Dank Blockchain-Technologie aus Zug

Luzernerinnen entwickeln «faireres Spotify»

Zum Team von NEWM gehören Co-CEO Florian Sorg (links), Produkt-Chefin Tiziana Pittini (Mitte) und der Marketing-Verantwortliche Alex Vavourakis (rechts) (Bild: Renato Regli)

Der neue Streamingdienst «NEWM» will den Musikmarkt umkrempeln. Mithilfe der Blockchain-Technologie sollen Fans direkt in Künstler investieren.

Traditionell werden die Einnahmen von Musik-Streamingdiensten verteilt an Dienstleister und Labels wie auch an die Künstlerinnen. Die Dienstleister sorgen dafür, dass die Musik beim Publikum ankommt, die Labels kümmern sich um Produktion und Marketing. Bei Marktführer «Spotify» fliessen beispielsweise 30 Prozent der Einnahmen an den Streamingdienst und 70 Prozent an die Labels beziehungsweise die Künstler.

Spotify zahlt pro Stream rund 0.004 US-Dollar an Musikerinnen aus, wobei die minimale Auszahlungsgrenze bei 1'000 US-Dollar liegt. Das bedeutet, dass erst nach 250'000 Streams überhaupt Geld von Spotify zu den Künstlern fliesst. Und danach wieder weitere 249'999 Streams nichts mehr. Insbesondere Musikerinnen ohne Millionen-Reichweite haben so das Nachsehen.

«Diesen Kreislauf wollen wir durchbrechen», sagt Tiziana Pittini, Chief Product Officer von «NEWM», einem neuen Musik-Streamingdienst. Dieser entsteht derzeit mithilfe von Schweizer und insbesondere Luzerner Entwicklerinnen sowie der Unterstützung einer Zuger Stiftung. Er soll Musikern fairere Marktbedingungen bieten und Fans ermöglichen, direkt in sie zu investieren und sich an ihrem Erfolg zu beteiligen.

Blockchain für fairere Musikindustrie

Der Luzerner Alex Vavourakis, Head of Marketing & Digital, betont, dass es bei NEWM, im Gegensatz zu Spotify, das zu grossen Teilen Labels mit Eigeninteressen gehöre, keine Mittelsmänner gebe, die mitverdienen wollten.

Vavourakis ist einer von drei Luzernern im über 40-köpfigen internationalen Team des neuen Streamingdienstes, das ein «faireres Spotify» bieten will. Mithilfe der Blockchain-Technologie sollen Künstlerinnen direkter mit ihren Fans interagieren können – insbesondere finanziell.

NEWM will Musikern ermöglichen, schneller zu Tantiemen zu gelangen sowie Anteile ihrer Streaming-Einnahmen zu verkaufen. Ähnlich wie bei Aktiengesellschaften sollen Fans die Möglichkeit erhalten, direkt in die Künstler zu investieren.

Ein Marktplatz für unabhängige Musik

Dafür arbeitet der Streamingdienst mit sogenannten Non-Fungible Token (NFT). Diese funktionieren wie Quittungen und als Speicher für Songs und Verträge. Für jeden Song werden dann 100 Millionen «Stream Token» erstellt – die Aktien sozusagen. Diese repräsentieren 100 Prozent der künftigen Streaming-Einnahmen für einen Song und können von den Künstlerinnen zu einem selbstgewählten Betrag verkauft werden.

Sogenannte Non-Fungible Token (NFT) sind einzigartige Kunstwerke, die als Speicher-Medium für die Songs und Rechte-Verträge auf der Blockchain dienen.
Sogenannte Non-Fungible Token (NFT) sind einzigartige Kunstwerke, die als Speicher-Medium für die Songs und Rechte-Verträge auf der Blockchain dienen. (Bild: zvg)

Die Fans erhalten also Anteile an den Streaming-Einnahmen. Und durch den Verkauf der Stream Token verdienen die Künstler früher. «Die Fans können die Stream Token auch weiterverkaufen und damit handeln», erklärt Vavourakis. Als Anteilseigner hätten sie ein Interesse daran, die Musik weiterzuempfehlen, und übernähmen so einen Teil des Marketings.

Das habe zudem zur Folge, dass die Algorithmen anders trainiert und ausgebaut würden als beispielsweise bei Spotify. Dort haben Labels die Möglichkeit, die Algorithmen so zu beeinflussen, dass bestimmte Musik nach vorne gepusht wird – oder nach hinten verdrängt.

Durch das Konzept von NEWM werden Musiker zu einer Art Aktiengesellschaft und die Fans, die deren Stream Token kaufen, zu so etwas wie Aktionären. Wenn eine Künstlerin bekannt wird oder ein Song zu einem Hit, steigt der Marktwert ihrer Stream Token.

In zwei Jahren soll die Plattform stehen

Derzeit startet NEWM in die entscheidende Testphase. «Aktuell haben wir eine Liste von über 500 Musikerinnen», sagt Vavourakis. Amerikanische Musik soll den Weg zu weiteren Künstlern und Labels ebnen. Der in der Hip-Hop-Szene weit vernetzte Rapper MURS begleitet die Entwicklung des Produkts.

Der komplette Streamingdienst soll im Verlauf der kommenden zwei Jahre stehen. Daraufhin wird sich NEWM auf den Marktplatz fokussieren und die zugehörige App bewirtschaften. «Wir stellen die Plattform zur Verfügung und der Rest funktioniert automatisiert», sagt Tiziana Pittini.

«Am Ende möchten wir so viel wie möglich an die Musiker abgeben.»

Florian Sorg, NEWM-Mitbegründer und Co-CEO

Die Musik werde von NEWM auch auf über 100 weiteren Plattformen wie Spotify hochgeladen und zum Hören zur Verfügung stehen. Die Künstlerinnen profitieren dabei von der Reichweite und haben zusätzlich den Vorteil, dass alle Tantiemen bei einer Plattform gesammelt und ausbezahlt werden.

Um die Plattform zu finanzieren, werden Transaktionsgebühren beim Verkauf der Stream Token erhoben. Ziel sind marktübliche 2.5 Prozent. «Am Ende möchten wir so viel wie möglich an die Musiker abgeben», sagt Co-CEO Florian Sorg. Im Moment finanziere sich das Projekt vornehmlich durch Förderbeiträge von Stiftungen.

Neue Chance für die Musikindustrie?

Das Aufkommen des Internets hat die Musikindustrie schon einmal durchgeschüttelt. Musiker verdienen mittlerweile nur noch wenig Geld mit Tonträgern und generieren ihr Haupteinkommen durch Konzerte. Der Einfluss von grossen Labels wurde stetig kleiner und Künstlerinnen sind heute unabhängiger denn je.

Neue Streamingdienste, die durch Blockchain-Technologie ermöglichen, dass sich Fans direkt an der Kunst von Musikern beteiligen, könnten zur nächsten grossen Disruption auf dem Markt führen und die Abhängigkeit von Labels weiter schrumpfen lassen.

Die Technik im Detail

NEWM verwendet den sogenannten «Delegated Proof of Stake»-(DPoS)-Ansatz. Dabei entsteht ein neuer Datensatz dadurch, dass die Community durch sogenanntes «Staking» Anteile an der Blockchain hält und diese an einen sogenannten «Stakepool» delegiert. Die Delegierten stimmen darüber ab, wer die Blockchain erweitern und das Transaktionsentgelt verteilen darf.

NEWM baut auf der DPoS-Blockchain Cardano auf und handelt mit der Kryptowährung ADA. Die Cardano-Blockchain wird unter anderem von der gleichnamigen Stiftung in Zug bereitgestellt, die in der Vergangenheit für negative Schlagzeilen sorgte. (zentralplus berichtete).

Die Cardano Stiftung fördert die Gestaltung von Rechtsvorschriften und Handelsnormen für die Blockchain. «Sie besitzt begrenzten Zugriff auf die Administration der Blockchain», erklärt Sorg. «Verschiedene Instanzen haben einen solchen begrenzten Zugriff und nur bei gemeinsamem Konsens können Änderungen vorgenommen werden.» Abgesehen davon habe das Projekt keinen direkten Bezug zur Cardano Stiftung.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Florian Sorg, Tiziana Pittini & Alex Vavourakis
  • Internetrecherche zur Blockchain-Technologie
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