Kino aus Luzern: Lukas Hobi und Reto Schaerli

«Nicht jeder Film muss ein kommerzieller Erfolg werden»

Reto Schaerli (links) und Lukas Hobi arbeiten seit siebzehn Jahren zusammen.

(Bild: zvg)

Zwei Luzerner Filmproduzenten mischen ganz oben im Schweizer Kinogeschehen mit. «Achtung, fertig, Charlie», «Heidi» und unser liebster Luzerner «Tatort» gehen auf das Konto von Zodiac Pictures. zentralplus hat die beiden getroffen – bei einer freudigen Geburt.

Lukas Hobi und Reto Schaerli stossen im Luzerner Kino Bourbaki auf die Geburt ihres neusten Babys an: Es läuft die Vorpremiere des Kinofilms «Die göttliche Ordnung» über das Frauenstimmrecht in der Schweiz. Inzwischen läuft der Film regulären Kinoprogramm.

Die beiden Luzerner Filmproduzenten haben in den 17 vergangenen Jahren mit ihrer Firma Zodiac Pictures 25 Langspielfilme produziert. Und diese auf der gesamten Bandbreite, für Fernsehen und Kino, für Erwachsene und für Kinder. Besonders bekannt ist «Heidi» mit über 3,5 Millionen Besuchern international. Oder auch «Achtung, fertig, Charlie», der in der Schweiz einen riesigen Erfolg hatte.

Jedes Jahr werden drei bis vier neue Filme von Zodiac Pictures abgedreht, welche jeweils zwischen vier und zehn Jahren Entstehungszeit in Anspruch nehmen – das Filmproduzieren ist eine langjährige Arbeit. «So sind wir eigentlich immer an rund 15 Filmen dran», erklärt Lukas Hobi. «Einige stehen bei der ersten Idee, andere sind in der Drehbuchphase, in der Finanzierung, andere werden gedreht oder sind schon im Schnitt.» Andere Filme wie «Papa Moll» oder «Die kleine Hexe» sind bereits abgedreht und warten auf ihre Premiere.

Inkognito ins Kino

Den Überblick zu behalten, könne an manchen Tagen herausfordernd sein. «Es ist manchmal verwirrend, aber gerade die Abwechslung ist das, was gleichzeitig den grössten Spass macht. Unsere Tage sind nie gleich», betont Hobi.

Die Aufgabenteilung haben die beiden klar geregelt. Während Reto Schaerli für Konzeption, Drehbuch, Ideen bis hin zur Besetzung mehr in den kreativen Prozess eingebunden ist, hat Lukas Hobi Wirtschaftliches, Abwicklung und Vermarktung unter sich. «Bei allen grossen Meilensteinen entscheiden wir aber gemeinsam», so Hobi.

Ist ein Film abgeschlossen – wie die «Die göttliche Ordnung» jetzt – und läuft vor Publikum, sei immer auch ein Schmerz mit dabei. «Aber das Schönste ist es, mit Menschen gemeinsam den Film zu schauen», so Schaerli. «Sind sie bewegt, lachen sie?» Besonders bei Kinderfilmen sei das eine extreme Erfahrung. «Wir setzen uns auch öfters mal inkognito ins Kino und erleben dann die ungefilterten Reaktionen der Zuschauer und was sie dann in der Pause über den Film reden», ergänzt Hobi. Denn anders als beim Theater erlebe man die Reaktionen sonst nur sehr gefiltert.

Rollenbilder aufbrechen

Ihnen sei es wichtig, das ihre Filme auch Emotionen auslösen – dass sie aufrütteln. «Gerade beim Spielfilm kann man die Leute mit einem Thema einfacher erreichen als mit einem Fachartikel oder Dokumentarfilm», so Hobi. Wie beim Film Gotthard – mit 11 Millionen der bisher teuerste Zodiac-Pictures-Film –, bei welchem zum Beispiel ganz viel Geschichte vermittelt wurde. «Das alles steht ja bereits in den Büchern, doch wir konnten die Geschichte mit dem Film anders erfahrbar machen, emotional verknüpfen.»

«Der Blick zurück schärft den Blick auf die Gegenwart.»
Reto Schaerli

Bei «Die göttliche Ordnung» sei das besonders wichtig. «Weil die Gleichstellung zwar gesetzlich umgesetzt ist, aber gesellschaftlich noch tief verwurzelte Ungleichheiten bestehen», sagt Hobi. Über historische Stoffe komme man auch einfacher an ein Thema heran. Man könne dabei eine Diskussion leichter und auch humoristischer angehen. «Der Blick zurück schärft den Blick auf die Gegenwart», wirft Schaerli ein. «Dass Rollenbilder noch heute einengend sind für alle, für Frauen und Männer, ist ein grosses und sehr aktuelles Thema. Das wird im Film nicht nur an den Frauen, sondern auch an den überforderten Männerfiguren deutlich.»

Die bisherigen Reaktionen bestätigen die beiden dabei. Der Film komme beim Publikum an, und auch bei Kritikern – das sei die perfekte Schnittmenge. Dass ein Film beim Publikum ankommt, sei jedoch niemals der erste Gedanke, betont Schärli. Bei einigen Filmen sei der künstlerische Erfolg wichtiger. «Nicht jeder Film muss ein kommerzieller Erfolg werden», so Schaerli. Wichtig sei ihm aber trotzdem irgendeine Form von Erfolg. «Um einen Film zu produzieren, gibt man so viel Zeit und Herzblut rein, dass ohne jegliche Rückmeldungen und Anerkennung etwas Wichtiges fehlen würde.»

Keine Berührungsängste mit dem Unterhaltungsfilm

Ungefähr die Hälfte der Ideen für Filme stammen von Hobi und Schaerli selbst – für andere lassen sie sich aber gerne begeistern. Auch mal für einen Nischenfilm, «wenn wir vom Thema begeistert sind und finden, dass es ihn braucht».

«Einen Unterhaltungsfilm zu produzieren, ist genauso anspruchsvoll wie einen mit künstlerischem Anspruch.»
Lukas Hobi

Heute produzieren die beiden auch Kinderfilme, weil Kinder ein wichtiges Thema geworden sind. «Man entwickelt sich und die eigene Veränderung beeinflusst logischerweise auch die Themen der Filme, die wir machen», so Hobi, der selbst eine Familie mit drei Kindern hat.

«Jeder Film fängt bei einem persönlichen Interesse an.» Wohin eine Idee sich danach entwickle, sei offen. Timing ist dabei das richtige Stichwort. Doch würden die beiden heute noch einen Film wie «Achtung, fertig, Charlie» produzieren? «Ich glaube, wir wären wahnsinnig genug, das auch heute noch lustig zu finden, ja», sagt Schaerli und lacht.

«Natürlich wäre das kein Film für ein Bourbaki-Publikum. Doch diesen Anspruch haben wir nicht», betont Hobi. Das sei ihre Philosophie: sich keine Grenzen zu setzen. «Wir werten nicht. Denn einen Unterhaltungsfilm zu produzieren, ist genauso anspruchsvoll wie einen schwierigen Nischenfilm mit künstlerischem Anspruch.» Es gäbe viele Filmemacher, welchen solche Komödien zu «nieder» seien, sagt Schaerli. «Wir haben da keine Berührungsängste und auch an beidem Spass», ergänzt Hobi.

Eine intime Arbeit

«Ich glaube, alle, mit denen wir gearbeitet haben, würden bestätigen, dass wir sehr streng sind», sagt Schaerli lachend. «Uns ist es wichtig, immer noch die Extrameile zu gehen, nicht faul und bequem zu werden.» Dies auch, wenn sie regelmässig mit gewissen Leuten zusammenarbeiten, die sie sehr talentiert fänden. «Filmemachen ist eine sehr intime Arbeit, bei der man sich verletzlich macht», sagt Hobi.

«Luzern ist eine gute Schnittmenge zwischen Stadt und Land.»
Lukas Hobi

Man müsse die eigenen Ängste, Unsicherheiten und die persönliche Beziehung zu einem Thema oder einer Geschichte offenlegen. «Wenn man sich bereits kennt, geht das einfacher und direkter.» So sei es auch jetzt bei der vierten Zusammenarbeit mit Petra Volpe gewesen. «Die Arbeit zur göttlichen Ordnung war deswegen kein Promille weniger intensiv als die letzte.»

Luzern als Luxus

Luzern ist keine Filmstadt in einem Land, das bestimmt auch kein Filmland ist. Wer im Filmbereich arbeite, der müsse fast nach Zürich – die Zentralschweiz und ihre Filmförderung seien dafür nicht geeignet, erklären die beiden. Deshalb hat Zodiac Pictures neben dem Büro an der Luzerner Pilatusstrasse auch eines in Zürich. «Es wäre eigentlich konsequent, ganz nach Zürich zu gehen, doch dafür waren wir schlicht zu faul», sagt Hobi lachend. «Wir leben und wohnen in Luzern und unsere drei langjährigen Mitarbeiter ebenfalls.» «Es ist ein Luxus, den wir uns leisten», betont Schaerli.

«Luzern ist aber auch eine gute Schnittmenge zwischen Stadt und Land», erklärt Hobi. «Wir kommen nicht aus einer Grossstadt und das beeinflusst natürlich auch unsere Themenwahl und die Entscheidungen darüber, welche Geschichten wir erzählen wollen.» Luzern sei für eine ausgeglichene Themenwahl eine gute Ausgangslage.

Und Luzern ist in der Schweiz auch die Tatort-Stadt. Drei davon haben die beiden Herren von Zodiac Pictures bisher produziert und dürfen mit stolz «Ihre werdet gerichtet» (die zentralplus-Kritik dazu) dazu zählen. Doch die beiden wissen: «Tatort machen ist wie ‹Wetten dass …?› produzieren. Alle schauen und alle haben eine Meinung und wissen, wie.» Dessen müsse man sich bewusst sein, so Schaerli. Nicht nur beim Produzieren eines Tatorts, sondern beim Filmemachen allgemein.

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