und bringt zum Tanzen, auch wenn man dabei bedrückt bleibt. Der perfekte Soundtrack für einen komischen Sommer.

Endlich ist es da. Eigentlich hätte es bereits im April erscheinen sollen, gebührend mit einer Plattentaufe im Neubad gefeiert, wie es sich für ein Album gehört. Aber wie für die ganze Welt, kam auch für Alois alles anders, und so musste man sich noch etwas gedulden, um das zweite Werk der Luzerner Band zu hören.

Tropische Melancholie, die gefällt

Vor fast drei Jahren hat ihr Erstlingwerk «Mints» unter viel Beachtung und Lob in der Szene eingeschlagen und wurde unter anderem auch von IndieSuisse zum Album des Jahres gekürt. Die Synth-Pop-Band, bestehend aus Martin Schenker (Vocals, Guitar), Pascal Eugster (Bass), Florian Schneider (Drums), Luzius Schuler (Keys) und Lukas Weber (Percussion), erspielte sich so die Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft. Gespannt war man auf den Nachfolger allemal.

Nun ist «Azul» erschienen. Und geht in eine etwas andere Richtung. Schon der Titel des Albums lässt erahnen, was auf dieser Platte zu finden ist. Melancholie und tropische, sommerliche Klänge. Natürlich ist das zu vereinfacht, denn dieses Werk ist mehr als das. Auch wenn es sich doch noch an den Indie-Vibe anlehnt, den man von Alois kannte, sind es viel mehr verträumte Tropical-Afro-Klänge und Synthies, die poppig in den verträumten Vordergrund schlurfen.

Schenkers Stimme haucht über Verlust, Sehnsucht, Liebe. Dabei rückt sie aber nie zu stark in den Fokus. Viel wichtiger sind die treibenden Rhythmen, dickflüssigen Basslines, die verspielte Perkussion, tropische Soundelemente, Synthwave-Ausflüge und generell ein unwiderstehlicher Sog, der durch das Album zieht. Repetitive Songstrukturen mit überraschend viel Abwechslung. Man sieht sich beim Zuhören ekstatisch schwitzend in einem Club oder mit einem Glas Rum an einer Strandbar.

Auffallend ist, dass viele Lieder auf «Azul» distanziert wirken. Irgendwie ist alles so weit weg, abgelöst, abgedriftet, kühl. Man will sich den Liedern hingeben, sie locken, aber richtig packen wollen sie einen auch nicht. Vielleicht hat das etwas damit zu tun, dass alle Songs zuerst nur auf dem Computer entstanden sind, eher Clubtracks glichen, und erst später von der Band geschliffen und eingespielt wurden.

Verfangen in der Sehnsucht

Vielerorts haftet den Stücken etwas Mechanisches, Künstliches an, was einen aus der Unmittelbarkeit herausreisst, ohne dass man genau den Finger draufhalten könnte. Der Strand ist da, der Himmel blau, das Wasser klar, aber es liegen überall Plastikfetzen. Man wünscht sich ein wenig mehr Seele. Vielleicht ist das genau der Clou: Die Seele ist in ihrer Sehnsucht verfangen und starrt mit halboffenen Augen auf das grosse Blau. Sie passt halt doch irgendwie, diese kühle Ausstrahlung im Kontrast zu den sonnigen Klängen. So tanzt man zu diesem Album, schwingt die Hüften, und ist trotzdem bedrückt. Ein perfekter Soundtrack für diesen eh schon komischen Sommer.

Plattencover zu «Azul», veröffentlicht am 5. Juni 2020. (Bild: zvg)

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