Luzerner Spitzenmusiker müssen neben Abfalltonnen üben
Die Stadt Luzern gibt dem Luzerner Theater fünf Millionen Franken zur Sanierung. Noch bevor der eigentliche Neubau fertig geplant ist. Denn das Geld scheint bitter nötig.
Neben dem Erste-Hilfe-Kasten ragen bunte Kabel aus der Wand. Im Boden klafft ein Riss. Warum im Sanitätsraum des Luzerner Theaters auch der Serverraum ist? «Wir haben einfach nicht mehr Platz», sagt Betriebsdirektor Stefan Vogel.
Vogel führt in den einzigen Logistikraum des Hauses, direkt unter der Bühne. Auf acht mal acht Meter muss das Theater dort alles kleinere Material zwischenlagern. Grössere Bühnenbilder müssen via Aussenlift in die Theaterstrasse abgelassen und im Südpol gelagert werden. Im Luzerner Theater gibt es für sie keinen Platz.
Ausserdem stehen im Logistikraum die Abfalltonnen. Grosse, graue Metallkisten, in denen der Güsel des einzigen Dreispartenhauses der Zentralschweiz landet. Und davor: Dort müssen sich die Musikerinnen des Luzerner Sinfonieorchesters vor jedem ihrer Auftritte einspielen.
Sinfonieorchester Luzern: Umstände sind nicht zu akzeptieren
Numa Bischof, Intendant des Sinfonieorchesters, findet dafür klare Worte. Musiker würden die «widrigen Umstände» zwar demütig akzeptieren und das Beste daraus machen. «Man kann im Luzerner Theater aber nicht auf anständigem, berufsgerechtem Niveau arbeiten.»
Bis zu 40 Musikerinnen bereiten sich im engen Logistikraum vor einem Konzert vor. Mehr schlecht als recht, sagt Bischof. «Dort kann man nicht die Ruhe, Konzentration und den Abstand finden, den es braucht, um sich auf eine Spitzenleistung vorzubereiten.» Auch im Orchestergraben sei es kaum besser, denn dieser platze «aus allen Nähten».
Das Luzerner Sinfonieorchester hat sich als Residenzorchester des KKL Luzern weltweit einen guten Ruf erarbeitet. Im Luzerner Theater amtet es als Opernorchester. «Für uns ist das ein grosses zeitliches Engagement und ein wichtiger Auftrag», sagt der Intendant. Auch, wenn die Umstände «eigentlich nicht zu akzeptieren sind».
Seit 20 Jahren sind die Probleme des 185 Jahre alten Theatergebäudes bekannt. Doch weil lange über einen Neubau diskutiert wurde, erst den «Salle Modulable» und nun das neue Luzerner Theater, seien die meisten Sanierungen aufgeschoben worden, erklärt der Betriebsdirektor Vogel beim Rundgang. «Vorne sieht es noch recht passabel aus. Die eigentlichen Probleme sind unsichtbar.»
Stadt Luzern will Luzerner Theater bei Sanierung unterstützen
Auch die Stadt Luzern hat nun eingesehen, dass es nicht so weiter geht. Gemeinsam mit einem Planungskredit für den Theaterneubau bittet der Luzerner Stadtrat das Parlament um eine Zahlung von fünf Millionen Franken an die Theaterstiftung, für eine «dringende» Sanierung (zentralplus berichtete). Das löst zwar nicht die grossen Probleme, dafür aber viele kleine.
Insgesamt geplant sind 50 Einzelmassnahmen und drei Hauptarbeiten. Eine Erneuerung der baufälligen Kanalisation. Eine Instandsetzung der Bühnensteuerung inklusive der Technik, um den Vorhang zu öffnen. Und Ausbesserungen an der Elektrik. Dies sei der Sanierungsbedarf bis 2028, betont Stefan Vogel.
Nur das Nötigste soll erneuert werden, dies sei sicher keine «Luxussanierung», betont der Jurist und Musikwissenschaftler, der seit 2021 den Betrieb verantwortet. «Es geht einzig darum, den Betrieb aufrechtzuerhalten.» Auch wenn Bestuhlung und Foyerteppich abgenutzt seien, werde auf ihren Ersatz verzichtet. «Das beeinträchtigt nicht die Funktion des Hauses.»
Wenn jetzt nicht saniert wird, könnte der Betrieb stoppen
Eine dringende Erneuerung benötigt allerdings die Bühnensteuerung. Während sich auf der Bühne Tänzer für die Probe warm machen, erzählt der Bühnenmeister von seinem Alltag. «Steuerungsausfälle sind hier daily business.» Elemente, die über Maschinenzüge von der Decke gelassen werden und der Vorhang würden nicht verlässlich funktionieren. Jede Korrektur ist ein Kosten- und Zeitaufwand.
Stefan Vogel sagt: «Wenn wir jetzt nicht irgendetwas tun, können wir nicht garantieren, das Theater weiter bespielen zu können.» Die Stiftung des Theaters habe mit Geld aus dem Erneuerungsfonds bereits vieles erneuert wie zum Beispiel den Brandschutz. Nun sei der Topf leer. «Wir sind daher auf die Unterstützung der Stadt angewiesen.»
Das Geld der Stadt soll auch langfristig nutzen, versichert der Betriebsdirektor. Etwa 40 Prozent der Investitionen könnten weiter genutzt werden, wenn das neue Luzerner Theater gebaut wird. Mobile Geräte der Bühnentechnik sollen auch in der Übergangsspielstätte genutzt werden.
Luzerner Theater plant Zwischennutzung
In der Übergangsspielstätte soll das Theater während der Bauarbeiten den Betrieb weiterführen. Erste Gespräche hätten dafür schon stattgefunden. Verhandlungen würden aber erst folgen, wenn die Weiterplanung des Neubaus garantiert sei, sagt Vogel. Dafür müssen die Luzerner dem Planungskredit von 13,8 Millionen Franken im Februar 2025 zustimmen.
Die Stadt erhofft sich von der Abstimmung ein erstes Stimmungsbild, wie der überarbeitete Entwurf der Ilg Santer Architekten bei den Bürgerinnen ankommt. Bevor das Volk in wenigen Jahren über den Baukredit des 130-Millionen-Projekts definitiv entscheiden darf. Sind die Luzerner dem Projekt gewogen, können die Musikerinnen des Luzerner Sinfonieorchester ab 2030 in neuen Räumen üben. Bis dahin heisst es: demütig bleiben.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.