Mike Walker hockt nicht aufs Maul

Luzerner Hip-Hopper ohne Tabus

«Jedi Harddisk voll, aber s Härz esch läär»: Mike Walker am Bounce Cypher. (Bild: Youtube/SRF Virus)

Wenn sich 85 Schweizer Hip-Hopper zum «Bounce Cypher» treffen, gibt es keine Tabus mehr. Auch keine politischen: Der Luzerner Mike Walker brüllte sich «das Herz aus der Brust» – mit einer unmissverständlichen politischen Kampfansage sorgt er für Aufsehen. Woher diese Wut?

Es ist momentan vor allem Mimiks, der im Schweizer Hip-Hop hohe Wellen schlägt. Da braucht es schon einen David Bowie, um den Luzerner von Platz 1 der Albumcharts abzuhalten. Und wie das so ist: Wenn man abgefeiert wird, ist die Kritik bald zur Stelle. So geschehen am Montag im Newsletter «Ron Orp»: «Es ist eine wahre Freude, Mimiks zuzuhören – wenn man bloss nicht auf den Text achtet.» Die Diskussion auf Facebook war lanciert … und Mimiks meinte dazu lapidar: «Äntlech werd dä Möll gebührend schubladisiert!»

Doch, es soll hier um einen anderen Rapper aus Luzern gehen. Einen, bei dem es sich ohne Zweifel lohnt, genauer auf die Texte zu achten. Mike Walker von GeilerAsDu platzte vor einigen Tagen mit einer mutigen und selten prägnant gehörten politischen Message in die aufgeheizte Schweiz. Die Schweiz, in der für viele ein Schreckgespenst umgeht: die Durchsetzungsinitiative, über die wir am 28. Februar abstimmen.

Letzte Woche am «Bounce Cypher» von Radio Virus, dem Who is Who des Schweizer Rap, brüllte er sich «das Herz aus der Brust», wie er selber schrieb. «Wegschauen geht nicht mehr»:

«Ich weiss, üse Chommer esch husgmacht, das heisst aber ned, das de Scheiss üs nüd usmacht / Problem wärded ned glöst, sondern usgschafft / Mer hend dä Scheiss do doch sälber verursacht»

«wemer nüd degäge möched hemmer öpis deför/zueluege heisst zuelo, also schrei wenns di stört»

Posted by GeilerAsDu on Samstag, 30. Januar 2016

 

Der «Bounce Cypher» ist der grösste Live-Rap-Event der Schweiz: Sechs Stunden lang gaben sich 85 Schweizer Rapper im Radiostudio die Klinke in die Hand (zentral+ berichtete). Die zwei Luzerner Pablo Vögtli und Mauro Wolf organisierten die Hip-Hop-Nacht. Und auch vor dem Mikrofon sorgten Luzerner Rapper wie Mimiks, Luzi Rast (Moskito, GeilerAsDu) oder eben Mike Walker (GeilerAsDu) für Höhepunkte.

Und übrigens – das ist statistisch untermauert: Die Luzerner Rapper hatten am wenigsten Texthänger und rappten häufiger über Hurensöhne und Sex als ihre Kollegen aus Zürich, Basel oder Bern, wie SRF Virus berechnet hat.

«Jene Leute, die mich kennen, sollen wissen, wo ich stehe und was ich denke.»

Mike Walkers fadengrades, zweieinhalbminütiges Statement wird momentan im Netz herumgereicht. Wenn für manche wohl die Grenze des guten Geschmacks bereits überschritten ist, legt Walker mit Genuss noch einen drauf. Und verschafft sich so Gehör – zumindest im Netz:

«Liche im Wasser, so mehreri tuusig, aber nor bi Bataclan semmer truurig»

Oder direkt auf die drohenden Pegida-Demos in der Schweiz angesprochen:

«Zuluege heisst zuelo, also schrei, wenn’s die stört, Pegida-Wixer jetzt au no i minere Stadt»

Video: Der ganze Auftritt von Mike Walker am «Bounce Cypher»:

 

Am «Cypher» ist natürlich viel Show, viel Emotion, viel passiert aus dem Moment heraus. Wenn man mit Mike Walker persönlich über seine politische Message spricht, wirkt er einiges ruhiger und überlegter.

Neues Album von GeilerAsDu

Die Luzerner Hip-Hopper GeilerAsDu haben bis jetzt vier Alben veröffentlicht: «Deck im cho» (2008), «Revoluzion» (2010), «Warn dini Stadt» (2011) und «Flöchted» (2012). Sie suchen auch immer wieder die Zusammenarbeit über die Grenzen des Hip-Hop hinaus. Etwa mit Alvin Zealot oder jüngst mit Hanreti (zentral+ berichtete).

Ihr neues Album wird in der Szene heiss erwartet. Kommt es noch dieses Jahr? «Ich gehe davon aus», sagt Mike Walker.

Wie kam es, dass seine Wut so gross ist? Es hat viel mit der aufgeheizten Situation zu tun – der Flüchtlingskrise und der nahenden Durchsetzungsinitiative. «Ich konnte es nicht lassen, das zu sagen. Ich merke, dass sehr viele Leute im Moment diffuse Ängste haben und komische Entscheidungen fällen», sagt er. «Wir haben den Blick für das Ganze verloren.»

Mike Walker ist ein durch und durch politischer Mensch – Politiker will er aber nicht sein, Missionar schon gar nicht. «Dieses Statement war etwas sehr Persönliches, jene Leute, die mich kennen, sollen wissen, wo ich stehe und was ich denke.» Mit allen positiven wie negativen Folgen. Klar, dass man so auch Fans verlieren kann.

Schon 2011 konnte Mike Walker nicht aufs Maul hocken: Auf den Wahlkampfsong von SVP-Youngster Anian Liebrand für den Luzerner Kantonsrat («Liebrand für Heimatland») reagierte Walker mit dem Song «Händ Ue».

 

Walker ist sich bewusst, dass sein Statement von letzter Woche recht aggressiv rüberkam – aber vielleicht braucht’s das, um einige wachzurütteln. «Es wäre schön, wenn das passiert», sagt er. Er ist aber Realist genug und weiss, dass er wohl in erster Linie Leute erreicht, die ähnlich denken wie er.

Aber eigentlich geht’s Mike Walker um etwas Grösseres: «Wir haben verlernt zu diskutieren und eine Debatte zu führen. Wir teilen komische Inhalte, fallen auf blöde Kommentare rein, ohne sie zu hinterfragen.» Oder wie er am «Cypher» rappte:

«Nome YOLO und 9GAG, kei echti Wert, jedi Harddisk voll, aber s Härz esch läär.»

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