Schweizer Bergwelt von Hand gezeichnet

Luzerner Horror-Game «Mundaun» stürmt weltweit die Charts

Die Spielwelt von Mundaun kommt in einem düsteren handgezeichneten Look daher. (Bild: Michel Ziegler / Hidden Fields)

Der Entwickler Michel Ziegler aus Luzern hat mehr als sechs Jahre an seinem Videospiel «Mundaun» gearbeitet. Bereits wenige Tage nach der Veröffentlichung geht der Titel international steil. zentralplus hat sich in Zieglers düstere Bergwelt gewagt.

Ein altes Postauto bringt uns über eine kurvige Strasse ins abgelegene Bergdorf Mundaun. Unter uns wabert der Nebel an den kargen Berghängen empor. Der plötzliche Tod unseres Grossvaters hat uns zurück in das Dorf aus unserer Kindheit gelockt, obwohl uns der Dorfpfarrer in einem Brief anrät, auf einen Besuch zu verzichten.

Kaum im Ort angekommen, müssen wir feststellen, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht – besonders nachts. Dann lauern uns nämlich unheimliche Gestalten auf, ein mysteriöser alter Mann lockt uns immer wieder in die Falle und über den Berghängen sehen wir die gespenstischen Lichter eines Gratzugs.

Grusel aus Luzerner Hand

Nein, das ist kein Reisebericht und auch keine Filmszene. Es ist der Beginn von Michel Zieglers (39) Videospiel «Mundaun». Ein düsteres Adventure-Game, an dem der Luzerner die letzten 6,5 Jahre gearbeitet hat und das am vergangenen Dienstag weltweit veröffentlicht wurde.

Während für die Gamer und den Protagonisten Curdin Caminada die Reise jetzt beginnt, geht sie für Ziegler langsam zu Ende. Eine Reise, die ihn viel Zeit, Nerven und Schweiss gekostet – aber auch viel Freude gebracht hat.

Michel Ziegler aus Luzern hat sich für sein Spiel von Schweizer Sagen inspirieren lassen. (Bild: Michel Ziegler / Hidden Fields)

Düstere Wolken auch in der realen Welt

Zwar sei die Zeit während der Entwicklung gemäss Ziegler wie im Flug vergangen, trotzdem gab es immer wieder Momente des Zweifels und der Unsicherheit. «Ich habe mich manchmal gefragt, ob es überhaupt jemanden interessiert, was ich hier mache. Oder ob ich je fertig werde.» Letztlich hat ihn die selbst erschaffene Welt aber jedes Mal wieder in ihren Bann gezogen. «Mundaun war sechs Jahre lang mein Leben.»

«Man hat keine Ahnung, wie die Leute auf so ein Projekt reagieren. Ich rechnete mit dem Schlimmsten.»

Den Schauplatz für sein Gruselspiel kennt der Entwickler seit seiner Kindheit. «Meine Familie hatte eine Ferienwohnung in Mundaun. Ich war fast jeden Sommer und Winter da oben.» Das weitläufige, spärlich besiedelte Tal im Kanton Graubünden hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Michel Ziegler hat seine eigene düstere Version des Bündner Bergdorfs geschaffen. (Bild: Michel Ziegler / Hidden Fields)

Ebenso der reiche Sagenschatz, mit dem die Schweizer Bergwelt aufwartet. Beides hat er nach seinem Game-Erstling «The Colony», den er als Abschlussarbeit an der Hochschule Luzern (HSLU) entwickelt hatte, in seinem neuen Werk verwoben.

Erst die Angst, dann die Erleichterung

In den Tagen vor dem Release war Ziegler ausgesprochen nervös. Bis kurz davor hat er fast ununterbrochen an dem Titel gefeilt und nachgebessert – manchmal zehn Tage am Stück. Dann kam der Moment, in welchem er sein «Baby» aus der Hand geben musste. «Man hat keine Ahnung, wie die Leute auf so ein Projekt reagieren. Ich rechnete mit dem Schlimmsten.» Deswegen hielt er sich auch kurz nach der Veröffentlichung von Kritiken und allgemeiner Berichterstattung fern. «Schlechte Reviews hätten mich wohl fertiggemacht», sagt er und lacht.

«Magazine, die ich als Teenager gelesen habe, schreiben jetzt über mein Spiel.»

Als dann aber durchsickerte, dass der Titel ringsherum wohlwollend und mehrheitlich sehr positiv bewertet wurde, wagte er sich dann doch ins Internet. «Es ist total aufregend!»

Dem Einmann-Projekt ging schon vor der Veröffentlichung ein internationaler Pressewirbel voraus. Und seit dem Release umso mehr: Mundaun hat den Hashtag #SwissGames weltweit ebenso befeuert wie die Rangliste der Neuerscheinungen auf der grössten Spieleplattform «Steam». «Das ist surreal», so Ziegler. «Magazine, die ich als Teenager gelesen habe, schreiben jetzt über mein Spiel.»

Viel Swissness

Was dem Erfolg von «Mundaun» sicherlich geholfen hat, ist das eigenwillige Design, das Ziegler für den Look des Spiels gewählt hat. Der HSLU-Abgänger hat nämlich alle Oberflächen, Gegenstände und Figuren von Hand gezeichnet und dann als digitale Texturen verwendet. Dadurch wirkt das in tristen Sepiatönen gehaltene Spiel wie ein bewegtes Bleistift-Gemälde (zentralplus berichtete).

Auch sonst bewegt sich Mundaun abseits der bekannten Gefilde: Alle Dialoge sind in Rätoromanisch gesprochen und an jeder Ecke drückt die «Swissness» durch, sei es bei der Gestaltung der Bündner Häuser, Plakaten für die örtliche Kaffeesorte oder den verschiedensten Kreaturen, die an Schweizer Sagengestalten angelehnt sind.

Support aus Übersee

Das Game wird weltweit durch den Publisher Madison Wells Media Interactive (MWMi) aus Los Angeles vertrieben. «Die wurden an der Game Developers Conference auf mein Spiel aufmerksam», erzählt Ziegler, der 2019 an der jährlichen Game-Veranstaltung in San Francisco mit einem Stand vertreten war.

Zur Zusammenarbeit kam es auch, weil sich die Amerikaner die Zeit nahmen, um Ziegler vor Ort in Luzern in seinem Studio Hidden Fields zu besuchen. «Dieses Kennenlernen war mir wichtig. Man gibt sein Herzensprojekt schliesslich nicht einfach aus der Hand.» Der Publisher hat Ziegler die volle kreative Kontrolle bei der Entwicklung seines Spiels gelassen, war aber, wenn nötig, mit Rat und Feedback zur Stelle.

Vorerst kein neues Projekt geplant

Mit dem Ergebnis ist Ziegler zufrieden. «Natürlich gibt es immer Dinge, die man besser machen oder ausbauen könnte», sagt er. «Es war mein Ziel, ein Spiel mit viel Atmosphäre und Möglichkeiten zu bieten.» Und das ist Ziegler auch gelungen. «Mundaun» hat definitiv seine Ecken und Kanten – im guten, wie auch im kritischen Sinne.

Einige dieser Kanten sollen nun noch geglättet werden. Derzeit arbeitet er an einem Patch, der ein paar technische Fehler ausmerzen soll, während parallel dazu eine Portierung für die Nintendo Switch entsteht. Und dann? «Danach brauche ich definitiv eine Auszeit», so Ziegler und schmunzelt. Auf die Arbeit an Mundaun zurückblickend, kann er nur sagen: «Es war eine verrückte Zeit.»

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