Gold für die Geschichte «I'm migrant»

New York zeichnet Luzerner Studentin aus

Francesca Sanna bei der Ausstellung ihrer Arbeit. (Bild: Niklaus Spoerri)

Ein Thema, das derzeit die Medien dominiert und die Bevölkerung spaltet: Migration und Flüchtlingsströme. Doch wie bringt man das Thema Kindern näher? Eine Illustration-Studentin aus Luzern hat es versucht und feiert nun damit Erfolge, die sie nie erwartet hätte.

Francesca Sanna hat eine der begehrtesten Auszeichnungen für Illustratoren weltweit erhalten. Die 24-jährige Illustratorin konnte die Ehre kaum fassen. Ihr Dozent hingegen hätte wohl genauso entschieden.

Sanna hat im Sommer 2015 an der Hochschule Luzern – Design & Kunst ihren Master of Arts in Design abgeschlossen – mit Spezialisierung in Illustration. Für ihre Abschlussarbeit entwickelte die gebürtige Italienerin das Projekt «I’M MIGRANT». Dabei handelt es sich um ein interaktives Kinderbuch, welches nun auch in gedruckter Version erscheint. Sanna erzählt darin die Flucht einer Mutter mit zwei Kindern nach Europa.

Die Society of Illustrators New York zeichnet aus

Francesca Sanna erhält nun für das Buch, welches unter dem Titel «The Journey» erscheint, die Gold-Medaille der Society of Illustrators New York in der Kategorie Buch.

«Die Society of Illustrators New York ist eine der ältesten und renommiertesten Organisationen für Illustration», erklärt Paolo Friz, Dozent für Illustration an der HSLU – Design & Kunst. «Verleger und Illustratoren weltweit nehmen an den Ausschreibungen teil und würden sich über eine solche Auszeichnung freuen», sagt Friz. Dass die Arbeit einer Studentin gewinne, sei daher bemerkenswert und sehr selten. Nach Luzern geht die begehrte Auszeichnung seines Wissens das erste Mal überhaupt.

Auch per Auto wird in der Geschichte geflüchtet.

Auch per Auto wird in der Geschichte geflüchtet.

Die Arbeit von Sanna habe es aber auch verdient. «Es ist eine fantastische Arbeit, inhaltlich und formal virtuos», schwärmt Friz. Sie eröffne neue Perspektiven auf ein schwieriges Thema und die Möglichkeit, in eine andere Welt einzutauchen. «Wenn eine Autorin das erreicht, dann hat sie gewonnen.» Sanna ist ebenfalls überwältigt. «Es ist eine unglaubliche Ehre, diese Auszeichnung zu erhalten», sagt sie. Die Leute, die diese sonst erhielten, seien Illustratoren, zu welchen sie aufsehe.

Ein Thema, das aktueller nicht sein könnte

Fast ein Jahr habe sie an ihrer Abschlussarbeit gesessen. «Wenn man die aufwändige Recherche mit einrechnet, wahrscheinlich mehr.» Sie sprach in der Vorbereitungsphase mehrfach mit Migrantinnen und Migranten, unter anderem aus Syrien, Eritrea und Somalia. Daraus entwickelte Sanna ein Kinderbuch für Acht- bis Zwölfjährige, das die Flucht einer Mutter und ihren zwei Kindern aus einem Krisengebiet nach Europa schildert.

In Francesca Sannas Kinderbuch migriert eine Mutter mit ihren zwei Kindern.

In Francesca Sannas Kinderbuch migriert eine Mutter mit ihren zwei Kindern.

In der interaktiven Fassung müssen die Leser Entscheidungen treffen und die Familie sicher nach Europa bringen. Nur zwei Wege führen nicht in eine Sackgasse. Im illustrierten Kinderbuch begleitet der Leser die Flucht der Familie linear, die per Boot, Auto, im Zug und zu Fuss vorwärtskommt und viele Gefahren meistern muss.

Im Mai 2015 beendete sie die Arbeit, doch dann kam die Möglichkeit einer Publikation und bis zum jetzigen Zeitpunkt habe sie das Projekt nicht losgelassen, erzählt Sanna, die derzeit in Zürich lebt und als Illustratorin Fuss fassen will. «Es wäre natürlich toll, wenn mir diese Auszeichnung dabei weiter hilft», sagt sie.

Die eigene Biographie als Ausgangspunkt

Ausgangspunkt für die Arbeit war auch Sannas eigene Biographie. «Ich fragte mich: Was ist der Unterschied zwischen mir, einer Migrantin aus Italien, die neue Erfahrungen machen wollte, und den Flüchtlingen aus Syrien und Eritrea, die gar keine andere Chance haben», sagt die 24-Jährige, die aus Italien über Deutschland in die Schweiz migrierte.

Die gefährliche Reise der Familie – für Kinder eine spannende Geschichte, für Erwachsene ein Denkanstoss?

Die gefährliche Reise der Familie – für Kinder eine spannende Geschichte, für Erwachsene ein Denkanstoss?

«Mein Hauptziel war es, Empathie zu wecken und den Gedanken auszulösen, jeder von uns könnte der Migrant oder die Migrantin in der Geschichte sein.» Die Figuren in der Geschichte sind kulturell nirgends verortet. «Jeder soll sich in sie einfühlen können», so Sanna. Ein politisches Statement? «Grundsätzlich nicht. Es ist die Geschichte einer Reise. Denkt man aber etwas länger und tiefer darüber nach, dann wird es selbstverständlich sehr politisch.» Dass sich die Situation in Europa jedoch mit den grossen Fluchtbewegungen so verändere, war nicht abzusehen, als Sann mit ihrer Arbeit begann. «Obwohl wir in Italien schon früher damit konfrontiert waren. Was meine Themenwahl sicher mit beeinflusst hat.»

Englische und deutsche Ausgaben im April und Juli 2016

Das Kinderbuch soll bereits im April auf Englisch bei einem Verlag in London erscheinen und voraussichtlich im Juli im Zürcher NordSüd Verlag auf Deutsch.

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