Kult-Spiel mit neuen bitterbösen Karten

Luzernerin zieht den Kampf gegen das Bünzlitum in die nächste Runde

Tauchte doch noch auf: Comedian Johnny Burn und die Spieleentwicklerin Angela Vögtli.

(Bild: ida)

Primitiv, pervers und immer an der der Grenze des guten Geschmacks – die Luzerner Spielemacherin Angela Vögtli ist zurück und stellte am Donnerstag eine Erweiterung ihres Spiels «Kampf gegen das Bünzlitum» vor. Auch wir haben ein paar Mal schlucken müssen – und unsere Lachmuskeln strapaziert.

«Sexgrüsel sind der wahre Grund, weshalb der Emmentaler-Käse Löcher hat.» Primitiv, frech – ohne Rücksicht auf Verluste. So kommt auch die Erweiterung des Kartenspiels «Kampf gegen das Bünzlitum» daher. Und so mancher Bünzli wird vermutlich die Augenbrauen in die Höhe ziehen.

Angela Vögtli, die Luzerner Spielemacherin und Grafikerin ist von Nimmermüdigkeit geprägt, was sie auch diesen Donnerstagabend im Madeleine wieder beweist. «Ich empfehle euch, zuerst an die Bar zu gehen und dann an das Spiel», lautet ihr Ratschlag.

Den Rat zu Herzen genommen, an die Bar getrabt, das Bier zur Hand genommen und an den Tisch gesetzt: Die Karten werden durchgemischt. Während die einen hämisch grinsen, gönnen sich andere einen grossen Schluck, laufen rot an. Und mit jedem Schluck sinkt die Hemmung, die Aussagen werden provokativer und perverser. Ein geselliger Bierabend – jenseits des guten Geschmacks eben.

Über Christoph Blochers pink lackierte Schuhe aus Serbien

Für die Erweiterung hat die Spielemacherin zehn Schweizer Comedians mit ins Boot geholt. So auch Andreas Thiel, Dominic Deville, Beat Schlatter, Hamza Raya und Johnny Burn. Jeder Comedian hat zehn Karten entworfen – und dabei völlige Freiheiten genossen. «Man merkt genau, von wem welche Karte ist. Der Charakter und der Humor des Comedians widerspiegeln sich eins zu eins in den Karten», sagt Vögtli.

Diejenigen von Bänz Friedli seien von seinem feinen Humor geprägt, während Hamza Raya und Andreas Thiel «deftig reinschiessen». Gerade Raya, der libanesische und irakische Wurzeln hat, bringe viele Witze über Araber. «Andere würden sich das wohl nicht trauen, weil man sie dann als rassistisch bezeichnen würde», so der Kommentar Vögtlis. Auch der Luzerner Johnny Burn gehe in eine ähnliche Richtung – nur eben, dass er die Asiaten aufs Korn nehme.

«Der Charakter und der Humor des Comedians widerspiegeln sich eins zu eins in den Karten.»

Angela Vögtli, Spieleentwicklerin und Grafikerin

Vögtli hat bereits zwei Lieblinge unter den Karten gefunden: So zum Beispiel eine, die Hamza Raya kreiert hat: «Christoph Blochers pink lackierte Schuhe aus Serbien». «Sehr geil», meint Vögtli. Die zweite Karte, die es ihr bereits angetan hat, ist recht simpel: «Beat Schlatter». Der Comedian Dominic Deville hat kurzerhand seinem Kollegen Beat Schlatter, der ebenfalls beim Projekt mitgemacht hat, eine Karte gewidmet. Von seinem Glück wisse der bis anhin noch nichts.

«Ein Spiel soll leben»

Bereits über 6’000 Mal wurde das provokative Kartenspiel «Kampf gegen das Bünzlitum» verkauft. Vögtli habe aus ihrem Umfeld viele Reaktionen erhalten, dass man die 150 Frage- und 450 Antwortkarten bereits in- und auswendig kenne. So spielte sie mit dem Gedanken, eine Erweiterung zu planen. «Ich finde es schade, wenn man das Spiel, nachdem man es dreimal gespielt hat, in in die Ecke wirft», so Vögtli. Dies sei reine Ressourcenverschwendung. «Ein Spiel soll leben und sich weiterentwickeln können.»

Gesagt, getan – und Vögtli und ihr Kumpel Jérôme Schwarzkopf, der für die administrativen Angelegenheiten ihres Spielverkaufs zuständig ist, machten sich ans Werk. «Zuerst dachten wir, dass vom einen oder anderen Comedian ein ‹Spennsch eigentlich?› zurückkommt», meint Vögtli lachend. Die Comedians waren jedoch Feuer und Flamme für das Projekt – und nun liegen 100 neue Karten auf dem Tisch. Diese kann man mit den alten durchmischen.

Diejenigen unter uns, die wenig mit schwarzem Humor anfangen können, werden wohl peinlich berührt die Karte auf den Tisch legen, während andere einen Satz vorlesen und überrascht sind, zu welchem Fiesling sie doch mutieren können. Doch mit jeder Runde wird man hemmungsloser, mutiger und Donald Trump und seine Erektionsstörungen scheinen da ziemlich gut in die Runde zu passen.

Je primitiver, desto besser. Wo sich wohl der Fiesling in dieser Runde befindet?

Je primitiver, desto besser. Wo sich wohl der Fiesling in dieser Runde befindet?

(Bild: ida)

Bünzlitum, Spiessertum und bald folgen die Korinthenkacker

Angela Vögtli möchte in Zukunft mehr auf die Spieleentwicklung setzen. Die Erweiterung ist bereits das dritte Spiel, das sie auf den Markt bringt. 2015 sorgte die Luzernerin mit ihrem Basisspiel «Kampf gegen das Bünzlitum» für Aufsehen, zwei Jahre später folgte eine deutsche Version, der «Kampf gegen das Spiessertum».

Doch auch unsere österreichischen Nachbarn dürfen sich freuen – oder aber sich warm einpacken. Denn der Prototyp für den «Kampf gegen die Korinthenkacker» steht bereit und wird voraussichtlich ab Herbst erhältlich sein. Diese Version war für die Spielemacherin die grösste Herausforderung. Über die Medien sei man mit der deutschen Kultur gut vertraut, mit der österreichischen hingegen kaum. «Wenn man an Österreich hört, denkt man an Arnold Schwarzenegger und Falco. Doch die ganze politische Struktur ist vielen unbekannt», sagt Vögtli. So ist sie mit Studenten und einem Journalisten zusammengesessen – und hat dabei auch viel Neues dazu gelernt.

Von «Anti-Bünzlis» und einer «kleinen Nazi-Geschichte»

«Ich bin selbst schon durch und durch ‹unbünzlig›», sagt Vögtli lachend. «Abgesehen von dem Kräutergarten, den ich zu Hause habe. Dieser qualifiziert mich wohl doch zu einem Bünzli.» Ein «Bünzli» sei in ihren Augen ein sehr konformer und biederer Mensch, der nichts in seinem Leben wage und nicht auffallen möchte. «Ein Bünzli schwimmt mit dem Strom und wird niemals laut.» 

«Ich bin selbst durch und durch ‹unbünzlig›. Abgesehen von dem Kräutergarten, den ich zu Hause habe.»

Angela Vögtli

Das Prinzip des Spiels, das auf dem Spiel «Cards against Humanity» beruht, ist recht simpel: Je primitiver, desto besser. Negative Kritik musste Vögtli bis anhin kaum einstecken. «Da gab es eine kleine Nazi-Geschichte», erzählt sie. Ein Mann hat in Deutschland in einem Laden ihr Kartenspiel gekauft, wo es eben auch Kinderspielsachen gibt. Erzürnt über die Karte, die das NS-Regime thematisiert, brachte er das Spiel zurück und drohte gar mit einer Klage. Das hat sich nun aber wieder gelegt.

Grenzenloser Humor – oder die Frage nach der moralischen Grenze

Die selbstständige Grafikerin ist der Ansicht, dass man über alles lacht – oder eben über nichts. Dass sie den schwarzen Humor liebt und lebt, liegt auf der Hand – sprichwörtlich. «Es geht nicht darum, zu selektieren, über was man lachen darf und was man nur todernst nehmen darf. Wenn man über Feministen lacht, aber nicht über Nazis, wenn man über die Linken Witze reisst, aber nicht über die Rechten – dann wird es politisch. Und das wollen wir nicht», stellt Vögtli klar.

«Wenn man über Feministen lacht, aber nicht über Nazis – dann wird es politisch. Und das wollen wir nicht.»

Angela Vögtli

Diese selektive moralische Grenze, die jeder von uns für sich selbst festlegt, findet Vögtli spannend. «Jemand kann es beispielsweise total okay finden, eine Karte über Genitalverstümmelung auf den Tisch zu legen und eine möglichst primitive Aussage darüber zu bringen. Zugleich würde sich dieselbe Person niemals provokativ über eine Frau in Hotpants äussern, weil dies ja frauenfeindlich ist.» Bei ihrem Spiel lernt man eben auch das Gegenüber kennen.

Die einen sitzen an den Tischen und spielen – andere vergnügen sich lieber direkt an der Bar im Madeleine.

Die einen sitzen an den Tischen und spielen – andere vergnügen sich lieber direkt an der Bar im Madeleine.

(Bild: ida)

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