1 Franken pro Luzerner für Kultur

Neue Kulturförderung: Branche spricht von Hiobsbotschaft

Judith Rohrbach (links) vom Luzerner Kleintheater kritisiert die Anpassung des Kulturförderungsgesetzes scharf. (Bild: Natalie Ehrenzweig)

Die Luzerner Regierung hat eine neue Strategie zur Förderung der Kultur. Der Kanton und die Gemeinden sollen je einen Franken pro Einwohnerin in einen Fördertopf einzahlen. Kulturschaffende sind alles andere als begeistert.

Die Instrumente blieben im Kasten, die Vorhänge zu: Kaum eine Branche ächzte so sehr unter Corona wie die Kulturbranche (zentralplus berichtete). Umso mehr sollte sie sich deshalb über die neue Kulturförderungsstrategie des Kantons freuen. Künftig sind die Luzerner Gemeinden dazu verpflichtet, sich in regionalen Kulturverbänden zusammenzuschliessen. Mit diesen sollen Kulturprojekte aus der Region gefördert werden.

Finanziert wird das Ganze mit einem «Kulturfranken»: Sowohl der Kanton als auch die Gemeinden zahlen mindestens je einen Franken pro Einwohner in einen Fördertopf. Freiwillig dürfen die Gemeinden auch mehr als diesen Betrag zahlen. Somit sollten gemäss Einwohnerzahlen von Lustat mindestens rund 832'000 Franken zusammenkommen.

Dieses Geld wird dann proportional zur Einwohnerzahl an die regionalen Kulturverbände verteilt, wie Regula Huber, Kommunikationsleiterin des Luzerner Kulturdepartements, auf Anfrage ausführt. Damit verspricht sich die Regierung, dass den Verbänden genügend Mittel für Unterstützungsgesuche für spezifische Kulturprojekte zur Verfügung stehen.

Kanton schiebt Verantwortung auf Gemeinden ab

Klingt doch eigentlich ganz gut. So findet auch die IG Kultur Luzern in ihrer Medienmitteilung dazu lobende Worte: «Die gesetzliche Verankerung der Projektförderung im Kulturförderungsgesetz des Kantons Luzern stärkt den Luzerner Kulturwerkplatz und stellt somit einen wichtigen Meilenstein dar.»

Weiter begrüsst die IG die regionale statt gemeindliche Projektförderung: «Denn neu ist der Bezug zur Region und nicht die Wohnsitzgemeinde für die Projekteingabe massgebend.» Zudem entstünden durch die regionalen Verbände professionelle Kulturförderkommissionen, wodurch die Gesuchseingabe effizienter ausfalle.

«Mit diesem Entscheid kann es zu schwerwiegenden Konsequenzen beim kulturellen Angebot kommen.»

Beat Züsli, Stadtpräsident von Luzern

Trotzdem herrscht bei der IG Kultur Luzern Konsternation. Der Grund: Zwar steht nun mehr Geld für die Projektförderung bereit. Doch die im Vorfeld gewünschte nachhaltige Strukturförderung, beispielsweise durch die Unterstützung regional verankerter Kulturbetriebe, bleibt aus. Heute sind nämlich ausschliesslich die Gemeinden dafür zuständig. Gemäss Kanton habe sich dieses Modell bewährt, weshalb er kantonale Beiträge ablehnt. Die erwarteten Kosten seien zudem nicht finanzierbar.

Kein Geld für Kulturbetriebe

Diese Begründung überzeugt die IG Kultur jedoch nicht. Geschäftsleiter Gianluca Pardini kommentiert in der Mitteilung, dass rechtlich nichts gegen einen kantonalen Beitrag an Kulturbetriebe spreche. Vielmehr «versperrt der Regierungsrat mit seiner Haltung die nötige Weiterentwicklung der kantonalen Kulturpolitik, indem er auf dem derzeitigen Fördersystem verharrt.»

Bereits jetzt würden sich viele Parteien und Gemeinden um die Existenz kleinerer und mittlerer Kulturbetriebe und Festivals sorgen. Auch die Stadt Luzern zeigt sich enttäuscht über den Entscheid des Kantons, wie Stadtpräsident Beat Züsli auf Anfrage schreibt. «Kulturstrukturen mit regionaler Ausstrahlung tragen massgeblich zur Attraktivierung des kantonalen Lebensraumes Luzern bei und bilden einen wichtigen, unverzichtbaren Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens.»

«Für uns ist das eine Hiobsbotschaft.»

Judith Rohrbach, Co-Theaterleiterin des Kleintheaters Luzern

Und weiter: «Mit diesem Entscheid kann es zu schwerwiegenden Konsequenzen beim kulturellen Angebot kommen, sollten die Gemeinden dies nicht tragen können oder wollen.»

Für das Kleintheater eine Hiobsbotschaft

Deutliche Worte findet Judith Rohrbach, die Co-Theaterleiterin des Kleintheaters in Luzern: «Für uns ist das eine Hiobsbotschaft.» Das Kleintheater werde zu 30 bis 35 Prozent aus öffentlichen Geldern finanziert. Das Kleintheater arbeite zwar daran, sich permanent weiterzuentwickeln und konkurrenzfähig zu bleiben. Doch für Investitionen in Themen wie Inklusion und Digitalisierung benötigt das Theater Geld.

Wenn dieser Betrag von freiwilligen Beiträgen von Gemeinden abhängig gemacht werde, sei das sehr riskant. «Das sieht man bereits am Beispiel der Regionalkonferenz Kultur. Die Gemeindefinanzen unterliegen Schwankungen, weshalb die Finanzierung mal besser, mal schlechter klappt.» Zudem fehle bei Gemeinden, von denen viele keine eigenen Kulturbetriebe haben, oftmals der Solidaritätsgedanke. Obwohl beispielsweise das Publikum des Kleintheaters nicht nur aus der Stadt Luzern stamme.

Für sie persönlich sei deshalb klar, dass hier der Kanton in die Bresche springen müsste. So wie das auch schon die regionalen Entwicklungsträger in der Vernehmlassung vorgeschlagen haben. Für Rohrbach würde sich beispielsweise ein Zweckverband für kleine bis mittelgrosse Kulturbetriebe anbieten. Denn Kultur spiele sich nicht nur in grossen Kulturzentren und -häusern ab. «Es braucht alles, auch den Mittelbau.»

Kulturschaffende hoffen nun auf die Politik

Die neue Kulturförderung sei jedoch nicht nur schlecht: «Grundsätzlich finde ich es sehr gut, dass die Finanzierung für die Projektförderung mit dem neuen Gesetz langfristig gesichert werden kann», betont Rohrbach. Trotzdem hofft sie nun auf die Politik, um das Anliegen der kleineren Kulturbetriebe aufzunehmen. Dazu kündigt sie an: «Wir werden sicher mitmobilisieren. Für uns ist das zu wichtig.»

Zählen kann Rohrbach dabei unter anderem auf die Grüne/Junge-Grüne-Fraktion des Kantonsrats. In einer Mitteilung kündigt diese bereits an, dass sie sich «aktiv dafür einsetzt, dass der Scherbenhaufen der kantonalen Kulturförderung aufgeräumt und die notwendige Strukturförderung Teil davon wird.»

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung IG Kultur Luzern
  • Medienmitteilung Kanton Luzern zum Kulturförderungsgesetz
  • Botschaft des Kantons Luzern zum neuen Kulturförderungsgesetz
  • Schriftlicher Austausch mit Beat Züsli, Stadtpräsident von Luzern
  • Telefonat mit Judith Rohrbach, Co-Theaterleiterin des Kleintheaters Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Regula Huber, Leiterin Kommunikation Kulturdepartement Luzern
  • Medienmitteilung Junge Grüne/Grüne-Fraktion
  • Zahlen von Lustat
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Sepp
    Sepp, 25.08.2022, 19:26 Uhr

    Kultur ist doch keine Staatsaufgabe. Wieso muss ich eure Spielereien subventionieren?

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