Nur Hard Porn schockt noch – was ist bloss mit den Metallern in Zug los?
Die Veranstaltungsreihe «Monthly Assault» feiert das fünfjährige Bestehen und lädt zum Jubliäumsfestival nach Zug. Wer das Programm liest, wähnt sich in der Hölle – die Namen der Bands künden von Pornographie, Sexismus, Gewalt. Sind diese Bands am Ende gefährlich?
Sie heissen Clit Commander, Oral Fistfuck, Stillbirth und treten am Samstag am «Monthly Assault» in Zug auf*. Auf Deutsch übersetzt – Klitoris-Kommandant, oraler Faustfick, Totgeburt. Die Extreme-Metal-Veranstaltung im Jugendzentrum Industrie 45 heisst «monatlicher Übergriff» und hat in der Vergangenheit auch schon Bands wie Vulvodynia (Kürbis-Scheide), Placenta Powerfist (Mutterkuchen-Kraftfaust) oder Rectal Depravity (Anale Verderbtheit) eine Bühne geboten.
Man fragt sich: Was ist bloss mit diesen Metallern los, dass sie sich derart auf Hard Porn versteifen? Sind sie gestört, mangelt es ihnen an Phantasie, oder können sie durch nichts anderes schockieren? Wir suchen Rat bei einer Expertin.
Ästhetik von Splatter-Filmen beeinflusst
«Es handelt sich bei den genannten Gruppen um Brutal Death Metal Bands», sagt Anna-Katharina Höpflinger, Lehrbeauftragte an der Universität Luzern. Die Religionswissenschaftlerin forscht bereits seit 2006 zu Heavy Metal. «Das ist manchmal sehr anstrengend», sagt sie und lacht.
Natürlich wollten die Bands mit ihren Namen provozieren. Ebenso wie durch die übertriebene Darstellung von Sex und Gewalt in ihren Texten und visuelle Effekte aus Splatter-Filmen. «Dies zeichnet ihre künstlerische Aestethik aus, auch wenn sie bizarr wirkt.» Aber die Provokation diene vorab der Wiedererkennung.
Wirtschaftlich erfolgreiche Provokation
Freunde der Stromgitarre erkennen an Albumcovern mit einem umgedrehten Kreuz, dass sie Black Metal vor sich haben. Eine stilisierte, schöne Frau kündigt Gothic Metal an – und wenn zerstückelte Frauen die Szenerie bedecken, dann handelt es sich um Brutal Death Metal. Der Musikstil zeichnet sich durch tiefer gestimmte Instrumente, ausgeprägten Grunz-Gesang und maschinengewehrartiges Trommeln aus und ist schwierig zu spielen.
Die Kennzeichnung sei wichtig, denn er helfe bei der Vermarktung. «Heavy Metal ist generell ein wirtschaftlich sehr erfolgreicher Musikstil» so Höpflinger, auch wenn Schweizer Bands aus dem Death Metal nichts verdienten.
Auf der andern Seite gehe es bei dieser Provokation um Abgrenzung. «Sie schafft eine eigene Subkultur», sagt die Uni-Dozentin. «Und Namen sind dabei eine Art Identifikationselement mit einem bestimmten Genre des Heavy Metal.»
Gesellschaftskritik durch Gewaltverherrlichung
Den Bands und Fans sei der übertriebene Sexismus oft kaum bewusst. «In Interviews sagen Musiker und Fans meist, dass Brutal Death Metal für sie in erster Linie technisch anspruchsvolle Musik ist», erzählt Höpflinger. Alles andere gehöre für sie einfach dazu. «Für Aussenstehende können die damit verbundenen Bilder und Texte aber trotzdem erschreckend wirken.»
Schlagersternchen haben’s auch nicht besser
Überrascht vom Respekt
Anna-Katharina Höpflinger beschäftigt sich sonst mit Drachenmythen oder der Religionsgeschichte der Antike. Zum Forschungsgegenstand Heavy Metal sei sie durch eine Seminararbeit noch als Studentin gekommen. Da ihr die häufige Verwendung von religiösen Symbolen im Heavy Metal aufgefallen war, begann sie sich, um die harte Musik zu kümmern.
Ekstase ist wichtig
Direkt mit Religion hat Brutal Death Metal zwar nichts zu tun. Aber ein transzendentes Element hat die Dozentin trotzdem entdeckt. «Ekstase ist wichtig», so Höpflinger. Das Abtauchen in eine eigene Welt, der Ausbruch aus der kontrollierten, durch Social Media überwachten Normalität. «Death-Metal-Fans fragen mich oft: Wo sonst könnte ich hemmungslos rumbrüllen und wild headbangen, wenn nicht an einem Konzert?»
* Hinweis: Für den Monthly-Assault-Jubiläumsabend vom Samstag, 17. Februar, an der Industriestrasse 45, Zug, hat Oral Fistfuck abgesagt. Stattdessen tritt Rectal Depravity auf.
Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.