Michelle Steinbeck zu Gast in der Galvanik Zug

Nur gut, war die Lesung weniger surreal als das Buch

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe «LiteratU30» las Michelle Steinbeck am Dienstag Abend in der Galvanik Zug aus ihrem Roman «Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch». Die Lesung machte Lust auf mehr, trotz oder gerade weil das Buch von einigen Stimmen als «verlogen» und «konstruiert» bezeichnet worden war.

Die junge Schweizer Schriftstellerin Michelle Steinbeck hat ein faszinierendes und polarisierendes Romandebüt veröffentlicht. Während die einen voll des Lobes ob des beeindruckenden Erstlingsromans sind und von einem «phantastischen Märchen», «universellen und zeitlosen Themen» und «einem furiosen Debüt» sprechen, nennen andere das Buch «grauenhaft», «entsetzlich», «unehrlich», «verlogen» und «konstruiert». Sogar eine «ernsthafte psychische Störung» wurde Michelle Steinbeck von einer Literaturkritikerin diagnostiziert.

«Nicht im Geringsten gestört»

Die junge Frau, die am Dienstag Abend in der gut besuchten Galvanik einige Kapitel aus ihrem Buch zum Besten gab, machte allerdings einen geistig sehr klaren Eindruck und wirkte nicht im Geringsten gestört. Sie trat souverän und sehr sympathisch auf, las mit klarer Stimme und führte die Hörerschaft etappenweise durch die Traumlandschaft ihres Romans. Dabei las sie teils ohne musikalische Begleitung, teils mit. Vor allem die gelungene Kombination von leiser Musik mit der Leserstimme wirkte sehr stimulierend und atmosphärisch.

Nach jeder komplettierten Leseetappe beglückte der Bassist das Publikum mit einer Soloeinlage, die gleichzeitig überleitend und abschliessend war. Diese Soloeinlagen waren jeweils etwas lang geraten. Die Aufmerksamkeit der im Saal Anwesenden schweifte dann auch immer etwas ab und es kam eine leichte Unruhe auf.

Aufkommende Gähnreflexe konnten jedoch knapp abgewendet werden und der Diskussionsteil wirkte wiederum recht belebend und stellenweise gar amüsant. So dürfte dem interviewenden Lehrer unter anderem nicht so recht gefallen haben, dass dem Deutschunterricht im Gymnasium von Frau Steinbeck keine Rolle (zumindest keine positive) zugesprochen worden ist in ihrer schriftstellerischen Entwicklung.

Tabuthemen und Rebellion

Auch mit solch rebellischen Aspekten wie dem beständigen Zigarettenrauchen, das im Buch zelebriert wird (und ja, Zigaretten rauchen hatte mal was mit Rebellion zu tun und tut das für manche immer noch), schien er sich nicht anfreunden zu können. Damit wurde die Diskussion trotz der lockeren Atmosphäre etwas elektrisiert und damit auf jeden Fall interessanter und vor allem unterhaltsamer für den stillen Beobachter.

Doch worum geht es in dem Buch und was ist es, das derart radikal unterschiedliche Kritiken hervorruft? Erst einmal scheint es ein Buch über das Älterwerden zu sein. Dabei werden die Schwierigkeiten und Ängste des Jungseins thematisiert und als Entwicklungsgeschichte auf Papier gebracht.

Frauen, die eine derartige Position einnehmen, schlägt heute noch eine Welle der Abneigung entgegen.

Die Protagonistin Loribeth reist mit einem toten Kind (oder ist es doch nicht tot?) durch die Lande auf der Suche nach ihrem Vater. Dabei werden traum- oder auch albtraumhafte Szenen heraufbeschworen, die der Erzählung einen surrealen Charakter verleihen. Kontrovers diskutiert wird wohl nicht der surreale, gewollt rebellische oder eben leicht schräge Charakter der Erzählung. Es wird eher die Tatsache sein, dass Steinbeck die Themen «Kinder», «Schwangerschaft» und «Muttersein» auf eine unkonventionelle Weise anspricht und diesen dabei explizit mit grosser Abneigung zu begegnen scheint.

Frauen, die eine derartige Position einnehmen und es wagen, diese lautstark zu vertreten, schlägt auch heute noch des Öfteren eine Welle der Abneigung entgegen. Dabei wird ihnen nicht selten von der Gesellschaft auch gleich noch die geistige Gesundheit abgesprochen. 

Als Fazit bleibt zu sagen, dass die Lesung sicherlich neugierig machte auf das gesamte Buch. Dieses wurde übrigens für den Deutschen Buchpreis 2016 nominiert und stand auf der Shortlist des Schweizer Buchpreises 2016. Wer es gerne surreal und leicht abstrus mag, wird sicherlich seinen Spass damit haben. 

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