Luzernerin Marina Lutz mit neuem Cartoon-Buch

Mit einer scharfen Feder rebelliert sie gegen mächtige Politiker

«Ich bin nur eine kleine Cartoonistin, die gegenüber mächtigen Menschen von unten her stichelt», sagt Marina Lutz über sich selbst.

(Bild: ida)

Der Drang zur spitzen Feder: Marina Lutz zeichnete in ihrem Leben Hunderte von Karikaturen. Nun veröffentlichte sie ein Buch mit ihren Cartoons – dessen Titelbild von einer Zeichnung geziert ist, die sich eine Zeitung sträubte abzudrucken. Marina Lutz über Rebellismus und Handschellen beim Zeichnen.

«Ich bin nur eine kleine Cartoonistin, ich bin harmlos, habe weder Geld noch Macht», sagt Marina Lutz. «Ich zeichne meine Bilder über Leute, die höher gestellt sind als ich. Dann denke ich mir so: Jetzt darfst du von unten her auch sticheln.»

Schon als Kind griff Lutz im Unterricht lieber zum Bleistift und skizzierte ihre Deutschlehrerin: «Sie hatte eine Frisur, die die Form eines Pilzes hatte. Also zeichnete ich die Deutschlehrerin als einen Pilz.» Einen anderen Lehrer skizzierte sie als einen Mopp – weil er eben die Frisur eines Wischmopps hatte. Über das Zeichnen habe sie schon immer ihrem Unmut Luft machen können.

Jahre später greift Marina Lutz immer noch zum Bleistift. Entstanden sind Hunderte von Cartoons. Sozialkritische, bitterböse, aber auch harmlose, wie die heute 31-Jährige meint. Die besten Cartoons hat die freischaffende Künstlerin nun in ihrem Buch «Worauf wir Schweizer stolz sind» veröffentlicht (siehe Box). Unzensiert, versteht sich.

Beliebtes Motiv: Bischof Huonder

Nach ihrem Bachelor in Illustration an der Hochschule Luzern zeichnet Marina Lutz für diverse Medien. Seit 2013 erscheinen ihre Cartoons wöchentlich im «Bündner Tagblatt». Da sie sich deshalb mehr mit regionalen Themen auseinandersetze, müsse sie sich nur wenig mit Donald Trump abkämpfen. «Gott sei Dank», wie sie anfügt. Sie zeichnet übers Jagdgesetz, über den Wolf, aber auch komplexere Themen wie die AHV-Steuervorlage. Ein beliebtes Motiv von Lutz ist auch der umstrittene Churer Bischof Vitus Huonder.

Hat eine sozialkritische Feder: Marina Lutz in ihrem Atelier in Emmenbrücke.

Hat eine sozialkritische Feder: Marina Lutz in ihrem Atelier in Emmenbrücke.

(Bild: ida)

«Abgelehnt», so die Redaktion

Nicht immer werden die Cartoons von den Redaktionen, für die Lutz arbeitet, auch gedruckt. So gerade eine der Lieblingskarikaturen von Marina Lutz. Auf dieser sind Vertreter des Klerus zu sehen, wie sie sich sabbernd und Hände-reibend um eine Torte scharen. Inmitten der Torte thront die Figur eines Gardisten. Marina Lutz zeichnete die Karikatur 2014, als durch einen Whistleblower bekannt wurde, dass der Klerus Schweizer Gardisten im Vatikan sexuell belästigt habe. «Du bist mein Dessert», habe ein Priester einem Gardisten gesagt.

«Das ist wohl die rebellische Seite an mir.»

Marina Lutz, Luzerner Cartoonistin

Lutz fand ihre Zeichnung so cool, dass sie sie zum Titelbild ihres neuen Buches machte. Skeptischer war das «Bündner Tagblatt»: Diese wollte die Karikatur «ihrer noch stark christlichsozial geprägten älteren Leserschaft nicht zumuten», wie es der stellvertretende Chefredaktor Norbert Walser im Vorwort des Buches «Worauf wir Schweizer stolz sind» schreibt.

Die in Graubünden geborene und heute in Luzern lebende Lutz hat daraus ihre Lehre gezogen: Sie schickt den Redaktionen ihre Zeichnungen auf den letzten Drücker. Kurz vor Redaktionsschluss also, bevor die ganze Zeitung für den Druck bereitstehen muss. Denn je später sie ihre Cartoons schicke, desto weniger würden sie abgelehnt.«Ich bin manchmal schon ein Schlitzohr. Das ist wohl die rebellische Seite an mir», so Lutz.

«Vom Bündner Tagblatt abglehnt.» (Aus dem Buch: «Worauf wir Schweizer stolz sind»)

Von Handschellen beim Zeichnen

Je nachdem, für welches Medium, beziehungsweise welchen Chef sie zeichne, darf sich die Künstlerin ausleben. «Manchmal habe ich das Gefühl, beim Zeichnen von Handschellen gefangen zu sein. Weil die Gedanken darum kreisen, was ich zeichnen darf und was nicht.» Doch nicht nur der Chef gebe vor, was erlaubt ist. Die Luzernerin zieht ihre eigenen Grenzen. Bei Karikaturen über Religionen sei sie eher zurückhaltend.

Römisch-katholisch aufgewachsen, fertige sie Karikaturen über das Christentum an, nicht aber über den Islam. «Ich würde mich nie trauen, Mohammed mit heruntergezogener Hose zu zeichnen», so Lutz. Da bevorzuge sie es denn doch, zu leben.

«Ich würde mich nie trauen, Mohammed mit heruntergezogener Hose zu zeichnen.»

Marina Lutz

Während Marina Lutz in ihrem Cartoon-Buch blättert, erinnert sie sich an lustige Anekdoten. Eine Karikatur zeigt drei UBS-Chefs, die dem Kloster Disentis 100’000 Franken schenkten. «Moderner Ablasshandel», so Marina Lutz› Kommentar dazu. «Vermutlich mussten sie nach der Finanzkrise ihr Image aufpolieren.»

Das witzige an der Zeichnung: Kaum im Bündner Tagblatt abgedruckt, erhielt Marina Lutz einen Anruf der Frau des UBS-Chefs. «Ich rechnete mit einem Donnerwetter», erzählt Lutz. «Doch die Frau lobte mich stattdessen, dass ich ihren Mann wirklich gut getroffen hätte. Und sie wollte unbedingt die Original-Karikatur kaufen.»

Vernissage in Luzern

Wer mehr von Marina Lutz erfahren und von den Cartoons sehen möchte: Am 11. Mai findet in der Kali Gallery an der Lädelistrasse 4 die Buchvernissage von Marina Lutz' Buch «Worauf wir Schweizer stolz sind» statt. Beginn ist um 19 Uhr.

Von Touristen und Robin Hood

Marina Lutz hätte auch schon Ideen, welche Karikaturen sie über Luzern zeichnen könnte. So manche Politiker dürften nicht verschont bleiben. David Roth – heutiger SP-Präsident des Kantons Luzern und früherer Juso-Präsident – hat sie bei Lancierung der 1:12-Initiative bereits als Robin Hood gezeichnet.

Lutz könnte sich ebenso von den Sparbemühungen des Kantons – gerade auch in der Kulturszene – oder vom Stadt-Land-Graben inspirieren lassen. Aber nicht nur: «Alleine über die Touristen und das Car-Problem könnte ich wohl ein ganzes Buch füllen», so Lutz.

Marina Lutz zeichnete auch David Roth, den SP-Präsidenten des Kantons Luzern.

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