Abwarten bei neuen Regeln

Nach Chaos bei Kulturförderung: Zuger Stadtrat spielt auf Zeit

Der Zuger Stapi Karl Kobelt (FDP) kann über Förderbeiträge bis 20'000 Franken selber entscheiden und will sich seinen Handlungsspielraum erhalten.

In der Stadt Zug wollen weiter der Stapi und die Stadtregierung in Eigenregie entscheiden, wie die Kulturförderung geschehen soll. Mit diesem Plan erntet der Stadtrat verwunderte und empörte Reaktionen – denn das Parlament hatte dem Stadtrat eigentlich den Auftrag erteilt, ein verbindliches Reglement auszuarbeiten.

Im Sommer 2019 sorgte der Entscheid der städtischen Kulturkommission für Aufsehen, ein Atelierstipendium an ein eigenes Mitglied zu verleihen – und dafür Fristen zu verlängern und die Vergabekriterien zurechtzubiegen (zentralplus berichtete).

Dann kam ans Licht, dass die Kulturkommission nicht so funktioniert, wie sie sollte, dass die Stadtzuger Kulturstelle ein administratives Chaos unterhält und die Buchhaltung von Zahlungen nicht nachvollziehbar war (zentralplus berichtete). Und schliesslich prasselten Vorwürfe auf die städtische Kulturbeauftragte nieder, welche die Vergabepraxis von Kulturgeldern in die Nähe von Korruption und Vetternwirtschaft rückte (zentralplus berichtete).

Der Plan lautet Abwarten

Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Stadtparlaments lud daher eine externe Revisionsgesellschaft zu einer Sonderprüfung der Vorgänge bei der Kulturstelle ein. Ausserdem überwies das Stadtparlament im Dezember eine dringliche Motion von SVP und Grünliberalen zur Ausarbeitung eines Reglements zur Kulturförderung.

«Die Verfehlungen im Kulturbereich wurden erkannt und Massnahmen eingeleitet.»

Etienne Schumpf, Fraktionschef FDP

Nun liegt der Plan des Stadtrates auf dem Tisch und der lautet: in dieser Sache noch zwei Jahre zuzuwarten. Obwohl ihn eine Motion eigentlich verpflichtet hätte, innerhalb eines Jahres einen Vorschlag zuhanden des Grossen Gemeinderats zu erarbeiten.

Grundlagen hinterfragt

Der Stadtrat stützt sich auf eine Bestimmung in der Geschäftsordnung, welche dem Parlament erlaubt, «in wichtigen Fragen» die Frist zur Behandlung zu verlängern, nachdem ein Zwischenbericht vorgelegt wurde.

«Die Motion stellt die rechtlichen Grundlagen der Kulturpolitik der Stadt Zug infrage», schreibt der Stadtrat nun in seinem Zwischenbericht. Er habe unabhängig vom Vorstoss entschieden, die Kulturförderung der Stadt Zug neu zu organisieren.

Keine rasche Antwort möglich

Die Stabstelle Kultur sei in eine Abteilung umgewandelt worden, mit Iris Weder eine neue Leiterin bestellt worden. Nun wolle man in einem Mitwirkungsverfahren eine neue Kulturstrategie erarbeiten. Dies soll nach dem Willen des Stadtrats bis ins Jahr 2022 dauern – erst nachher könne man die Motion beantworten. Die Frage, ob ein solches Reglement «überhaupt zielführend ist, kann erst nach Abschluss der Aktualisierung der Kulturstrategie beantwortet werden», findet der Zuger Stadtrat.

«Die Ausarbeitung einer neuen Strategie mit der Abteilungsleiterin macht Sinn.»

Christoph Iten, Fraktionschef CVP

Mit diesem Vorgehen einverstanden ist die FDP, die stärkste Partei in der Stadt Zug, die mit Stadtpräsident Karl Kobelt auch den für die Kulturpolitik Verantwortlichen stellt.

FDP stützt ihren Stapi

«Die Verfehlungen im Kulturbereich wurden erkannt und vom Stadtrat entsprechende Massnahmen eingeleitet», sagt Etienne Schumpf, FDP-Fraktionschef im Grossen Gemeinderat. Man dürfe und müsse dem Stadtrat die Zeit und Chance geben, um diese entsprechend umzusetzen. Zumal der Zwischenbericht aufzeige, was bis wann gemacht wird.

«Der Stadtrat versucht, das Pferd vom Schwanz her aufzuzäumen.»

Gregor R. Bruhin, Präsident SVP Stadt Zug

Bei der städtischen CVP-Fraktion sind die Meinungen noch nicht gemacht. Persönlich sei er der Meinung, dass eine Ausarbeitung einer Strategie mit der neuen Abteilungsleiterin Sinn mache, und heisse daher die Fristverlängerung gut, sagt CVP-Fraktionschef Christoph Iten.

Leitplanken für den Stadtrat

Anders klingt's bei jenen, die ein Reglement für die Kulturförderung wollen. Hier fällt im Gespräch oft das Wort «lächerlich». Gregor R. Bruhin, Präsident der SVP der Stadt Zug, sagt: «Der Stadtrat versucht, das Pferd vom Schwanz her aufzuzäumen.» Als Ordnungspolitiker vertrete er den Standpunkt, dass die Legislative zuerst mit einem Reglement die Leitplanken für die Kulturförderung festlegen solle. Auf dieser Basis könne die Exekutive dann gestaltend tätig werden.

«Der Stadtrat will nun offenbar genau das Gegenteil. Er will das Parlament aushebeln und spielt auf Zeit.» Über Jahre hinweg werde nun an einer Strategie gewerkelt, um dann womöglich festzustellen, dass es gar kein Reglement brauche, wie Bruhin fürchtet – «und um zu verhindern, dass ein solches erlassen wird».

Dabei seien die Defizite bei der Kulturförderung gar noch nicht ernsthaft angepackt worden, findet er. Lediglich eine zusätzliche Hierarchiestufe sei in der Stadtverwaltung eingezogen worden. «Ich vermisse Leadership im Präsidialdepartement – ein Jahr reicht mehr als aus um Missstände zu bereinigen.»

Kobelt entscheidet allein

Hintergrund der Auseinandersetzung ist, dass die bestehenden Regelungen im Bereich der städtischen Kulturförderung nur Empfehlungscharakter haben. Das einzige, was in Stein gemeisselt ist, ist die Vergabekompetenz der Stadträte bei einmaligen Förderbeiträgen. Die liegt beim Stadtpräsidenten, ab einer gewissen Summe beim Gesamtstadtrat.

«Um Kulturschaffende vor Willkür zu schützen, sind rechtsverbindliche Rahmenbedingungen nötig.»

Stefan W. Huber, Fraktionschef GLP

Kulturstelle und Kulturkommission selber können nichts selber entscheiden, nur Empfehlungen ausarbeiten und Vorbereitungsarbeiten verrichten. Das Parlament hat ebenfalls nichts zu melden, es bewilligt lediglich die mehrjährigen Beiträge an Kulturhäuser, die an eine Leistungsvereinbarung gebunden sind.

Nur schöne Worte

Für die Arbeit der Kulturkommission gibt es zwar eine Verordnung, für die Vergabe von Fördergeldern auch Richtlinien. Wird dagegen verstossen – was in der Vergangenheit der Fall war – dann hat das keine Folgen.

Bei einem Reglement sähe das freilich anders aus. «Um Kulturschaffende vor Willkür bei der Vergabe von Fördergeldern zu schützen und transparente Prozesse zu gewährleisten, sind klare und rechtsverbindliche Rahmenbedingungen unbedingt nötig», sagt Stefan W. Huber, Fraktionschef der Grünliberalen im Grossen Gemeinderat. «Diese müssen das künftige Fundament der Kulturstrategie bilden – und nicht umgekehrt.»

Ausserden hätten es Kulturschaffenden und ihre Arbeit haben verdient, auch auf Ebene der Stadt rechtlich anerkannt zu werden. «Gerade Corona zeigt wie fehlende Rechtsgrundlagen und Verbindlichkeiten dem Kulturschaffen schaden» so Huber. Mit der rechtlichen Anerkennung in Form eines Reglements könne man ihnen zeigen, wie wichtig sie sind.

Kanton Zug hat Reglement

Huber und Bruhin weisen darauf hin, dass der Kanton Zug ein solches Reglement über die Kulturförderung besitze. Auch die grossen Städte haben eins – und etwa mit Uster im Zürcher Oberland auch solche mit einer vergleichbaren Einwohnerzahl wie Zug.

Diese Reglemente vereinen in der Regel verschiedene Elemente, die es in Zug zum Teil auch gibt. Aber sie sind andernorts rechtsverbindlich, da von der Legislative festgesetzt. Huber bezeichnet die Richtlinien, die in der Stadt Zug bloss Empfehlungscharakter haben, als «Absichtserklärungen» des Stadtrates.

«Ein klares, gut aufgegleistes und transparentes Kulturreglement ist wichtig.»

Tabea Zimmermann Gibson, ALG

Die politische Linke beobachtet das Treiben um die Stadtzuger Kulturförderung skeptisch und mit gemischten Gefühlen. Traditionell ist man für Transparenz, aber auch für eine grosszügige Kulturförderung.

«Zähneknirschende Zustimmung»

Da die SVP in der Vergangenheit auch schon mit Kürzungsanträgen auf sich aufmerksam gemacht hat, traut ihr die Linke nicht über den Weg. «Völlig zu Unrecht», wie Gregor R. Bruhin beteuert. «Wir wollen einfach eine saubere gesetzliche Grundlage, daher spannen wir ja mit den Grünliberalen zusammen, von denen wir uns sonst in vielen Punkten politisch unterscheiden.»

Für die Alternative – die Grünen ist es grundsätzlich «wichtig, dass es ein klares, gut aufgegleistes und transparentes Kulturreglement» gibt, wie die Gemeinderätin Tabea Zimmermann Gibson und Fraktionschef Stefan Hodel übereinstimmend sagen. Da aber Diskussionen 2020 coronabedingt «über weite Strecken nicht möglich waren, nehmen wir den Zwischenbericht und die Verschiebung des Resultates zähneknirschend zur Kenntnis», so Zimmermann Gibson.

Dass es für eine lebendige Kultur auf dem teuren Pflaster der Stadt Zug eine grosszügige Kulturförderung braucht, sei für die ALG klar. «Weshalb es aber nicht möglich sein soll, die Kriterien und den Prozess für die aktuelle Kulturförderung bereits jetzt klar zu definieren, sondern mit dieser Transparenz zu warten, bis die neue Strategie steht», ist für Zimmermann Gibson nicht einleuchtend.

«In der Zuger Kulturpolitik braucht es mehr Gestaltungswillen.»

Rupan Sivaganesan, Präsident SP der Stadt Zug

Warum dauert das so lange?

Für Rupan Sigavanesan, Präsident der SP der Stadt Zug, ist vorab von Bedeutung, wie die städtische Kulturpolitik am Ende aussieht. Er wundert sich, dass die Festlegung der neuen Kulturstrategie – eigentlich nur eine Art konkretisiertes Leitbild – so lange dauern soll. «Das ist ja unheimlich», sagt er. Anstatt einer abwartenden erwarte er eine zupackende Haltung. «In der Zuger Kulturpolitik vermissen wir momentan den Gestaltungswillen – davon braucht es definitiv mehr.»

Falls übrigens das Zuger Stadtparlament dem Stadtrat die Fristverlängerung Mitte Dezember verweigern sollte, dann sitzt dieser in der Tinte. Oder klarer ausgedrückt: Der Poker, um ein Reglement herumzukommen, und die einmaligen Kulturförderbeiträge auch in Zukunft ohne rechtsverbindliche Regeln verteilen zu dürfen, scheitert dann.

Mögliches Szenario

In diesem Fall kann der Grosse Gemeinderat der Exekutive eine kurze Nachfrist setzen oder sie gänzlich verweigern. «Dann wäre der stadträtliche Bericht und Antrag sobald wie möglich zu traktandieren», sagt Stadtschreiber Martin Würmli, «grundsätzlich auf die nächstfolgende GGR-Sitzung». Die findet am 19. Januar statt und würde den Stadtrat nötigen, in Rekordtempo nachzuholen, was er ein Jahr lang versäumt hat: Sich ein Kulturreglement aus den Fingern zu saugen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Stefan W. Huber
    Stefan W. Huber, 03.12.2020, 09:46 Uhr

    Die Kulturschaffenden haben eine rechtliche Anerkennung ihrer Arbeit auf Ebene Stadt verdient. Einmal mehr zeigt sich mit Corona, wie fehlende Rechtsgrundlagen und Verbindlichkeiten das Kulturschaffen schwächen und gar die Existenz vieler Kulturschaffenden bedrohen. Eine rechtliche Anerkennung und klare Rahmenbedingungen für die Kultur bieten die Chance den Kulturschaffenden- und Kulturvermittelnden zu zeigen, dass sie genau so zu unserer Stadt gehören wie die Wirtschaft, oder das Gewerbe. Die Kulturschaffenden leisten einen wertvollen Beitrag an das Leben und die Lebensqualität unserer Stadt. Sie haben es verdient, dass wir Politiker*innen ein paar wesentliche Grundsätze, eine gute Basis schaffen, auf die sie sich verlassen können – gerade dann wenn es darauf ankommt.

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  • Profilfoto von Gruesse vom Einhorn Schlachthaus
    Gruesse vom Einhorn Schlachthaus, 03.12.2020, 07:33 Uhr

    Ein politisches Phänomen, dass man hierzulande auf allen Ebenen immer öfter antrifft: Die Exekutive verselbständigt sich von der Legislative und den Aufträgen des Gesetzgebers; giert nach mehr Kompetenzen und Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Am liebsten ohne Kontrollen oder Rechenschaftspflicht und mit weitreichenden Vollmachten. Dabei wird aber dummerweise immer auch eine der obersten Demokratie-Prämissen verletzt – die Gewaltenteilung. Die Judikative bleibt aussen vor, denn wo kein Kläger, da kein Richter! Babylon System Zug, es überrascht leider nicht!

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